Die Formel 1 ist paradoxer Anachronismus. Langweiliger kann eine Saison kaum sein, doch die Rechnung stimmt mit Weltmeister Max Verstappen, RB-Erfolgen, Netflix-Coups und Amerika als neuem Markt. Wundern muss man sich trotzdem.

Die Formel 1 ist für Kritiker seit jeher rollender Anachronismus mit monotonen Regeln und steril-blassen Protagonisten. Reich fährt gegen arm, immer gewinnt nur einer und das zumeist nach der ersten Kurve oder beim Reifenwechsel. Man lechzt vergebens nach Typen, die Geschichten, ja: wie einst, mit scharfen Sprüchen erzählen ohne von PR-Beratern daran gehindert zu werden. Die Suche nach Überholmanövern ist zwar nicht mehr ganz so schwer wie in manch Saisonen davor, auf den Zieleinlauf hat es dennoch kaum Folgen.

Ein Grand Prix dient der Industrie, dem F1-Eigentümer „Liberty Media“, nicht der Umwelt. Vor Ort herrschen groteske Preispolitik und trotzdem Massenandrang. Daheim fährt Fadesse durchs Wohnzimmer, die TV-Quoten sind trotzdem respektabel. Die F1 ist ein paradoxer Anachronismus.

Natürlich muss man, aus Fairness und Respekt, den Hut ziehen vor Max Verstappen, der seinen dritten WM-Titel in Serie gewann. Die Anzahl seiner Siege, 54, bleibt eine Wasserstandsmeldung, da kommen noch viel mehr. Dass Red Bull Racing, gegründet und finanziert von einem Energydrink, Fahrer-, Vize- und Konstrukteurs-Weltmeister stellt, ist eine schallende Ohrfeige für Automobilhersteller wie Mercedes, Ferrari oder Alfa Romeo. Sieben Mal gelang das bis dato bereits seit 2010. Bewundernswert, ja. Aber, ein Ende der Monotonie auf den Rennstrecken ist dadurch nicht in Sicht; im Gegenteil. Das Reglement bleibt bis 2026 so, wie es jetzt ist. Die Freude fällt rundum verhalten aus.

Die Formel 1 wächst, obwohl sie in Europa zusehends umstrittener wird. Amerika als neuer Markt mit milliardenschweren Highlights in Miami oder Las Vegas lassen die Kassen schriller klingeln als die von Bernie Ecclestone – allerdings transparent – verfolgte Bestpreispolitik, die seine Rennserie in jeden Hinterhof zahlungswilliger Diktators geführt hätte. Asien will mehr Events, Afrika will sein Comeback, damit dieser Zirkus auch in der Winterpause populär bleibt, dreht Netflix die nächste Staffel „Drive to survive“. Dazu kommt ein Kinofilm mit Brad Pitt.

Obwohl Nascar und Indy-Car-Events spannender und günstiger sind, holt die Formel 1 in den USA auf. Dabei, noch gibt es keinen siegreichen US-Piloten, ist das Haas-Team bloß Statist und der Einstieg von Cadillac (Andretti-Team) noch nicht abgesegnet. Warum? Da geht es nur um Geld: zehn Teams teilen den Geldkuchen, sind es elf, bekommt jeder weniger.

Auch Live-TV ist in Streaming-Zeiten ein Schlüssel zum Tresor geblieben. ServusTV trägt den ORF bis 2026 als Sublizenznehmer mit. Warum? Nichts wäre in Fuschl unpopulärer, als die Rennserie mit dem Weltmeister, zwei eigenen Teams und einer eigenen Rennstrecke im Pay-TV verschwinden zu sehen. Also geht alles so weiter wie gehabt: mit dem Anachronismus, Einzelsiegern, der Monotonie auf Strecken und Sender. Allerdings erst ab März 2024, bis dahin ist jetzt Pause. Uff.

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Die Monotonie der Formel 1 macht jetzt endlich Winterpause

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26.11.2023

Die Formel 1 ist paradoxer Anachronismus. Langweiliger kann eine Saison kaum sein, doch die Rechnung stimmt mit Weltmeister Max Verstappen, RB-Erfolgen, Netflix-Coups und Amerika als neuem Markt. Wundern muss man sich trotzdem.

Die Formel 1 ist für Kritiker seit jeher rollender Anachronismus mit monotonen Regeln und steril-blassen Protagonisten. Reich fährt gegen arm, immer gewinnt nur einer und das zumeist nach der ersten Kurve oder beim Reifenwechsel. Man lechzt vergebens nach Typen, die Geschichten, ja: wie einst, mit scharfen Sprüchen erzählen ohne von PR-Beratern daran gehindert zu werden. Die Suche nach Überholmanövern ist zwar nicht mehr ganz so schwer wie in manch Saisonen davor, auf den Zieleinlauf hat es dennoch kaum Folgen.

Ein Grand Prix dient der Industrie, dem........

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