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Mit einem Verzicht auf Vergeltung für die Angriffe würde die Regierung in Jerusalem dem Volk viel abverlangen. Aber sie erhielte das Momentum der neuen Solidarität.

17.04.2024, 16:11 Uhr

Sei hart, sei smart – wenn Israel glaubt, den Iran angreifen zu müssen, dann besser nicht mit Raketen. Denn sonst zerstört es das Momentum der Unterstützung, das gerade wieder entstanden ist. Im Moment der Bedrohung hat Israel Solidarität erfahren, die aber sehr schnell auch wieder vergehen kann.

Nicht jetzt, unmittelbar, Vergeltung zu üben für das, was der Iran getan hat – die Angriffe mit Hunderten Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen – wäre strategisch klug. Es verlangt allerdings sehr viel von diesem verwundeten, durch den Hamas-Angriff traumatisierten Volk. Ist es dazu bereit?

Stephan-Andreas Casdorff ist Herausgeber des Tagesspiegels. Er wünscht sich von den Israelis eine strategisch kluge Antwort.

Die USA haben vom Präsidenten angefangen klargemacht, was alles nicht geht. Auch der Bundeskanzler hat – aus China – zur Zurückhaltung geraten. Da müssen sie sich in Jerusalem und Tel Aviv, wo das Verteidigungsministerium sitzt, schon sehr genau überlegen, was sie tun, um die Verbündeten nicht zu provozieren. Vor allem den Stärksten nicht.

Hinzu kommt: Wenn Israel trotz allem antworten wollte, wie will es die Islami(sti)sche Republik so treffen, dass die sich nicht eingeladen fühlt, wiederum selbst anzugreifen? Nicht, dass daraus eine Schleife von Gewalt und Gegengewalt wird. Ein offener Krieg zwischen dem Iran und Israel hätte Folgen weit über Nahost hinaus.

Israel benötigt ja Amerika noch für den Fall, dass die Mullahs an der Schwelle zur Atombombe stehen. Was bald sein kann. Das kann niemand wollen und Israel nicht zulassen. Die USA auch nicht.

Außerdem braucht Israel Europa. Weitere Sanktionen sind jetzt angesichts des Sündenregisters der Mullahs überfällig: Sie forcieren ihr Atomwaffenprogramm, versuchen die Region zu beherrschen, unterdrücken ihr Volk. Und das zusätzlich zum Kampf gegen Israel bei jeder sich bietenden Gelegenheit, auf jeder Ebene.

Die EU-Politik muss nachjustiert werden, die deutsche auch. Der Handel mit dem Iran kann noch drastischer eingeschränkt werden, im Grunde bis nahe zum Erliegen. Deutschland hat 2023 immerhin Waren im Wert von rund 1,2 Milliarden Euro exportiert und für 244 Millionen importiert.

Den Iran weltweit isolieren und scharf sanktionieren – das folgte dann auch einer Strategie, aber einer anderen: Strangulation statt Bombardements. Was an den Irakkonflikt vor Jahrzehnten erinnert, den der damalige US-Generalstabschef Colin Powell lieber nicht mit Raketen entscheiden wollte. Jetzt ist es den Versuch wert.

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Nicht unmittelbar Vergeltung üben : Ein offener Krieg zwischen dem Iran und Israel hätte Folgen weit über Nahost hinaus

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18.04.2024

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Mit einem Verzicht auf Vergeltung für die Angriffe würde die Regierung in Jerusalem dem Volk viel abverlangen. Aber sie erhielte das Momentum der neuen Solidarität.

17.04.2024, 16:11 Uhr

Sei hart, sei smart – wenn Israel glaubt, den Iran angreifen zu müssen, dann besser nicht mit Raketen. Denn sonst zerstört es das Momentum der Unterstützung, das gerade wieder entstanden ist. Im Moment der Bedrohung hat Israel Solidarität erfahren, die aber sehr schnell auch wieder vergehen kann.

Nicht jetzt, unmittelbar, Vergeltung zu üben für das, was der Iran getan hat – die Angriffe mit Hunderten Drohnen, Marschflugkörpern und........

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