Präsident Biden erweckt bei seiner Nahost-Politik nicht den Eindruck von Strategie, eher den eines von den Ereignissen Getriebenen. Kaum anders verhält es sich mit Donald Trump, der seine vermeintliche Stärke gegenüber dem Iran gern verklärt. Unter dem Strich bewegt sich wenig in Washington sechs Monate nach dem Beginn des Gaza-Krieges und kurz nach dem iranischen Drohnen- und Raketenangriff auf Israel sowie dessen Reaktion vor wenigen Tagen.

Die US-Regierung will den Konflikt zwischen den beiden Feindstaaten klein halten und scheint beruhigt, dass Benjamin Netanjahu bei seinem Gegenschlag erst einmal auf das große Orchester verzichtet hat. Man kann annehmen, dass er auf Biden Rücksicht nahm, auch wenn offen ist, zu welchem Preis der sich Geltung verschafft hat. Das Weiße Haus urteilt, Israel habe eine „bemerkenswerte Kapazität zur Selbstverteidigung“ gezeigt und seinen Gegnern „die deutliche Botschaft geschickt, dass sie die Sicherheit Israels nicht wirkungsvoll bedrohen können“. Sabrina Singh, stellvertretende Sprecherin des Pentagons, meint, der Angriff auf Israel sei abgewehrt worden „von einer nie dagewesenen Koalition“, die 99 Prozent der iranischen Geschosse neutralisiert habe. Hoffnung in Washington keimt, dass sich Saudi-Arabien und andere Staaten in der Region wieder mehr auf die Seite Israels und der USA stellen.

Die Republikaner sind währenddessen auf Irrfahrt im Nahen Osten. Ihr Hauptinteresse besteht darin, Biden schlechtzureden. Zum republikanischen Glaubensbekenntnis gehört, dass der Iran Israel nicht angegriffen hätte, wäre Donald Trump noch im Weißen Haus. Der gibt sich überzeugt, der Iran habe am 14. April vor allem „wegen der unglaublichen Schwäche“ der USA gehandelt. Was er getan hätte, wird nicht verraten. Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton moniert bei CNN, in Wirklichkeit habe der Ex-Präsident „keine Idee, was er im Nahen Osten in dieser Situation tun soll“.

Man weiß aber, Trumps Hetze gegen den Iran macht sich seit Jahren politisch gut. Im Januar 2020 hatte seine Regierung in Bagdad per Drohne den iranischen General Ghassem Soleimani töten lassen, der angeblich Angriffe auf US-Streitkräfte plante. Tage danach griffen iranische Raketen Stellungen von US-Streitkräften im Irak an, ohne größere Schäden zu hinterlassen. US-Medien warnten seinerzeit vor einem Krieg, doch Trump ließ die Lage nicht weiter eskalieren, er drohte in einer Fernsehansprache lediglich mit verschärften Sanktionen und betonte, die US-Armee habe den Islamischen Staat (IS) zerstört. Das sei „gut für den Iran, und wir sollten auf dieser Grundlage zusammenarbeiten“, was immer das heißen mochte.

Auf republikanischer Seite kommt es derzeit zu absurden Szenen. Trump gelobt Loyalität zu Israel und steht dann bei einer Wahlveranstaltung in Schnecksville/Pennsylvania, als Anhänger hinter ihm lärmen: „Genocide Joe, Genocide Joe!“ Trump hört zu und sagt schließlich: „Sie haben nicht unrecht. Ja, sie haben nicht unrecht.“ Ansonsten hält sich der Kandidat eher bedeckt zu Gaza, obwohl er einer israelischen Zeitung ein Interview gab, das in den USA viel zitiert wird, und erklärte, Israel müsse den Krieg nun zu Ende bringen. Die Fotos von bombardierten Gebäuden in Gaza lieferten „der Welt ein sehr schlechtes Bild“. Trump kam als Präsident zwischen 2017 und 2021 besser mit Netanjahu aus als Joe Biden. Er kündigte im Mai 2018 den Atomvertrag mit dem Iran (siehe Glossar) und ließ die US-Botschaft nach Jerusalem verlegen, beides Anliegen, die Israels Premier wie rechtschristlichen Stammwählern der US-Republikaner wichtig waren. Letztere sehen eine biblische Rechtfertigung für ein starkes Israel.

Geradezu unverzeihlich aus Trumps Sicht: Netanjahus Verhalten nach der Präsidentenwahl 2020, die Trump nicht verloren haben will. Netanjahu gratulierte Biden! Das Nachrichtenportal axios.com zitierte Trump: Der Erste, der Biden gratuliert habe, „war Bibi Netanjahu“ (tatsächlich war er nicht der Erste). Er selbst habe als Präsident so viel für Netanjahu getan. „Bibi hätte nichts sagen sollen. Er hat einen schrecklichen Fehler gemacht.“

Ein Text auf der den Demokraten nahestehenden Website prospect.org zog unlängst einen Vergleich zum demokratischen Präsidenten Lyndon B. Johnson, im Amt 1963 bis 1969, und dem Vietnamkrieg damals. Johnsons Kriegspolitik habe den in der Sozialpolitik relativ progressiven Präsidenten fertiggemacht. Präsident wurde daraufhin der Republikaner Richard Nixon. Die Zerstörung von Gaza sei Bidens Krieg, so wie Vietnam Johnsons Krieg gewesen sei, so prospect.org. Das Repräsentantenhaus hat im April überparteilich ein 26-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für Israel bewilligt.

QOSHE - Wahlkampf | USA: Der Gaza-Krieg kann Joe Biden zum Verhängnis werden - Konrad Ege
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Wahlkampf | USA: Der Gaza-Krieg kann Joe Biden zum Verhängnis werden

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24.04.2024

Präsident Biden erweckt bei seiner Nahost-Politik nicht den Eindruck von Strategie, eher den eines von den Ereignissen Getriebenen. Kaum anders verhält es sich mit Donald Trump, der seine vermeintliche Stärke gegenüber dem Iran gern verklärt. Unter dem Strich bewegt sich wenig in Washington sechs Monate nach dem Beginn des Gaza-Krieges und kurz nach dem iranischen Drohnen- und Raketenangriff auf Israel sowie dessen Reaktion vor wenigen Tagen.

Die US-Regierung will den Konflikt zwischen den beiden Feindstaaten klein halten und scheint beruhigt, dass Benjamin Netanjahu bei seinem Gegenschlag erst einmal auf das große Orchester verzichtet hat. Man kann annehmen, dass er auf Biden Rücksicht nahm, auch wenn offen ist, zu welchem Preis der sich Geltung verschafft hat. Das Weiße Haus urteilt, Israel habe eine „bemerkenswerte Kapazität zur Selbstverteidigung“ gezeigt und seinen Gegnern „die deutliche Botschaft geschickt, dass sie die Sicherheit Israels nicht wirkungsvoll bedrohen können“. Sabrina Singh, stellvertretende Sprecherin des Pentagons, meint, der Angriff auf Israel sei abgewehrt worden „von einer nie dagewesenen Koalition“, die 99 Prozent der iranischen........

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