Man solle nicht vergessen, dass sie eine erprobte „Kämpferin“ sei, hat die Republikanerin Nikki Haley nach der Vorwahl von New Hampshire gesagt. Es war der verzweifelte Versuch, ihre deutliche Niederlage gegen Donald Trump wider alle Umfragen und Erfahrungen als den Beginn einer langen Siegesserie umzudeuten.
Gewiss hat Haley politische Kämpfer-Qualitäten. Andernfalls hätte es die Tochter indischer Einwanderer im Jahr 2011 nicht im tief konservativen South Carolina zur ersten Gouverneurin des Bundesstaates gebracht. Politische Überlebenskunst bewies sie auch, als sie 2016 ihre Vorbehalte gegen Trump herunterschluckte und als UN-Botschafterin dessen Angriffen auf den Multilateralismus in New York manche Spitze nahm – um rechtzeitig zurückzutreten, als diese Koexistenz nicht mehr funktionierte und ihre Entlassung via Twitter kaum mehr zu vermeiden gewesen wäre. Mit demselben Opportunismus hat Haley es als Anti-Trump-Trumpistenversteherin immerhin zur letzten Konkurrentin des früheren Präsidenten in den Vorwahlen geschafft. Doch das wird bald vorbei sein.
Denn wer in der amerikanischen Politik ein „Kämpfer“ ist, hat Trump vor Jahren neu definiert. Er bewies es, als er sich am Dienstagabend den üblichen Politikerjubel über seinen beeindruckenden Sieg versagte und Haley attackierte, als hätte er von ihr noch ernsthaft etwas zu befürchten. Es ist genau diese Grobheit, diese Unerbittlichkeit und dieser Mangel an Großzügigkeit, die vielen Amerikanern an Trump gefallen. Trump lässt sich keine Hintertüren offen. Soweit es für das Publikum ersichtlich ist, denkt er in den Vorwahlen gar nicht darüber nach, dass er im November noch auf die Stimmen von Konservativen angewiesen sein wird, die seinem Stil oder seiner Politik skeptisch gegenüberstehen. Wahlkampfstrategen alter Schule mögen das für dumm halten. Unter dem Strich macht es Trump aber stark.
Denn seine Anhänger stört es nicht, dass der Kämpfer Trump als Präsident in Wahrheit sehr wenig von dem durchsetzen konnte, was er ihnen versprochen hatte. Wirklich unbeugsam ist er eigentlich nur, wenn es um ihn geht, also gegen republikanische Politiker, ausländische Regierungschefs oder amerikanische Richter, die ihm keine Loyalität zeigen – und nicht zuletzt in seinem Dauerkampf gegen „die Medien“.
Mindestens an dieser Stelle verschafft Trumps Kampfeslust auch traditionellen Republikanern Genugtuung, die zwar noch einen Sinn für die mit Trump verbundenen Gefahren für die Weltordnung und die amerikanische Demokratie haben, die sich aber seit Jahrzehnten selbst von linksliberalen Meinungsmachern bevormundet wähnen. Und Abermillionen Amerikaner schließen aus Trumps Kampf in eigener Sache, dass er auch für „Leute wie sie“ kämpfe.
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Wir werden nie erfahren, wie es im republikanischen Vorwahlkampf heute stünde, wenn sich eine in vielerlei Hinsicht attraktive Kandidatin wie Nikki Haley an Trump ein Beispiel genommen hätte und nach seinen Regeln in einen echten Kampf gezogen wäre. Wenn sie ohne Angst vor Trumps Hardcore-Anhängern ganz ungeschützt seine Angriffe auf die Demokratie, seine wahnwitzigen Aussagen über Putin, die NATO und die Ukraine und vor allem die Vielzahl seiner mutmaßlichen Straftaten von Anfang an ins Zentrum ihrer Kampagne gestellt hätte.
Sie wäre damit ein großes Risiko eingegangen. Der Kampf wäre es wert gewesen. Es hat ihn nicht gegeben.