Bauern blockieren die Zufahrt zum Container­terminal in Bremerhaven.

© Quelle: Sina Schuldt/dpa

Eine Woche lang lähmen die Bauern das Land, obwohl die Ampel einen Großteil der Spar­beschlüsse längst zurück­genommen hat. Das ist schlicht maßlos – und gefährdet die Sympathien, die viele für die Bauern hegen, kommentiert Thorsten Fuchs.

Am Mittwoch also der Hafen von Bremerhaven. 150 Landwirte, die am frühen Morgen die Zufahrten zum größten deutschen Container­terminal blockieren. Für Stunden kann hier kein Schiff abgefertigt werden, ist eine der wichtigsten Import- und Export­plattformen der deutschen Wirtschaft lahmgelegt. Alles das, weil der starke Arm des Bauern es so will.

Was das Container­terminal in Bremerhaven und die Menschen, die dort arbeiten, mit den Diesel­hilfen zu tun haben, die die Bundes­regierung den Bauern streichen will? Nichts. Gar nichts. Aber darum geht es vielen Landwirten ja auch anscheinend nicht.

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Die Blockade am Hafen von Bremerhaven war eine von Hunderten, mit denen die Bauern in der vergangenen Woche das Land überzogen haben. Sie haben Autobahn­auffahrten zugestellt, Bundes­straßen und Firmen­zugänge. Das war ein beeindruckender Protest, ein 20-Tonnen-Traktor vermag Menschen große Macht zu verleihen. Die meisten Pendlerinnen und Pendler, die in Autos und Bussen als Zwangs­betroffene der Bauern aufs Weiter­fahren warteten, haben all das erstaunlich duldsam ertragen. Erstaunlich vor allem, wenn man bedenkt, wie sehr die Bauern bei ihrem Protest Maß und Mitte aus den Augen verloren haben.

Denn worum geht es den Bauern überhaupt? Die Frage ist erstaunlich schwer zu beantworten. Der Anlass der Proteste ist die Streichung der Diesel­rückerstattung, jenes Geldes also, mit dem die Politik den Landwirten die Steuern auf den Treibstoff für ihre Schlepper zurückzahlt. Das macht im Schnitt rund 20 Euro pro Hektar aus, ein Familien­betrieb mit 100 Hektar bekommt somit 2000 Euro im Jahr zurück. Das ist eine schöne Summe, vor allem, wenn von den rund 115.000 Euro durchschnittlichem Gewinn eines deutschen Hofes auch mitarbeitende Familien­angehörige leben und Eltern unterstützt werden müssen, von denen man den Hof geerbt hat. Es ist legitim und verständlich, gegen die Streichung zu protestieren – mit einer Versammlung, Social-Media-Aktionen, was auch immer.

Seit Montag protestieren deutschlandweit Bauern mit Traktoren gegen die Pläne der Regierung. Bundes­landwirtschafts­minister Özdemir besuchte einen der Proteste.

© Quelle: dpa

Existenz­gefährdend ist der Wegfall dieser Summe aber in aller Regel nicht. Wer darauf mit einer einwöchigen Maximal­blockade und teilweise generalstreik­haften Ambitionen reagiert, missachtet das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Was soll denn kommen, wenn die Bauern einmal wirklich bedroht sind? Wenn es Einschnitte gibt, die die Landwirte ins Mark treffen?

Den Bauern aber geht es ja auch gar nicht nur um die Diesel­rückerstattung, so sagen es viele von ihnen auf den Kundgebungen selbst. Das sei nur „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, der Satz ist immer wieder zu hören. Doch dann wird es rasch diffus. Viele stören sich an der Ampel, an bürokratischen Auflagen, es ist ein bunter Strauß des generellen Unmuts, den die Landwirte bei ihren Protesten zusammen­binden.

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„Schluss mit Lügen, Täuschung und Verarschung“, hat ein Bauer in Bremerhaven auf das Plakat an seinem Trecker geschrieben, „wir holen uns unser Land zurück!“ Als hätte es ihm jemand gestohlen – und als wären wir nicht alle dieses Land, das er da in Diebeshand sieht. Joachim Rukwied, der den schönen Titel Bauern­präsident trägt, schimpft general­diffamierend auf „Politik aus der Berliner Blase“ und „Menschen, die noch nie gearbeitet, noch nie geschwitzt haben“ – und nährt damit jene Politik­skepsis, von der auch die AfD bestens lebt.

