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Trotz des Verbots ist der Anteil der Kiffer unter den jungen Menschen stetig gewachsen. Die begrenzte Cannabis-Freigabe zeigt einen neuen Weg auf.

Heute, 14:37 Uhr

Die Kiffer in Deutschland jubeln schon. An diesem Freitag wird der Bundestag nach aller Voraussicht für die begrenzte Freigabe von Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken stimmen. Dabei ist noch offen, ob die „Fortschrittskoalition“ der Ampel, die die teilweise Legalisierung vor einer gefühlten Ewigkeit Ende 2021 mit großem Nachdruck ankündigte, eine eigene Mehrheit zustande bringt. Zur Not, so lautet das Szenario für die bevorstehende Abstimmung, würden aber die Stimmen von den oppositionellen Linken dem Projekt über die Hürde helfen.

Der kleine Aufstand in der SPD-Fraktion hat gezeigt, wie umstritten die Legalisierung ist. Die Befürworter des Projekts sind kleinlaut geworden in den vergangenen Tagen und Wochen. Umso vehementer fordern die Gegner der Teil-Legalisierung vom Richterbund über den Bund Deutscher Kriminalbeamter bis zur Bundesärztekammer einen Stopp des Vorhabens. Mediziner weisen noch einmal auf die Risiken des Cannabis-Konsums bei der Gehirnreifung junger Menschen im Alter bis 25 Jahren hin, die eigentlich längst bekannt sein sollten.

Cannabis soll künftig im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden. Ziel des im Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) entworfenen Gesetzes ist es, den Schwarzmarkt einzudämmen und damit die Gesundheitsrisiken beim Cannabis-Konsum zu verringern. Erwachsene ab 18 Jahren dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen. In der Wohnung dürfen 50 Gramm aufbewahrt werden. Außerdem sollen Anbau und Abgabe der Droge im Rahmen von Anbauvereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, erlaubt werden

Dies sollte aber nicht den Blick dafür vernebeln, worum es bei dem Cannabis-Gesetz eigentlich geht. Der Besitz einer begrenzten Menge Cannabis soll entkriminalisiert werden. Für Jugendliche unter 18 Jahren bleibt der Besitz und Konsum der Droge aber weiterhin verboten. In dem Gesetz geht es vor allem um diejenigen jungen Menschen, bei denen es – leider – nicht bei einem episodenhaften Rausch geblieben ist. Wer den regelmäßigen Joint braucht, muss sich auf dem Schwarzmarkt mit Stoff eindecken, der toxische Beimengungen enthalten und obendrein die Abhängigkeit noch weiter steigern kann.

Deshalb plädiert beispielsweise auch die Caritas im Grundsatz für einen neuen Umgang mit der Droge, die trotz des Verbots immer weiter auf dem Vormarsch ist. Nach der Ansicht des Verbandes, der einer Zugehörigkeit zur Lobby der Hanffreunde unverdächtig ist, geht es um einen Paradigmenwechsel in der Sucht- und Drogenpolitik.

Das Motto lautet: Weg von der Kriminalisierung und hin zur Hilfe. So lautet auch der Ansatz der Legalisierungsbefürworter der Ampel. Junge Kiffer, die in die Abhängigkeit abzugleiten drohen, brauchen keine Strafen, sondern Beratungsangebote. Eine solche Beratung dient beispielsweise dazu, herauszukommen aus dem Teufelskreis schlechter Schulleistungen und dem Kiffen zur Stressbewältigung.

Es wäre indes verfehlt, die Kultivierung von bis zu drei Hanfpflanzen in der eigenen Wohnung und die kontrollierte Abgabe der Droge in den „Cannabis-Clubs“ als kulturelle Revolution zu feiern. Der Schwarzmarkt wird sich dank der Neuregelung nicht ganz zurückdrängen, sondern bestenfalls eindämmen lassen. Das weiß auch Karl Lauterbach, der das Ampel-Projekt umzusetzen hatte. Dabei musste der Gesundheitsminister nicht nur die Kritiker in der eigenen Partei überzeugen. Er musste auch den Bedenken der EU Rechnung tragen.

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Die Folge des Einspruchs aus Brüssel, der im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in internen Gesprächen mit der EU-Kommission geäußert wurde: Die geplanten Modellversuche in einzelnen Regionen in Deutschland, in denen die lizenzierte Abgabe in Fachgeschäften möglich sein soll, kommt mit dem Gesetz erst einmal nicht. Dabei ist es sinnvoll, dass Lauterbach versucht hat, aus den Erfahrungen zu lernen, die in anderen Ländern bei der teilweisen Legalisierung gemacht wurden. In den Niederlanden, wo die Freigabe des Konsums in den Coffee-Shops nach hinten losgegangen ist, ist der Schwarzmarkt sogar noch gewachsen.

Nun lässt sich im Detail vieles einwenden angesichts des Gesetzes zur Cannabis-Freigabe. Die Länder monieren, dass sie mit den Kontrollen der „Cannabis-Clubs“ sowie der Schutzzonen rund um Kitas und Schulen überfordert wären. Sozialverbände wenden ein, dass die Finanzierung bei der nötigen Suchtberatung nicht ausreiche. All dies sollte aber kein Grund sein, den Paradigmenwechsel weg von der Bestrafung der Kiffer – wohlgemerkt nicht der Dealer – endlich anzugehen.

Trotzdem steht und fällt das Projekt der Cannabis-Freigabe mit den künftigen Rückmeldungen von Sozialarbeitern und Ärztinnen. Das Projekt wäre fehlgeschlagen, wenn mit der Hanf-Freigabe die gesundheitlichen Probleme der jungen Konsumenten in Deutschland noch weiter zunehmen sollten. Ärzte würden hier von einer engmaschigen Beobachtung sprechen. Der Mediziner Lauterbach wird dieses Prinzip sicher zu beherzigen wissen.

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Weg von der Strafe, hin zur Hilfe : Die Entkriminalisierung beim Cannabis-Konsum ist sinnvoll

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22.02.2024

© dpa/Sebastian Gollnow

Trotz des Verbots ist der Anteil der Kiffer unter den jungen Menschen stetig gewachsen. Die begrenzte Cannabis-Freigabe zeigt einen neuen Weg auf.

Heute, 14:37 Uhr

Die Kiffer in Deutschland jubeln schon. An diesem Freitag wird der Bundestag nach aller Voraussicht für die begrenzte Freigabe von Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken stimmen. Dabei ist noch offen, ob die „Fortschrittskoalition“ der Ampel, die die teilweise Legalisierung vor einer gefühlten Ewigkeit Ende 2021 mit großem Nachdruck ankündigte, eine eigene Mehrheit zustande bringt. Zur Not, so lautet das Szenario für die bevorstehende Abstimmung, würden aber die Stimmen von den oppositionellen Linken dem Projekt über die Hürde helfen.

Der kleine Aufstand in der SPD-Fraktion hat gezeigt, wie umstritten die Legalisierung ist. Die Befürworter des Projekts sind kleinlaut geworden in den vergangenen Tagen und Wochen. Umso vehementer fordern die Gegner der Teil-Legalisierung vom Richterbund über den Bund Deutscher Kriminalbeamter bis zur Bundesärztekammer einen Stopp des Vorhabens. Mediziner weisen noch einmal auf die Risiken des Cannabis-Konsums bei der Gehirnreifung junger Menschen im Alter bis 25 Jahren hin, die eigentlich längst bekannt sein sollten.

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