Was Finfluencer sind? Muss man nicht wissen. Dass in sozialen Netzwerken aber nicht nur Themen wie Fitness, Schönheit und Ernährung Anklang finden, sondern auch die Influencer zu Finanzthemen sehr viele Follower haben, zeigt einen Bedeutungswandel des Themas. Zwar stellen Männer zwischen 50 und 59 Jahren mit hohem Einkommen weiterhin die größte Gruppe der Aktionäre.

Relativ stärker ist die Bedeutung aber unter jüngeren Anlegern und in den niedrigeren Einkommensgruppen gewachsen. Gut so, denn anders als vor 400 Jahren, als die ersten Aktien vor allem wohlhabenden Kaufleuten in den Niederlanden vorbehalten waren, die damit Schiffsfahrten nach Indien finanzierten und sich mittels Aktien die Kosten und das Risiko teilten, ist die Aktie heute längst für jedermann so einfach und günstig zugänglich wie nie zuvor.

Nach Umfragen des Deutschen Aktieninstituts besitzen 12,3 Millionen Menschen hierzulande Aktien von Unternehmen oder Aktienfonds. Vor Corona waren es nur 9,7 Millionen. Wünschenswert wäre indes eine Vollabdeckung der Bevölkerung mit 84 Millionen Aktiensparern von Geburt an. Denn die Teilhabe an der Wertschöpfung der größten und erfolgreichsten Unternehmen der Welt mehrt den Wohlstand wie keine andere Anlageform.

Wer sich die Kurscharts von Netflix, Tesla oder Nvidia anschaut, sieht, dass Aktien viel Freude machen können, aber eben auch Nerven kosten. Das Verhalten der deutschen Anleger zeigt, dass eine Generation nach dem Telekom-Börsengang manche Wunden verheilt sind und aus Fehlern gelernt wurde. Das Geld in Aktien wird breiter gestreut und nicht nur auf gehypte Trendaktien gesetzt.

Das Jahr 2022 mit zeitweise kräftigen Kursverlusten hat zudem weder bei Alt noch bei Jung zu größerem Nervenflattern geführt. Viele Anleger haben verstanden, dass in einer langfristig ausgerichteten Aktienstrategie für die Altersvorsorge Rücksetzer eher willkommene günstigere Einstiegsgelegenheiten sind denn ein Grund auszusteigen. Sie wurden 2023 und in diesem Jahr für ihre Treue belohnt.

Den relativ größten Aufschwung nahm das Thema Aktie in Deutschland in der Altersgruppe bis 29 Jahren. Mehr als eine Million neue Aktionäre in dieser Altersgruppe stellen eine Verdopplung dar. Dies auf Zockerei rund um die Gamestop-Aktie zu reduzieren, wäre verkürzt. Das Standardprodukt gerade bei jüngeren Aktiensparern ist der ETF-Sparplan und damit die wohl konservativste, aber auch vernünftigste Form der Geldanlage am Aktienmarkt.

Das Anlegerportal Extra ETF zählte vor zehn Jahren nur 160.000 solcher Sparpläne in Aktienindexfonds, mittlerweile sind es mehr als 4 Millionen Menschen, die im Schnitt monatlich 167 Euro in ETF sparen, oft auf breit gestreute Indizes wie den MSCI World. Hinzu kommen Neobroker wie Trade Republic und Scalable mit zusammen wohl weiteren mehr als 2 Millionen ETF-Sparplänen.

Und auch bei Sparkassen und Volksbanken, die in der Regel keine günstigen ETF vertreiben, sind Aktienfondssparpläne längst ein Standardprodukt, unabhängig vom Alter der Kunden. Der größte Vorteil eines Sparplans liegt auf der Hand: Das Risiko bei einer Einmalanlage in Aktien ausgerechnet einen ganz schlechten Zeitpunkt zum Einstieg erwischt zu haben, wird durch die kontinuierliche Einzahlung deutlich reduziert.

Ist Deutschland nun also plötzlich ein Land der Aktionäre? Sicherlich nicht. 12 Millionen in Umfragen ermittelte Aktionäre sind gerade mal ein Siebtel der 84 Millionen Einwohner. Aber dass nach Bundesbank-Angaben fast 1 Billion Euro des deutschen Geldvermögens zum Jahreswechsel in Unternehmensanteilen angelegt waren und eine weitere knappe Billion in Fonds und sie zusammen damit auf Augenhöhe mit den 2 Billionen Euro sind, die in bar und auf Giro- und Tagesgeldkonten gehalten werden, das geht schon in Richtung Zeitenwende in der Geldanlage.

Immer mehr Sparer merken, dass in einer alternden Gesellschaft die Aktienrendite als Baustein für die Altersvorsorge unverzichtbar ist. Wenn im Jahresverlauf die Bundesregierung ihre Pläne zur Aktienrente umsetzt, trifft dies also auf eine Bevölkerung, die zwar (noch) nicht täglich über Aktien spricht, wie es in den USA weitverbreitet ist.

Doch mit der Aktienquote müssen wir uns auch nicht mehr hinter anderen Ländern verstecken, deren staatlich organisierte Altersvorsorge auch fast ausschließlich auf der Bezahlung der Renten durch die aktuell arbeitende Bevölkerung setzt und nicht auf Renditen von Ersparnissen am Kapitalmarkt. Und vielleicht wächst als Abbild der Gesellschaft auch unter den Politikern eine stärkere Generation Aktie heran. Der Altersversorgung im Land würde es gut tun.

QOSHE - Zeitenwende in der Geldanlage - Daniel Mohr
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Zeitenwende in der Geldanlage

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05.05.2024

Was Finfluencer sind? Muss man nicht wissen. Dass in sozialen Netzwerken aber nicht nur Themen wie Fitness, Schönheit und Ernährung Anklang finden, sondern auch die Influencer zu Finanzthemen sehr viele Follower haben, zeigt einen Bedeutungswandel des Themas. Zwar stellen Männer zwischen 50 und 59 Jahren mit hohem Einkommen weiterhin die größte Gruppe der Aktionäre.

Relativ stärker ist die Bedeutung aber unter jüngeren Anlegern und in den niedrigeren Einkommensgruppen gewachsen. Gut so, denn anders als vor 400 Jahren, als die ersten Aktien vor allem wohlhabenden Kaufleuten in den Niederlanden vorbehalten waren, die damit Schiffsfahrten nach Indien finanzierten und sich mittels Aktien die Kosten und das Risiko teilten, ist die Aktie heute längst für jedermann so einfach und günstig zugänglich wie nie zuvor.

Nach Umfragen des Deutschen Aktieninstituts besitzen 12,3 Millionen Menschen hierzulande Aktien von Unternehmen oder Aktienfonds. Vor Corona waren es nur 9,7 Millionen. Wünschenswert wäre indes eine Vollabdeckung der Bevölkerung mit 84 Millionen Aktiensparern von Geburt an. Denn die Teilhabe an der Wertschöpfung der größten und........

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