Nadja Zivkovic wartet vor dem S- und U-Bahnhof Wuhletal. Sie will drei Brachflächen in Marzahn-Hellersdorf zeigen, um deren Bebauung sie sich mit dem Berliner Senat streitet. Es ist Anfang Mai, Zivkovic seit zwei Wochen die neue Bezirksbürgermeisterin. Es ist eine kleine Sensation, denn Zivkovic ist in der CDU. Die Partei hat den östlichsten Berliner Bezirk noch nie regiert. Lange konnte man sich auch nicht vorstellen, dass sie das je schaffen würde.

„Also, steigen wir ein“, sagt Zivkovic. Sie ist mit ihrem eigenen Auto da, ihr Bezirk sei zu weitläufig, um die drei Orte sonst schnell hintereinander zu erreichen. Sie nimmt eine Hundeleine vom Beifahrersitz. Andere Bezirksbürgermeister kann man nur schwer erreichen, Anfragen werden von Pressesprechern bearbeitet. Zivkovic fährt einen persönlich herum. Auf dem Weg zeigt sie auf Mittel- und Seitenstreifen, ruft: „Toll, oder?“ Überall blühen Tulpen.

Marzahn-Hellersdorf: Wo bleibt das Gesamtkonzept für all die Neubauten im Bezirk?

31.01.2023

Marzahn-Hellersdorf: „Die grüne Struktur im Bezirk droht zerstört zu werden“

15.05.2023

29.11.2023

28.11.2023

gestern

Auf den drei Brachen will der Senat Wohnungen bauen lassen. Aber Zivkovic weiß, dass sich die Menschen im Bezirk vor allem davor fürchten, dass es hier immer enger wird. Die Innenhöfe verschwinden, mehr Menschen ziehen her, aber es gibt schon jetzt viel zu wenige Ärzte, zu wenig Plätze in Kitas und Schulen.

Ein halbes Jahr später hat sich der Bezirk mit dem Senat über die Brachen geeinigt, es werden Wohnungen entstehen, ergänzt durch betreutes Wohnen und eine Jugendfreizeiteinrichtung; eine Fläche, ein Wäldchen in einem Innenhof, bleibt erst einmal frei. „Aber die Verdichtung ist immer noch ein Thema, wir kämpfen weiter, dass diese sinnvoll mit notwendiger Infrastruktur entsteht“, sagt Zivkovic. Sie beantwortet Anfragen immer noch selbst, mailt Zahlen, die die Lage verdeutlichen: 10.300 Wohnungen sind in den letzten fünf Jahren im Bezirk gebaut worden. Die Einwohnerzahl ist von 2021 auf 2022 um 2,9 Prozent gewachsen, viel stärker als in ganz Berlin. Der Bau von zwanzig neuen Schulen ist geplant.

Wenn man nicht wüsste, dass Zivkovic in der CDU ist, würde man nicht unbedingt darauf kommen. Sie wirft nicht mit Parolen um sich, sie twittert nicht, sie beantwortet Fragen, ohne in Grundsatzreden zu verfallen. Vielleicht liegt es daran, dass sie noch nicht ewig Politik macht. 2006 zog sie aus ihrer Heimatstadt Dresden nach Berlin. Sie war Ende 20, hatte Jura studiert und arbeitete als Anwältin, in Berlin machte sie noch einen Master in Kommunikation. 2011 kam sie nach Marzahn-Hellersdorf. In das Büro von Mario Czaja. Sie fing in seinem Wahlkampfteam an, der Job veränderte ihr Leben.

Czaja hatte fünf Jahre zuvor das erste Mal die Sensation geschafft, als CDU-Mann einen Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf zu gewinnen, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus. Inzwischen sitzt er als direkt gewählter CDU-Abgeordneter im Bundestag. Seine Art, Politik zu machen, prägte eine Generation in der Ost-Berliner CDU. Czaja perfektionierte die Bürgersprechstunden, betonte seine Wurzeln im Bezirk, setzte auf viel Präsenz im Wahlkreis. „Kiezmacher“ nennen er und die anderen CDU-Leute aus Marzahn-Hellersdorf sich selbst. Sehr selbstbewusst, aber es scheint zu funktionieren.

