Gemäss einem Artikel von Konrad Staehelin fordern Experten in der Schweiz durchgängige Hochgeschwindigkeitslinien für die Bahn. Namentlich genannt wird zwar nur einer, doch es entsteht der Eindruck, die Schweiz werde beim öffentlichen Verkehr (ÖV) abgehängt. Die Promotoren dieses Expressnetzes argumentieren mit einem hohen Umsteigeeffekt zugunsten der Bahn, wenn Hochgeschwindigkeitslinien gebaut werden.

Bringen solche Hochgeschwindigkeitszüge tatsächlich mehr Bahnpublikum? Dieser Frage ist der Bund nachgegangen. Und er kommt zum Schluss: Ja, Hochgeschwindigkeitszüge bringen mehr Bahnverkehr. Aber: Es ist hauptsächlich zusätzlicher Verkehr.

Bei hohen Geschwindigkeiten passen die Leute ihre Reise- und Pendlergewohnheiten an. Es gibt dann vermehrt Zürcher, die statt nur bis Bern neu nach Freiburg oder sogar Lausanne pendeln. Das bedeutet, die Fahrkilometer in der Bahn nehmen stark zu. Der Autoverkehr nimmt aber deswegen noch nicht ab. Das Konzept Bahn 2050 empfiehlt deshalb eine Konzentration auf den Ausbau der Bahnleistungen bei kurzen und mittleren Strecken, da hier ein hohes Potenzial für den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr vorhanden ist. Fernverkehrsstrecken sollen gezielt dort ausgebaut werden, wo die Bahn heute gegenüber dem Auto nicht konkurrenzfähig ist oder der Stundentakt nicht funktioniert.

Diese Fokussierung ist sinnvoll. Wir erleben dies am Beispiel Luzern. Auf Linien quer durch die Agglomeration ist die Bahn wegen des Kopfbahnhofs sehr lange unterwegs. Paradebeispiel ist die Strecke zwischen den beiden Agglomerationsgemeinden Emmenbrücke und Ebikon. Gute 7 Kilometer Distanz, mit dem Zug braucht es 20 Minuten und mehr. Auch in Basel ist die S-Bahn am Anschlag, und die Bahnhöfe Genf und Lausanne sind an Kapazitätsgrenzen gestossen. Zürich hat es mit den Durchmesserlinien vorgemacht, wie ein Ausbau des ÖV funktionieren kann.

Die Promotoren dieser Hochleistungsstrecken gehen nie auf die Kostenfrage ein. Ja, der Fonds für den Ausbau der Bahn ist gut geäufnet. Nur: Auch dieses Geld kann nicht zweimal ausgegeben werden. Will man für diese Neubaustrecken ernsthaft die Ausbauprojekte in den grossen Agglomerationen stoppen?

In einem Punkt haben die Promotoren des Hochleistungsnetzes recht: Unsere Anbindung ans europäische Hochleistungsnetz ist ungenügend. Trotz Neat-Zeitgewinn schleichen zum Beispiel die Züge ab Chiasso nach Mailand den Regionalzügen hinterher. Das liegt an fehlender Infrastruktur und an der Prioritätensetzung.

Wer also wirklich etwas fürs Umsteigen und für die Klimabilanz machen will, der setzt sich dafür ein, dass der ÖV mithilfe eines Bahnausbaus in den Agglomerationen und zwischen den Subzentren massiv gestärkt wird, und er produziert nicht noch mehr Verkehr durch Hochgeschwindigkeitsangebote.

Michael Töngi ist grüner Nationalrat aus Luzern und sitzt im Zentralvorstand des Verkehrs-Clubs der Schweiz.

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Das Bahnnetz ausbauen? Ja, aber am richtigen Ort

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08.03.2024

Gemäss einem Artikel von Konrad Staehelin fordern Experten in der Schweiz durchgängige Hochgeschwindigkeitslinien für die Bahn. Namentlich genannt wird zwar nur einer, doch es entsteht der Eindruck, die Schweiz werde beim öffentlichen Verkehr (ÖV) abgehängt. Die Promotoren dieses Expressnetzes argumentieren mit einem hohen Umsteigeeffekt zugunsten der Bahn, wenn Hochgeschwindigkeitslinien gebaut werden.

Bringen solche Hochgeschwindigkeitszüge tatsächlich mehr Bahnpublikum? Dieser Frage ist der Bund nachgegangen. Und er kommt zum Schluss: Ja, Hochgeschwindigkeitszüge bringen mehr Bahnverkehr. Aber: Es ist hauptsächlich zusätzlicher Verkehr.

Bei hohen Geschwindigkeiten passen die Leute ihre Reise- und........

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