Bei alldem nehmen die Bauern für sich in Anspruch, gleich für andere angeblich geknechtete Berufs­gruppen wie Pflegekräfte oder Handwerker mitzusprechen – was mindestens vermessen ist. Die Proteste seien ein „Anlass, um tiefergehende Probleme deutlich zu machen“, die aus den Heraus­forderungen des Tier-, Umwelt- und Klima­schutzes resultierten, „aber auch der demografische Wandel und die Digitalisierung“, sagt der Agrar­ökonom Alfons Balmann. Man wird nur all das nicht aufhalten oder unnötig machen können. Selbst wenn man sich noch so lange mit dem Trecker auf die Straße stellt.

Der Bauern­aufstand hat sich lange angekündigt. Denn auch unter dem grünen Land­wirtschafts­minister Cem Özdemir hat sich wenig getan. Die Bauern dürfen das Land lahmlegen, denn das Versammlungs­recht ist ein hohes Gut, kommentiert Jan Sternberg.

Die Bauern berufen sich auf ein Gefühl: auf das Unbehagen an der Politik im Allgemeinen, der Bundes­regierung im Speziellen und den Lauf der Welt ganz generell. Aber das reicht nicht, um das Land eine Woche lang einer Macht­demonstration nach eigenem Recht auszusetzen. Die Bauern haben zu Recht und zum Glück große Sympathien auf ihrer Seite (auch wenn sie sich selbst immer wieder als die Gescholtenen fühlen). Wie viel Zorn hat die Letzte Generation abbekommen, als sich ihre Aktivisten mit ihren Händen auf ein paar Straßen klebten – und wie nachsichtig schauen wir zu, wenn sich die Bauern eine Woche lang mit ihren Treckern auf die Straßen stellen.

Allein die Ankündigung ihrer Proteste hat die Politik dazu gebracht, ihre Streichungen gleich wieder bis auf ein gesichts­wahrendes Minimum zurückzunehmen. Auf der Straße aber benehmen sich die Bauern nun eine ganze Woche so, als seien sie die einzig Unerhörten. Damit riskieren sie die Unterstützung, der sie bislang sicher waren – und das wäre nicht nur für sie schlecht, sondern für alle. Denn mit einem haben sie ja sicher recht: Schwache Bauern braucht und will nun wirklich keiner.

Der Bauern­aufstand hatte sich lange angekündigt. Denn auch unter dem grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich wenig getan. Die Bauern dürfen das Land lahmlegen, denn das Versammlungs­recht ist ein hohes Gut, kommentiert Jan Sternberg.

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Uchter Landwirte nutzen bei ihren Protesten auch eine Hinrichtungssymbolik. An der B61 gegenüber dem Kundgebungs-Treffpunkt der Landwirte bei Car-Wash stand zweimal ein Ampel-Galgen. Diese Symbolik schürt in der Uchter Bevölkerung Ängste und spaltet zusehends den Ort.

In Uchte und Hoya haben Landwirte für ihren Protest Ampel-Galgen aufgestellt. Die Botschaft ist klar: Sie richten sich gegen die Sparpläne der Ampel-Koalition in Berlin. Mit der Hinrichtungssymbolik manövrieren sich die Landwirte selbst ins Aus, kommentiert Sebastian Schwake.

Die Landwirte protestieren weiter. Am Freitag hat eine Kundgebung in Nienburg stattgefunden, die friedlich verlief, aber dennoch einen unappetitlichen Moment hatte. Am Montag geht der Protest auf den Straßen im gesamten Kreis weiter.

QOSHE - Die Landwirte haben Maß und Mitte aus den Augen verloren - Thorsten Fuchs
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Die Landwirte haben Maß und Mitte aus den Augen verloren

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13.01.2024

Bauern blockieren die Zufahrt zum Container­terminal in Bremerhaven.

© Quelle: Sina Schuldt/dpa

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Seit Montag protestieren........

© Die Harke


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