Mit niemandem kann man die Momente kleinen Glücks so teilen wie mit (guten) Nachbarn.

Familie bleibt immer Familie, auch wenn man auseinanderzieht. Bei Freunden ist es ebenso. Aber bei Nachbarn verliert man mit deren Umzug genau das, was man bisher hatte: jemanden, der einfach da ist, direkt gegenüber oder gleich nebenan. Bei dem man sich schnell zwei Eier oder Zwiebel holen kann. Bei dem die Kinder Unterschlupf finden, wenn sie den Schlüssel vergessen haben. Wenn das Verhältnis gut ist, jedenfalls. Dann kann man das kleine, alltägliche Glück mit niemandem besser teilen als mit Nachbarn.

In meinem Fall: sonnige Abende, an denen man eigentlich nur ein Paket übergeben wollte, aber dann mit einem Gläschen Wein auf der Terrasse landet. Regnerische Morgen, an denen man sich gegenseitig den fehlenden Liter Milch und das Brot beim Einkaufen mitbringt. Spontane Spaziergänge, bei denen man sich den Kummer von der Seele redet, wenn alles gerade schiefläuft. Oder eine kurzfristige Joggingrunde, weil der innere Schweinehund sich gemeinsam viel besser besiegen lässt.

Es gibt da auch diesen Teller, der mal in dem einen und mal in dem anderen Reihenhaus steht. Frischduftend schwebt darauf Kuchen hin- und herüber, nie kommt er leer zurück. „Zum Probieren“, lautet der schlichte Satz, mit dem Leckerbissen oder kulinarische Mitbringsel gereicht werden.

Ausgetauscht wird allerlei. Einmal tauschten wir sogar die Kinder für zwei Tage, beziehungsweise sie die Eltern und Geschwister. Weil in der Coronazeit ohnehin alles so dröge und fad war. Natürlich wird da, auch wenn nun ein Auszug bevorsteht, eine starke Freundschaft bleiben. Aber die Nachbarschaft, die allerorts mit Erzählungen von Neid und Überwachung schlecht geredet wird, ist doch etwas ganz Besonderes. Weil man so unmittelbar Freude, Sorgen, Kuchen und Zwiebel teilen kann.

E-Mail an: rosa.schmidt-vierthaler@diepresse.com

QOSHE - Wenn Nachbarn leider weiterziehen - Rosa Schmidt-Vierthaler
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Wenn Nachbarn leider weiterziehen

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23.11.2023

Mit niemandem kann man die Momente kleinen Glücks so teilen wie mit (guten) Nachbarn.

Familie bleibt immer Familie, auch wenn man auseinanderzieht. Bei Freunden ist es ebenso. Aber bei Nachbarn verliert man mit deren Umzug genau das, was man bisher hatte: jemanden, der einfach da ist, direkt gegenüber oder gleich nebenan. Bei dem man sich schnell zwei Eier oder Zwiebel holen kann. Bei dem die Kinder Unterschlupf finden, wenn sie den Schlüssel vergessen haben. Wenn das........

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