Die Berlinale wirft, besonders wenn man sich in einer Vorführung zu Tode langweilt, Fragen auf. Zum Beispiel diese: Dürfen Tiere für Zwecke der Kunst oder der Unterhaltung eingesetzt werden? Wenn sie keinen Schaden erleiden und auch sonst keine Mühen auf sich nehmen müssen? Wenn sie in ihrer natürlichen Umgebung verbleiben dürfen? Wenn sie ihre Einwilligung gegeben haben?

Moment mal. Letzteres könnte eben der Knackpunkt sein. Ohne eine funktionierende und verlässliche Kommunikation zwischen Tier und Mensch dürfte dies im Ungewissen bleiben. Aber deswegen die Fauna gänzlich aus dem Filmwesen verbannen? Das wäre ja auch eine Art Bevormundung. Und wie bei so vielem, das sich nicht regeln lässt, bleiben das gegenseitige Vertrauen und der gute Wille. Auch ein Tier soll das Recht auf künstlerisches Scheitern haben. Aber.

In dem Film „Pepe“, wo ein Flusspferd in der Titelrolle auftritt und zugleich als Erzähler firmiert, wurde dieses Vertrauen verletzt. Die menschlichen Filmemacher übertragen in einem Kunstgriff die Autorenschaft dem Tier und fahren ihr Werk dann voll gegen die Wand. Erzählen soll „Pepe“ die Geschichte seiner Artgenossen, die aus ihrer Heimat in Afrika entführt wurden, auf der Hacienda des bolivianischen Drogenbosses Pablo Escobar ein entfremdetes Dasein fristen mussten, sich unkontrolliert vermehrten und inzwischen als invasive Plage bejagt werden.

Die Welt soll davon erfahren! Stattdessen besteht das Werk aus schwer entschlüsselbaren bis kaum sichtbaren Bildern, einer stockenden und ausfransenden Erzählweise, die sich immer wieder in die Welt der Zweibeiner verläuft. Das liegt nun aber gar nicht am mangelnden Ausdrucksvermögen des Tieres, sondern an der Eitelkeit derer, die es sich für ihre Kunst aneignen. Denn kaum macht das Nilpferd das Maul auf, steigt es in einen erkenntnistheoretischen Diskurs ein, der nicht nur kein Schwein interessiert. Grunzend. Selbst der identifikationsfreudigste und empathischste Zuschauer ist erleichtert, wenn das Tier nach zwei Stunden endlich in seinem Blut liegt.

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Tierdramaturgisch einwandfrei hingegen ist der Einsatz des Wachtelkönigs in „The Outrun“ von Nora Fingscheidt. Der selten gewordene Vogel steht für die Hoffnung und den Sinn des Lebens und spielt mithin die motivisch-symbolische Hauptrolle, indem er auf sich warten lässt. Ein kleiner Auftritt am Ende des Films lässt den Zuschauer dahinschmelzen. Dagegen kann kein Vogel was haben.

QOSHE - Das ist dramaturgischer Missbrauch: Der Berlinale-Film „Pepe“ entwürdigt ein Nilpferd - Ulrich Seidler
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Das ist dramaturgischer Missbrauch: Der Berlinale-Film „Pepe“ entwürdigt ein Nilpferd

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20.02.2024

Die Berlinale wirft, besonders wenn man sich in einer Vorführung zu Tode langweilt, Fragen auf. Zum Beispiel diese: Dürfen Tiere für Zwecke der Kunst oder der Unterhaltung eingesetzt werden? Wenn sie keinen Schaden erleiden und auch sonst keine Mühen auf sich nehmen müssen? Wenn sie in ihrer natürlichen Umgebung verbleiben dürfen? Wenn sie ihre Einwilligung gegeben haben?

Moment mal. Letzteres könnte eben der Knackpunkt sein. Ohne eine funktionierende und verlässliche Kommunikation zwischen Tier und Mensch dürfte dies im Ungewissen bleiben. Aber deswegen die Fauna gänzlich aus dem Filmwesen verbannen? Das wäre ja auch eine Art Bevormundung. Und wie bei so........

© Berliner Zeitung


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