In einer ersten gemeinsamen Online-Pressekonferenz am Mittwoch stellten die Bühnengewerkschaften BFFS, GDBA und VDO eine Kampagne für die Regelung der Arbeitszeiten für künstlerische Berufe an den Theatern vor. Es geht darum, Verständnis beim Publikum, aber vor allem auch bei den Rechtsträgern der Landes-, Stadt- und Staatstheater dafür zu gewinnen, dass die permanente Verfügbarkeit von künstlerisch Berufstätigen eine große soziale Last bedeutet. Ein Privatleben lässt sich unter diesen Bedingungen kaum organisieren, das heißt Familie und Beruf lassen sich nicht vereinbaren.

Unter dem Hashtag „Stop NV-Flatrate“ sind in einer Auflage 150.000 Flyer und Postkarten verschickt worden. GDBA-Präsidentin Lisa Jopt betont den charmanten Charakter der Aktionen. „Es könnte sein …“, sagt sie und zählt ein paar Beispiele auf: dass Schwarze Bretter an Theaterhäusern abgeklebt werden, dass Statements verlesen werden und Zuschauer zu Solidarität aufgerufen werden. Nur mal ein Beispiel: Die Gewerkschaftsvertreter kritisieren etwa, dass Probenzeiten oft erst am Vortag bekannt gegeben werden. Eine Kinderbetreuung frisst nicht nur einen Großteil der Gage auf, sondern lässt sich kaum bewerkstelligen. In vielen Theatern wird das professionell und rücksichtsvoll gehandhabt, ohne dass die Qualität leidet. Warum soll man es nicht verbindlich regeln?

915 Euro: Exorbitante Steigerung bei der Schauspiel-Mindestgage

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Die Würde des Schauspielers ist unantastbar

01.02.2020

Seit 2019 beraten die Gewerkschaften mit dem Bühnenverein als dem Arbeitgebervertreter über die Erfassung und Disposition von Arbeitszeiten. Nach einer Unterbrechung der Verhandlungen (und informellen Vermittlungen) geht es jetzt wieder in Workshops und Gespräche. Dabei würde eine informierte Öffentlichkeit helfen.

Denn es gibt einige Klischees, die auszuräumen sind. Es gehe bei den Regelungen eben nicht darum, die künstlerische Flexibilität zu mindern. Angedacht ist ein Arbeitszeitrahmenmodell, das in Vierstundenblöcken disponiert, innerhalb derer die Künstler für Proben herangezogen werden, aber auch für die unsichtbaren Arbeiten wie Kritik, Maskenzeit, Textlernen. Damit soll eine Erfassung der Arbeitszeit und ein baldiger Ausgleich erleichtert werden.

Nur in den unvermeidlichen Spitzenzeiten könnte ein finanzieller Mehrbedarf entstehen. Der würde der sich seit Jahren erhöhenden Schlagzahl der Produktionen bei abgebautem Personal Rechnung tragen. Bisher wurde diese Diskrepanz vor allem mithilfe von Selbstausbeutung ausgeglichen, die natürlich zutage treten könnte, wenn man nun beginnt, die Arbeitszeit zu erfassen. Vielleicht liegt hier das eigentliche Problem, vor dem sich der Bühnenverein, vor allem aber die Rechtsträger fürchten. Wer sich aber dagegen sperrt, der muss mit dem Verdacht leben, dass er einen strukturellen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz in Kauf nimmt.

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12.02.2024

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12.02.2024

QOSHE - Die Bühnengewerkschaften kämpfen gegen die Künstler-„Flatrate“ - Ulrich Seidler
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Die Bühnengewerkschaften kämpfen gegen die Künstler-„Flatrate“

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14.02.2024

In einer ersten gemeinsamen Online-Pressekonferenz am Mittwoch stellten die Bühnengewerkschaften BFFS, GDBA und VDO eine Kampagne für die Regelung der Arbeitszeiten für künstlerische Berufe an den Theatern vor. Es geht darum, Verständnis beim Publikum, aber vor allem auch bei den Rechtsträgern der Landes-, Stadt- und Staatstheater dafür zu gewinnen, dass die permanente Verfügbarkeit von künstlerisch Berufstätigen eine große soziale Last bedeutet. Ein Privatleben lässt sich unter diesen Bedingungen kaum organisieren, das heißt Familie und Beruf lassen sich nicht vereinbaren.

Unter dem Hashtag „Stop NV-Flatrate“ sind in einer Auflage 150.000 Flyer und Postkarten verschickt worden. GDBA-Präsidentin Lisa........

© Berliner Zeitung


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