Geht es Ihnen nicht auch manchmal gehörig auf die Nerven, wenn Entscheidungen nicht so recht vorankommen wollen? Hier ein Einspruch, dort ein Veto, eine Endlosschleife von Meinungstoleranz, Einbindung, Gehörtwerden und Mitbestimmung. Und warum muss denn das Volk immer das letzte Wort haben? Haben Sie nicht auch schon einmal insgeheim gedacht: Vox populi, Vox Rindvieh?

Deshalb frage ich Sie einmal ganz offen: Wie halten Sie es eigentlich mit der Demokratie? Hätten Sie nicht gerne hin und wieder eine Führungskraft, die nicht nach links und rechts schauen muss, sprich: sich weder um das Parlament noch um Wahlen scheren muss?

Sie werden es kaum glauben, aber diese Fragen sind aktueller denn je, da die Sorgen um den Rückhalt der Demokratie in jüngster Zeit immer grösser werden. Laut internationalen Agenturen verliert die demokratische Herrschaftsform nämlich mehr und mehr an Boden. Erstmals seit zwei Jahrzehnten gibt es weltweit mehr Autokratien wie Saudiarabien als liberale Demokratien wie die Schweiz oder Deutschland. Dazu leben aktuell mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung in Ländern, in denen die Staatsgewalt nicht beim Volk, sondern unkontrolliert in den Händen einer einzelnen Person oder einer Gruppe liegt.

Hellhörig geworden?

Nach Willy Brandt ist die Herrschaftsform der Demokratie keine Frage der Zweckmässigkeit, sondern vielmehr der Sittlichkeit. Wenn es also um die Frage der Unterstützung der Demokratie geht, stehen weniger ihre aktuellen Leistungen als vielmehr ihre Grundwerte im Vordergrund. Bejahe ich diese Herrschaftsform, bekenne ich mich vorbehaltlos zur Demokratie als Ideal und zu ihren Prinzipien der Organisations- und Versammlungsfreiheit, der fairen und freien Wahlen, der Meinungs- und Pressefreiheit, der Bürgerrechte, der Rechtstaatlichkeit und der Gewaltenteilung.

Diese Art der politischen Rückendeckung ist für Demokratien lebensnotwendig und sichert die Loyalität des Volks gegenüber den herrschenden Strukturen insbesondere auch in Krisenzeiten. Sie fängt zudem auch gelegentliche Einbrüche in den Sympathiekurven der politisch Verantwortlichen auf, wenn deren Leistungen am Pranger stehen.

Nicht alle bringen der Demokratie hierzulande diese Wertschätzung entgegen. Rund 70 Prozent der Bevölkerung sind nach eigenen Umfragen der Meinung, dass die Demokratie immer anderen Herrschaftsformen vorzuziehen ist. Das sind zwar mehr als in Italien, Frankreich und Grossbritannien, aber weniger als in Deutschland.

Aufhorchen lässt auch, dass sich im Generationenvergleich vor allem die Jungen in der Schweiz demokratieskeptisch zeigen: Nur für knapp 60 Prozent der 18- bis 35-Jährigen ist die Demokratie alternativlos. Der Rest widerspricht damit Churchills Diktum, wonach die Demokratie zwar die schlechteste aller Staatsformen sei, aber immer noch besser als alle anderen bisher erprobten.

Das Alter allein ist aber nicht matchentscheidend: Je wohlhabender, gebildeter, gesünder, gewissenhafter und offener die Menschen sind, desto vorbehaltloser stehen sie hierzulande zur Demokratie. Und: Grossstädterinnen und Grossstädter stärken der demokratischen Ordnung eher den Rücken als die Menschen in Kleinstädten und auf dem Land. Das Gleiche gilt für Personen mit dem roten Pass.

Aber seien wir zum Schluss einmal ehrlich. Niemand behauptet, die Demokratie sei bequem und perfekt. Im Gegenteil: Sie ist herausfordernd und bisweilen anstrengend, dazu schrill, bunt und laut. Wer das nicht mag, soll doch Mund und Augen schliessen und sich auch noch die Ohren zuhalten. Und jetzt? Wirklich besser so?

Fehler gefunden?Jetzt melden.

QOSHE - Bin ich noch Fan der Demokratie? - Markus Freitag
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Bin ich noch Fan der Demokratie?

10 0
15.12.2023

Geht es Ihnen nicht auch manchmal gehörig auf die Nerven, wenn Entscheidungen nicht so recht vorankommen wollen? Hier ein Einspruch, dort ein Veto, eine Endlosschleife von Meinungstoleranz, Einbindung, Gehörtwerden und Mitbestimmung. Und warum muss denn das Volk immer das letzte Wort haben? Haben Sie nicht auch schon einmal insgeheim gedacht: Vox populi, Vox Rindvieh?

Deshalb frage ich Sie einmal ganz offen: Wie halten Sie es eigentlich mit der Demokratie? Hätten Sie nicht gerne hin und wieder eine Führungskraft, die nicht nach links und rechts schauen muss, sprich: sich weder um das Parlament noch um Wahlen scheren muss?

Sie werden es kaum glauben, aber diese Fragen sind aktueller denn je, da die Sorgen um den Rückhalt der Demokratie in jüngster Zeit immer grösser werden. Laut internationalen Agenturen verliert die demokratische Herrschaftsform nämlich mehr und mehr an Boden.........

© Der Landbote


Get it on Google Play