«Papa Blocher, eingreifen bitte», forderte CH Media in ihren Regionalzeitungen. Der SVP-Doyen müsse nun ein «Machtwort» sprechen, nachdem bekannt geworden ist, dass die Strategiechefin der Jungen SVP, Sarah Regez, sich mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner getroffen hat. Schon zuvor gab es mehrere Berichte über die Nähe der Jungen SVP zu rechtsextremen Kreisen.

Christoph Blocher hat sich nun mehrfach geäussert – im Schweizer Radio, gegenüber der NZZ und auf Tele Blocher. Aber von einer klaren Distanzierung kann dabei keine Rede sein. Im Gegenteil.

Blocher sagt zwar, dass es in der SVP keinen Platz für extremistisches Gedankengut gebe. Aber zugleich hält er es für «unproblematisch», wenn sich der SVP-Nachwuchs mit Sellner trifft, um «etwas über Rückführung» zu hören. Schliesslich – so Blocher – gebe es in der Schweiz mit der «gigantischen Ausländerkriminalität» und dem Asylmissbrauch Probleme, die gelöst werden müssten.

Kriminelle Ausländer sind seit Jahrzehnten ein grosses Thema der SVP. Warum sollten sich Mitglieder der Jungen SVP dazu einen Vortrag von einem rechtsextremen Österreicher anhören? Hat die Partei selbst keine Lösungen für ihre Agendaprobleme? Braucht es neue, andere, extremere Vorschläge?

Martin Sellner ist jedenfalls weit davon entfernt, ein Rechtsbürgerlicher zu sein: Als Jugendlicher hat der heute 35-Jährige Hakenkreuz-Sticker an eine Synagoge geklebt. Noch heute setzt er sich nicht nur gegen Asylmissbrauch und kriminelle Ausländer ein. Er wendet sich auch ganz allgemein gegen «afro-arabisch islamische Zuwanderung […], weil hier die Aufnahmekapazität unserer Gesellschaft überschritten ist», wie er im Februar 2024 der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» erklärte. Sellner ist also gegen Angehörige anderer Ethnien und nicht christliche Religionsgemeinschaften. Das ist ganz klar fremdenfeindlich.

In einem Buch zum Thema «Remigration» hat Sellner detaillierte Abschiebepläne entwickelt: Mit 86 Boeing-Maschinen könnte der Grossteil der Afghaninnen und Afghanen aus Deutschland gebracht werden. Sellner will aber nicht nur Ausländer und Asylsuchende in ihre Herkunftsländer zurückschaffen. Er träumt auch von der «Remigration» mehrerer Millionen deutscher Staatsangehöriger, die seiner Meinung nach «nicht assimiliert» sind. Es reiche nicht, wenn jemand «seine Steuern zahlt und keine Verbrechen begeht. Er muss sich auch mit dem Land und Volk, dessen Teil er werden möchte, identifizieren», heisst es gemäss einem Bericht des ZDF in Sellners Buch.

Christoph Blocher findet das Buch des Österreichers «harmlos». Er stützt sich dabei auf die NZZ, die den Klappentext zitierte. Selbst gelesen hat Blocher das Buch nicht. Vor einem Monat wurde Sellner von der Aargauer Kantonspolizei verhaftet und ausgewiesen, als er im aargauischen Tegerfelden – gemäss einem Video – in einem Vortrag über die rechtsextreme Verschwörungstheorie des «Bevölkerungsaustauschs» sprach.

Wenn Blocher die Kontakte zu Sellner nun für «unproblematisch» erklärt, entspricht das einer Strategie, die er nicht das erste Mal anwendet: Blocher will die bürgerlichen SVP-Wähler beruhigen – und zugleich die Tür weit nach rechts öffnen. Damit normalisiert der Alt-Bundesrat lupenreine Rechtsextreme wie Sellner. Und er nimmt seine Verantwortung nicht wahr, die er als einflussreicher SVP-Doyen hätte. Es stünde in seiner Macht, die SVP gegenüber Rechtsradikalen zu distanzieren – und die Extremen in ihre Schranken zu weisen. Stattdessen fischt der 83-Jährige nach Zuspruch und Wählerstimmen für seine SVP ausserhalb des demokratischen Spektrums.

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QOSHE - Christoph Blochers doppeltes Spiel - Andreas Tobler
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Christoph Blochers doppeltes Spiel

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08.04.2024

«Papa Blocher, eingreifen bitte», forderte CH Media in ihren Regionalzeitungen. Der SVP-Doyen müsse nun ein «Machtwort» sprechen, nachdem bekannt geworden ist, dass die Strategiechefin der Jungen SVP, Sarah Regez, sich mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner getroffen hat. Schon zuvor gab es mehrere Berichte über die Nähe der Jungen SVP zu rechtsextremen Kreisen.

Christoph Blocher hat sich nun mehrfach geäussert – im Schweizer Radio, gegenüber der NZZ und auf Tele Blocher. Aber von einer klaren Distanzierung kann dabei keine Rede sein. Im Gegenteil.

Blocher sagt zwar, dass es in der SVP keinen Platz für extremistisches Gedankengut gebe. Aber zugleich hält er es für «unproblematisch», wenn sich der SVP-Nachwuchs mit Sellner trifft, um «etwas über Rückführung» zu hören. Schliesslich – so Blocher – gebe es in der Schweiz mit der «gigantischen Ausländerkriminalität»........

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