Die Berliner CDU hatte lange wie eine West-Partei gewirkt, die den Osten der Stadt nicht versteht. In Marzahn-Hellersdorf wirkt sie heute wie ein Eigengewächs. Ihre Leute sind nicht streng konservativ und reden auch mal liebevoll über ihre Kindheit in der DDR. Zugleich stiegen die Einkommen, wuchs ein neuer Lokalstolz. Der Bezirk wurde bürgerlicher, so sieht es Nadja Zivkovic.

Vor zehn Jahren trat sie in die CDU ein, wurde fünf Jahre später in die Bezirksverordnetenversammlung gewählt und gleich Stadträtin für Wirtschaft und Umwelt. 2021 trat sie als Spitzenkandidatin im Bezirk an. Die CDU gewann, lag allerdings nur einen halben Prozentpunkt vor der SPD, der es gelang, eine Zählgemeinschaft, eine Koalition auf Bezirksebene, zu bilden. Zivkovic wurde Stadträtin für Soziales, die Wahl im Februar 2023 wiederholt. Die CDU lag nun 14 Prozentpunkte vor der SPD. Sie werde den Wahlabend ihr Leben lang nicht vergessen, sagt Nadja Zivkovic.

Sie wohnt nicht im Bezirk, sondern im Stadtzentrum. Aber sie komme selbst am Wochenende her, sagt sie, gehe mit ihrem Hund an die Kaulsdorfer Seen, „natürlich mit Leine“, oder einkaufen, in einem Supermarkt in Mahlsdorf. Sie möge die „Erstbezieher“ im Bezirk, die ihr erzählen, wie alles begann in den Neubaugebieten. Die handfesten, manchmal etwas ruppigen Berliner. Aber auch die Neuen, die den Bezirk „vielfältiger“ machen. „Hier leben die Leute, die Berlin am Laufen halten“, sagt sie. Nun muss sie nur den Bezirk am Laufen halten.

QOSHE - Marzahn-Hellersdorf: Wer ist die CDU-Bürgermeisterin Nadja Zivkovic und was will sie? - Wiebke Hollersen
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Marzahn-Hellersdorf: Wer ist die CDU-Bürgermeisterin Nadja Zivkovic und was will sie?

7 0
01.12.2023

Nadja Zivkovic wartet vor dem S- und U-Bahnhof Wuhletal. Sie will drei Brachflächen in Marzahn-Hellersdorf zeigen, um deren Bebauung sie sich mit dem Berliner Senat streitet. Es ist Anfang Mai, Zivkovic seit zwei Wochen die neue Bezirksbürgermeisterin. Es ist eine kleine Sensation, denn Zivkovic ist in der CDU. Die Partei hat den östlichsten Berliner Bezirk noch nie regiert. Lange konnte man sich auch nicht vorstellen, dass sie das je schaffen würde.

„Also, steigen wir ein“, sagt Zivkovic. Sie ist mit ihrem eigenen Auto da, ihr Bezirk sei zu weitläufig, um die drei Orte sonst schnell hintereinander zu erreichen. Sie nimmt eine Hundeleine vom Beifahrersitz. Andere Bezirksbürgermeister kann man nur schwer erreichen, Anfragen werden von Pressesprechern bearbeitet. Zivkovic fährt einen persönlich herum. Auf dem Weg zeigt sie auf Mittel- und Seitenstreifen, ruft: „Toll, oder?“ Überall blühen Tulpen.

Marzahn-Hellersdorf: Wo bleibt das Gesamtkonzept für all die Neubauten im Bezirk?

31.01.2023

Marzahn-Hellersdorf: „Die grüne Struktur im Bezirk droht zerstört zu werden“

15.05.2023

29.11.2023

28.11.2023

gestern

Auf den drei Brachen will der Senat........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play