© Reuters/Yves Herman

Der Rechtspopulist Geert Wilders hat nach der Wahl die Schlüsselrolle in den Niederlanden. Und Deutschland bekommt eine Ahnung davon, was droht, wenn die Politik dem Unmut über Migration nicht begegnet.

Heute, 08:00 Uhr

Der Schock sitzt tief und wird die politische Szene auch in Deutschland und der EU aufrütteln. Die Wähler in den Niederlanden stellen die Parteiführungen vor eine schwer lösbare Aufgabe bei der Regierungsbildung.

Die Rechtspopulisten unter Geert Wilders (PVV) sind der triumphale Wahlsieger, mit deutlichem Abstand vor dem Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen unter Frans Timmermans (GL/PvdA), den bisher regierenden Liberalkonservativen (VVD) unter der neuen Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz und der erstmals angetretenen Partei Neuer Gesellschaftsvertrag (NSC) unter dem Ex-Christdemokraten Pieter Omtzigt.

Das gibt Wilders eine Schlüsselrolle bei den Abwägungen, wer die Niederlande künftig regieren soll. Selbstbewusst erhebt er den Anspruch, das nächste Kabinett zu führen. Aber findet er Koalitionspartner? Ein so krasser Schwenk ist aufs Erste schwer vorstellbar.

Rechnerisch ist es zwar möglich, eine Koalition ohne Wilders‘ Freiheitspartei zu bilden. Aber wer soll die führen?

Das sozialdemokratisch-grüne Bündnis unter Timmermans als zweitstärkste Kraft müsste den Anspruch erheben. Das würde den Wählerwillen jedoch gleich doppelt ignorieren, wenn die Niederlande nach diesem klaren Rechtsruck eine links geführte Regierung bekämen und den Wahlsieger außen vor ließen.

Eher vermittelbar wäre da wohl eine Minderheitsregierung aus den Mitte-Rechts-Kräften. Die müsste sich von Wilders tolerieren lassen. Es wird wohl einige Zeit dauern, bis die Niederlande den Schock verdaut und die Parteiführungen sich sortiert haben.

Deutschland erhält einen Vorgeschmack, was 2024 nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen droht. In den Umfragen dort spielt die AfD eine ähnlich dominierende Rolle wie Wilders‘ PVV in den Niederlanden. Auch dort ist die unkontrollierte Migration das beherrschende Thema, das bei vielen Wählern so viel Unmut auslöst. In den Niederlanden war die Regierung unter dem bisherigen Premier Mark Rutte daran zerbrochen.

Die politische Brandmauer gegen die AfD ist in Deutschland noch um einiges stärker als die in den Niederlanden gegen Wilders. Aber hier wie dort deutet sich an: Es ist keine Dauerlösung, die Rechtspopulisten in den Debatten über potenzielle Regierungsbildungen zu ignorieren. Schon gar nicht, wenn es den Parteien der Mitte nicht gelingt, die Protestwähler davon zu überzeugen, dass sie effektive Antworten auf die Migrationsfragen haben.

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Rechtsruck in den Niederlanden : Wer soll da bloß regieren?

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23.11.2023

© Reuters/Yves Herman

Der Rechtspopulist Geert Wilders hat nach der Wahl die Schlüsselrolle in den Niederlanden. Und Deutschland bekommt eine Ahnung davon, was droht, wenn die Politik dem Unmut über Migration nicht begegnet.

Heute, 08:00 Uhr

Der Schock sitzt tief und wird die politische Szene auch in Deutschland und der EU aufrütteln. Die Wähler in den Niederlanden stellen die Parteiführungen vor eine schwer lösbare Aufgabe bei der Regierungsbildung.

Die Rechtspopulisten unter Geert Wilders (PVV) sind der triumphale Wahlsieger, mit deutlichem Abstand vor dem Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen unter Frans Timmermans (GL/PvdA), den bisher regierenden........

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