Das Deutsche Theater rechnet auch für 2024 mit einem Millionendefizit. Prognostiziert werden nach einer ersten Bestandsaufnahme 2,466 Millionen Euro Verlust. Das gab die Leitung des Theaters bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch bekannt. Am Donnerstag empfangen die Intendantin Iris Laufenberg, seit letztem Sommer im Amt, und der Ende November angetretene Interimsmanager Christoph Geisler die Berliner Zeitung, um die Zahl zu erklären. Geisler stellt gleich klar: „Ich bin kein Sonderermittler oder Wirtschaftsprüfer, ich habe nicht den Auftrag für Aufklärung in Bezug auf einen Rechtsstreit zu sorgen.“ Es geht also nicht um die Causa Klaus Steppat, den im November fristlos entlassenen geschäftsführenden Direktor, sondern darum, die Lage in den Griff zu bekommen.

Wie ist sie also, die Lage? Die Kulturverwaltung fasst es auf Anfrage der Berliner Zeitung so zusammen: „Das Deutsche Theater hatte im Jahr 2023 rund fünf Millionen Euro höhere Aufwendungen als geplant. Dem standen höhere zweckgebundene Zuschüsse von rund zwei Millionen Euro und ein Eigenkapital von rund 2,5 Millionen Euro gegenüber. Damit beträgt der nicht aus eigenen Mitteln gedeckte Fehlbetrag rund eine halbe Million Euro.“ Das sei bei einem Zuschuss von rund 31 Millionen Euro keine existenzgefährdende Situation und das Haus „nach aktuellem Erkenntnisstand“ auch nicht strukturell unterfinanziert.

Die Verwaltung fordert das Haus zu Sparmaßnahmen auf. „Der Umfang richtet sich an der Höhe des nicht aus dem Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages 2023 aus“. Das klingt so, als müsse man nur ein bisschen auf die Spaßbremse treten, um die halbe Million aufzubringen.

Wozu dann die Aufregung und die Mitarbeiterversammlung im Deutschen Theater, und was haben die ziemlich besorgten Gesichter von Laufenberg und Geisler zu bedeuten? Zur Einordnung der Zahlen: Die Kulturverwaltung ist im Sommer 2023 wach geworden, als im Quartalsbericht ein Defizit von 1,5 Millionen Euro erkennbar wurde. Das Defizit stieg bis Oktober auf 2,9 Millionen Euro, und kurz danach wurde Steppat entlassen. Dieser klagt dagegen, und möglicherweise schlägt auch noch eine Abfindung zu Buche, die nach Angaben der Kulturverwaltung wie alle Personalkosten aus dem Etat des Deutschen Theaters zu finanzieren wäre – und laut Geisler in 2023 per Rückstellung als Risiko einkalkuliert ist.

Die frischen Zahlen aus dem Wirtschaftsplan von Ende März ergeben nun also für 2023 eine Bilanz von minus drei Millionen Euro und dies, nachdem das Land im Dezember 414.000 Euro außerplanmäßig zugeschossen hat, um eine Überschuldung zu vermeiden. Damit ergibt sich nach Auflösung der Rücklagen von 2,5 Millionen Euro der rechnerische Fehlbetrag von einer halben Million. Das Haus startet in ein neues Wirtschaftsjahr, das unter völlig anderen Bedingungen kalkuliert wurde, und es ist kein Eigenkapital mehr übrig, mit dem man ein Defizit auffangen könnte. Viele Verträge sind längst unterschrieben, die Stellen sind besetzt; der Hochleistungsbetrieb mit 350 Mitarbeitern muss betankt werden. Man kann die Geldzufuhr nicht einfach um drei Millionen Euro drosseln, ohne Gefahr zu laufen, dass er zusammenbricht.

