Bis zum Jahr 2007 ist Deutschland in der Altersvorsorge auf einem passablen Weg gewesen. Franz Müntefering (SPD) brachte als Vizekanzler und Arbeitsminister noch die Kraft auf, seine Partei im Sinne der rot-grünen Agenda 2010 auf eine längere Lebensarbeitszeit und damit die „Rente mit 67“ einzuschwören. Zuvor waren mit den Arbeitsmarktreformen („Hartz“) verkrustete Strukturen aufgebrochen und Arbeitskräftepotential aktiviert worden. Die Balance zwischen Erwerbstätigen und Rentnern verbesserte sich. Mit „Riester“ gelang der Einstieg in eine staatlich geförderte Kapitalanlage.

Die 17 Jahre danach lassen sich unterm Strich nur als Desaster zusammenfassen. Anstatt die Konstruktionsfehler der Riester-Rente zügig zu beheben, wurde sie ihrem Siechtum überlassen. CDU und CSU weiteten die Sozialleistungen erheblich aus, in- dem sie älteren Müttern mehrfach die Renten außerordentlich erhöhten. Das ist für die Begünstigten erfreulich, es sei ihnen gegönnt, und sie haben es auch verdient. Aber es ist eben sehr, sehr teuer. Damit die SPD zustimmt, bekam die ihre „Rente mit 63“, das Ausstiegsprogramm für erfahrene Fachkräfte aus dem Arbeitsmarkt zulasten der Rentenkassen. Minus mal Minus ergibt in dem Fall leider nicht Plus, sondern reißt ein riesiges Loch in die Rentenkasse.

127 Milliarden Euro und damit 29 Prozent seines Haushalts muss der Bundesfinanzminister dieses Jahr in die Rentenkasse zuschießen. Für Landesverteidigung bleiben 52 Milliarden Euro, für Straßen, Schiene und Digitales 39 Milliarden Euro. Verheerende Zahlen für ein Land, das im globalen Wettbewerb bestehen muss.

Es brauchte wieder jemanden vom Format Münteferings, der den alten Volksparteien klarmacht, dass eine Balance zwischen Einzahlern in die Rentenkasse und Begünstigten per­spektivisch unabdingbar ist. Sonst werden die Anreize zu groß, möglichst nicht einen Gutteil seines Arbeitseinkommens in dieses System einzahlen zu müssen. Absetzbewegungen dieser Art würden die Schwierigkeiten noch vergrößern, auch politisch. Dafür muss es attraktiver sein, mehr oder überhaupt zu arbeiten, als nicht oder bloß Teilzeit zu arbeiten. Und es bedarf der Pflicht, mit längerer Lebenserwartung eben auch erst später abschlagsfrei in Rente gehen zu dürfen als bisher. Dabei könnte man differenzieren: Arbeiter mit kürzerer Lebenserwartung müssten dann kürzer und Akademiker mit durchschnittlich längerer Lebenserwartung eben deutlich länger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Um das Rentensystem in sich stabiler, aber auch im internationalen Vergleich konkurrenzfähiger zu machen, müssen endlich die Renditen des Kapitalmarkts genutzt werden. 87 Milliarden Euro Kursgewinn aus Aktien binnen eines Jahres weist die jüngste Geldvermögensstatistik der Bundesbank für die deutschen Privatanleger aus sowie 43 Milliarden Euro Gewinne aus Fondsvermögen – obwohl nur eine Minderheit der Bevölkerung in Aktien und Fonds spart.

Nun steigen die Aktienkurse nicht jedes Jahr, aber auf lange Sicht erwirtschaften die börsennotierten Unternehmen gute Gewinne und sorgen mit Dividenden und Kursgewinnen im Schnitt für acht Prozent Rendite im Jahr – die jüngsten Dax-Rekorde lassen grüßen. Der Großteil der Dax-Gewinne fließt ins Ausland, in die Pensionskassen der Niederländer, Briten und Amerikaner, die seit Jahren und Jahrzehnten ihre Altersvorsorge vom unternehmerischen Erfolg profitieren lassen.

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Da es im politischen Interesse ist, das Rentensystem zu stabilisieren, viele Menschen aber nicht das Zutrauen und das Geld zur Geldanlage im Kapitalmarkt haben, bedarf es einer Brücke, wie Schweden sie gebaut hat: Ein Teil der Rentenbeiträge fließt nicht direkt an die Rentner, sondern wird am Kapitalmarkt angelegt. So spart jeder Schwede eine erhebliche Zusatzrente an. Auch die Norweger widerstehen der Versuchung, ihre üppigen Öl-Einnahmen komplett heute zu verfrühstücken. Sie sind zum größten Anleger auch in deutschen Aktien neben dem US-Vermögensverwalter Blackrock geworden. 36.000 Euro Gewinn je Norweger brachte ihr Staatsfonds im vergangenen Jahr, 3000 Euro je Monat – eine attraktive Zusatzrente.

Die immer wieder verzögerten und verwässerten Pläne der Bundesregierung für eine Aktienrente können nur ein Anfang für mehr Kapitalmarkt in der Altersvorsorge sein. Bessere steuerliche Bedingungen für die langfristige Geldanlage sollten hinzukommen. Ist der Einstieg erst einmal geschafft, so lehrt es die Erfahrung anderer Länder, steigt auch das Interesse der Menschen am Kapitalmarkt, das Verständnis wird größer, die teils irrationale Angst vor Verlusten nimmt ab und der Wohlstand des Landes zu – nicht nur für die Rentner.

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Drei Vorschläge, um unser Rentensystem zukunftssicher zu machen

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18.02.2024

Bis zum Jahr 2007 ist Deutschland in der Altersvorsorge auf einem passablen Weg gewesen. Franz Müntefering (SPD) brachte als Vizekanzler und Arbeitsminister noch die Kraft auf, seine Partei im Sinne der rot-grünen Agenda 2010 auf eine längere Lebensarbeitszeit und damit die „Rente mit 67“ einzuschwören. Zuvor waren mit den Arbeitsmarktreformen („Hartz“) verkrustete Strukturen aufgebrochen und Arbeitskräftepotential aktiviert worden. Die Balance zwischen Erwerbstätigen und Rentnern verbesserte sich. Mit „Riester“ gelang der Einstieg in eine staatlich geförderte Kapitalanlage.

Die 17 Jahre danach lassen sich unterm Strich nur als Desaster zusammenfassen. Anstatt die Konstruktionsfehler der Riester-Rente zügig zu beheben, wurde sie ihrem Siechtum überlassen. CDU und CSU weiteten die Sozialleistungen erheblich aus, in- dem sie älteren Müttern mehrfach die Renten außerordentlich erhöhten. Das ist für die Begünstigten erfreulich, es sei ihnen gegönnt, und sie haben es auch verdient. Aber es ist eben sehr, sehr teuer. Damit die SPD zustimmt, bekam die ihre „Rente mit 63“, das Ausstiegsprogramm für erfahrene Fachkräfte aus dem Arbeitsmarkt zulasten der Rentenkassen. Minus mal Minus ergibt in........

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