„Wenn die Welt gerettet ist, dann werde ich wieder lustig“, sagte jüngst der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen in einem Gespräch bei „Maischberger“ zur Begründung, warum er nicht mehr als Medizin-Kabarettist auftritt. „Ja, wann soll’n dit sein? Die Welt jerettet?“, fragt mein innerer Berliner. „Wenn wa mit Kriech und Klimawandel nich schaffen, uns selbst kaputtzukriejen, kommt spätestens in fünf Milliarden Jahren die Sonne und frisst allet uff. Solln wa so lange traurig sein?“

In diesem Zusammenhang sei noch einmal an den Schriftsteller Franz Kafka erinnert, der in diesem Jahr so groß gefeiert wird. Er war meisterhaft darin, in schlimmen Situationen noch Momente der Komik zu entdecken. Morgens plötzlich als Käfer aufzuwachen wie sein Held Gregor Samsa, ist schon gruselig. Aber wie komisch ist es, wenn man versucht, mit seinen vielen zappelnden Beinchen klarzukommen, die sich ständig verhaken!

In Kafkas düster-bedrohlichem „Prozess“ wiederum hindert ein alter Advokat seine Kollegen daran, ins Büro hereinzukommen, indem er jeden, der eintritt, die Treppe hinunterwirft. Und die Kollegen ermüden ihn damit, dass sie eine Stunde lang immer wieder hochgehen, sich runterwerfen lassen und unten von Kollegen aufgefangen werden. Welch eine geniale Darstellung einer mit sich selbst beschäftigten Bürokratie!

Und auch welch eine geniale Darstellung des sich selbst erhöhenden Menschseins! Zum Beispiel in Kafkas Text „Ein Bericht für eine Akademie“. Hier erzählt ein Affe, wie er zum Menschenimitator wurde: „Es war so leicht, die Leute nachzuahmen. Spucken konnte ich schon in den ersten Tagen. Wir spuckten einander dann gegenseitig ins Gesicht; der Unterschied war nur, dass ich mein Gesicht nachher reinleckte, sie ihres nicht.“

30.04.2024

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30.04.2024

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18.04.2024

In einem Brief schilderte Kafka einem Freund, mit welchen Unfällen er selbst als Versicherungsangestellter täglich zu tun habe. Da fielen „wie betrunken die Leute von den Gerüsten herunter, in die Maschinen hinein, alle Balken kippen um, alle Böschungen lockern sich, alle Leitern rutschen aus, was man hinauf gibt, das stürzt hinunter, was man heruntergibt, darüber stürzt man selbst. Und man bekommt Kopfschmerzen von diesen jungen Mädchen in den Porzellanfabriken, die unaufhörlich mit Türmen von Geschirr sich auf die Treppe werfen“. Komik trotz aller Tragik.

Komisch wäre sicher auch eine Geschichte über „Eckart von Hirschhausen und die Rettung der Welt“. Vielleicht so: Eckart stand früh auf und guckte aus dem Fenster. Schon wieder war die Welt nicht gerettet. Er setzte die bitterste Miene auf und ging hinaus. Während die Apokalypse nahte, standen die Menschen im Stau, meckerten über Kleinigkeiten, ließen sich mystische Monster aufs Bein tätowieren, guckten alberne Filmchen. Es gab riesige Länder mit vielen Millionen Menschen. Doch wenn es darum ging, wer ihre Geschicke lenken sollte, hatten sie nur die Wahl zwischen zwei senilen, prä-dementen Greisen. Oder sie hatten gar keine Wahl.

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Die Widersprüche waren zum Schreien komisch. Die einen bauten milliardenteure Raketen, um sich vor dem Klimawandel auf den Mars zu retten, der bereits seit langem ein lebensfeindliches Klima hat. Die anderen regten sich derweil im Parlament darüber auf, dass „Penisträger:innen“ in ihrer Stadt einen „privilegierten Zugang zu Steh-Pissoirs“ hätten und „Sitzpinkler:innen“ nicht. Wie löst man ein solches Problem in der Mars-Rakete?

Die Aliens umkreisten die Erde und lachten sich kaputt über den Menschenhaufen. Doch Eckart lachte nicht. Und als eines Tages ein Bote mit einer seltsamen Zeitschrift erschien und rief: „Die Rettung der Welt ist nahe!“, da hatte er das Lachen ganz verlernt. Wäre es da nicht besser, die Wartezeit bis zur Rettung oder dem Ende der Welt gleich möglichst humorvoll zu verbringen? „Kopp hoch, ooch wenn der Hals dreckich ist“, empfiehlt der innere Berliner. Schließlich stecken ja im Lachen auch Erkenntnis und Optimismus.

QOSHE - Zum Kaputtlachen: Wie man in Katastrophen aller Art noch Komisches entdeckt - Torsten Harmsen
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Zum Kaputtlachen: Wie man in Katastrophen aller Art noch Komisches entdeckt

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02.05.2024

„Wenn die Welt gerettet ist, dann werde ich wieder lustig“, sagte jüngst der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen in einem Gespräch bei „Maischberger“ zur Begründung, warum er nicht mehr als Medizin-Kabarettist auftritt. „Ja, wann soll’n dit sein? Die Welt jerettet?“, fragt mein innerer Berliner. „Wenn wa mit Kriech und Klimawandel nich schaffen, uns selbst kaputtzukriejen, kommt spätestens in fünf Milliarden Jahren die Sonne und frisst allet uff. Solln wa so lange traurig sein?“

In diesem Zusammenhang sei noch einmal an den Schriftsteller Franz Kafka erinnert, der in diesem Jahr so groß gefeiert wird. Er war meisterhaft darin, in schlimmen Situationen noch Momente der Komik zu entdecken. Morgens plötzlich als Käfer aufzuwachen wie sein Held Gregor Samsa, ist schon gruselig. Aber wie komisch ist es, wenn man versucht, mit seinen vielen zappelnden Beinchen klarzukommen, die sich ständig verhaken!

In Kafkas düster-bedrohlichem „Prozess“ wiederum hindert ein alter Advokat seine Kollegen daran, ins Büro........

© Berliner Zeitung


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