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Iris Laufenberg wusste von der angespannten Lage des Hauses nicht, als sie ihren Amtsantritt vorbereitete: „Ich habe umsichtig geplant, etwa indem ich sechs Produktionen aus Graz mitgebracht habe, die sehr viel günstiger sind als Neuproduktionen, die beim Berliner Publikum großen Zuspruch finden und damit gute Einnahmen an der Kasse generieren. Ich kann das Defizit gar nicht verursacht haben. Der Spielplan war und ist gut kalkuliert.“

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Auch das kleine Feuerwerk von Wiederaufnahmen, das Laufenbergs Vorgänger Ulrich Khuon für seinen Abschied abfackelte, schlägt nicht als eine Prasserei zu Buche. Das ist fast ein bisschen schade, weil man dann nämlich davon ausgehen könnte, dass diese Ereignisse einmalig waren und man versprechen könnte: Kommt nicht wieder vor. Zumal ja 2024 kein Wechsel der Intendanz anliegt.

Aber wo sind dann die Millionen geblieben? Hat etwa jemand in die Kasse gegriffen? Christoph Geisler schließt das aus. Er nennt als einen Faktor die aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen erhöhten Kosten im Umfang von ungefähr 800.000 Euro. Strom, Material, Löhne und so weiter, damit haben alle zu kämpfen. Ein weiterer struktureller Treiber sei laut Geisler bei den Gastverträgen zu suchen, das sind die Gagen für alle Künstler aller Gewerke, die nicht fest zum Haus gehören, und ohne die ein Theater nicht auskommt.

Als problematisch hat sich die langjährige Praxis der Geschäftsführung erwiesen, die in den Wirtschaftsplänen bewusst zu wenig Mittel für diese Verträge einkalkuliert haben. „Das ist riskant und funktioniert nur, wenn man dieses Defizit ausgleichen kann, wenn man also mehr Einnahmen generiert – zum Beispiel durch Gastspiele oder zusätzliche Förderungen – oder die geplanten Budgets in anderen Bereichen entsprechend unter den Planansätzen bleiben.“ Spätestens seit 2022 sei das aber nicht mehr der Fall gewesen. Und so frisst sich das Defizit in die Bilanz.

Die Folgen sind leider nachhaltig. Wenn man die zu niedrig kalkulierten Verträge in den Plan schreibt, dann kann man bei den anderen Budgets etwas draufschlagen. „Diese Budgets wurden dann weitgehend ausgeschöpft, bleiben also in dem für sie gesteckten Plan, erweisen sich aber unter diesen bereinigten Bedingungen als zu üppig. Reduzieren sich dann noch Einnahmen oder kommen Preissteigerungen hinzu, rauschen wir, ob wir wollen oder nicht, in ein Defizit.“

Ist das Haus nun strukturell unterfinanziert, Herr Geisler? „Nein, das würde ich erst einmal nicht sagen. Eher andersherum: Über die Jahre wurde angesichts des tatsächlichen Bedarfs für die Verträge des nicht-festen künstlerischen Personals in vielen Bereichen Geld ausgegeben, was man eigentlich für diese benötigen würde, das muss korrigiert werden, und das ist schwierig. Wir müssen das Prinzip umshiften.“

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Klar könne man auf höhere Einnahmen hoffen, so Geisler. Nicht an der Kasse – das Haus ist gut ausgelastet, die Preise sind hoch genug – sondern zum Beispiel durch Gastspiele, die aber am Anfang einer Intendanz, wenn das Repertoire noch aufgebaut wird, eher unwahrscheinlich sind. Iris Laufenberg hakt ein: „Bei den Auslastungen erreichen wir das, was Khuon in seiner letzten Spielzeit erreicht hat. Das ist doch wohl ein krasser Erfolg! Auch einnahmetechnisch liegen wir damit im Grunde gleich.“

Dennoch weist Geisler darauf hin, dass man einiges günstiger machen könne als bislang. Man müsse durch alle Budgets gucken, nach Einmaleffekten suchen, die man vielleicht über andere Wege finanziert bekommen kann, notwendige Baumaßnahmen und so etwas. Man muss ebenfalls an die verschiedensten Serviceverträge heran und sehen, was man hier günstiger bekommen kann.

Aber irgendwann kommt sie dann doch, die Frage nach dem Personal. „Wir haben gesagt, dass wir nicht an die festen Stellen herangehen. Aber was wir angucken, sind die freiwerdenden Stellen, Renteneintritte, Befristungen, die auslaufen, jemand verlässt das Theater auf eigenen Wunsch. Es gibt keinen automatischen Anspruch darauf, dass diese Stellen alle nachbesetzt werden, erst einmal muss geprüft werden, ob sie vielleicht verzichtbar sind oder ob eine befristete Stelle erst einmal reicht. Das Ganze darf aber den Spielbetrieb nicht gefährden – und zu einer Reduzierung der Einnahmen führen, das wäre fatal.“

Wie geht man also den Abbau am klügsten an? Man verschafft sich Zeit, sucht das Gespräch, lässt die Abteilungen mit ihren Leuten mitdenken und Vorschläge machen. Geisler und Laufenberg schätzen die Lage nicht als dramatisch, aber als ernst und nicht einfach zu bewältigen ein. Voraussetzung für alles ist, dass sich der Erfolg an der Kasse fortsetzt. „Und das schaffen wir, wenn wir uns treu bleiben“, sagt Iris Laufenberg.

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Intendantin des Deutschen Theaters zu Millionen-Defizit: „Ich kann das nicht verursacht haben“

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11.04.2024

Das Deutsche Theater rechnet auch für 2024 mit einem Millionendefizit. Prognostiziert werden nach einer ersten Bestandsaufnahme 2,466 Millionen Euro Verlust. Das gab die Leitung des Theaters bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch bekannt. Am Donnerstag empfangen die Intendantin Iris Laufenberg, seit letztem Sommer im Amt, und der Ende November angetretene Interimsmanager Christoph Geisler die Berliner Zeitung, um die Zahl zu erklären. Geisler stellt gleich klar: „Ich bin kein Sonderermittler oder Wirtschaftsprüfer, ich habe nicht den Auftrag für Aufklärung in Bezug auf einen Rechtsstreit zu sorgen.“ Es geht also nicht um die Causa Klaus Steppat, den im November fristlos entlassenen geschäftsführenden Direktor, sondern darum, die Lage in den Griff zu bekommen.

Wie ist sie also, die Lage? Die Kulturverwaltung fasst es auf Anfrage der Berliner Zeitung so zusammen: „Das Deutsche Theater hatte im Jahr 2023 rund fünf Millionen Euro höhere Aufwendungen als geplant. Dem standen höhere zweckgebundene Zuschüsse von rund zwei Millionen Euro und ein Eigenkapital von rund 2,5 Millionen Euro gegenüber. Damit beträgt der nicht aus eigenen Mitteln gedeckte Fehlbetrag rund eine halbe Million Euro.“ Das sei bei einem Zuschuss von rund 31 Millionen Euro keine existenzgefährdende Situation und das Haus „nach aktuellem Erkenntnisstand“ auch nicht strukturell unterfinanziert.

Die Verwaltung fordert das Haus zu Sparmaßnahmen auf. „Der Umfang richtet sich an der Höhe des nicht aus dem Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages 2023 aus“. Das klingt so, als müsse man nur ein bisschen auf die Spaßbremse treten, um die halbe Million aufzubringen.

Wozu dann die Aufregung und die Mitarbeiterversammlung im Deutschen Theater, und was haben die ziemlich besorgten Gesichter von Laufenberg und Geisler zu bedeuten? Zur Einordnung der Zahlen: Die Kulturverwaltung ist im Sommer 2023 wach geworden, als im Quartalsbericht ein Defizit von 1,5 Millionen Euro erkennbar wurde. Das Defizit stieg bis Oktober auf 2,9 Millionen Euro, und kurz........

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