Ist Ihnen aufgefallen, dass die Fensterscheiben der Bibliothek des Deutschen Bundestags die Form eines übergroßen Kopfs haben? Dass die Säulen des Brandenburger Tors aus der Ferne betrachtet an das Ende eines Stromkabels erinnern und das Dach des Opernhauses in Sydney wie ein aufgeschlagenes Buch aussieht? Um ehrlich zu sein, mir auch nicht.

Der aus Portugal stammende Künstler Hugo Suissas sieht in Gebäuden, Straßen und Objekten aber viel mehr, als mit dem bloßen Auge zu erkennen ist. Er kreiert Illusionen. Eine neue Realität. Seine Werke sind modern, sie sind bunt und haben mit Gemälden, die in Berliner Museen hängen, nicht viel gemein. Trotzdem fesseln sie den Betrachter und schärfen den Blick für all das, was uns täglich umgibt und nur am Rande wahrgenommen wird.

Auf der Plattform Instagram folgen dem 34-jährigen Künstler knapp 250.000 Nutzer. Auf X, vormals Twitter, wird ein Beitrag, in dem Bilder von Suissas zu sehen sind, mehr als 16 Millionen Mal angeklickt. Seine Bilder sind simpel und trotzdem zeugen sie von einem Einfallsreichtum, der sich nicht leugnen lässt. Vor etwa zwölf Jahren hat Suissas seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckt, wie er im Gespräch mit der Berliner Zeitung erzählt. Heute lebt er in Singapur und arbeitet nebenher für eine Werbeagentur.

Hugo Suissas sagt von sich selbst, dass er „ein obsessiver Künstler“ ist. Seinen Erfolg erklärt er sich mit seinem „fast unkontrollierbaren Wunsch“, etwas zu erschaffen, das es so noch nie gegeben hat. Wer zufällig auf ein Bild des Künstlers stößt, der hält ebenfalls für einige Sekunden inne. Das Dargestellte und die Realität stimmten nicht überein, und trotzdem ergibt die Verzerrung des Realen einen Sinn.

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31.03.2024

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An Ideen für ein neues Motiv mangele es ihm nicht, sagt Suissas. Trotzdem ist die Suche nach einem neuen Quell der Inspiration „ein heikler Prozess“. Täglich prasseln „eine Million Informationen auf uns ein, das Geheimnis besteht darin, innezuhalten, zu suchen, zu atmen und nachzudenken“. Dieser Prozess hat etwas Meditatives und andererseits braucht es Zeit und Disziplin, um zwischen allen Ablenkungen des täglichen Lebens ein Detail zu erkennen, das Suissas fotografisch darstellen kann.

Das Motiv „Berlinergy“, auf dem das Brandenburger Tor zum Adapter eines Stromkabels wird, ist laut Suissas durch einen Zufall entstanden. Bei seinem ersten Berlin-Besuch habe er sich sofort in die Hauptstadt verliebt, wie er sagt. Die Menschen, die „unbeschwert durch die Stadt schlendern und ihr Leben auf ihre ganz eigene Art leben, ohne dafür verurteilt zu werden“, haben Hugo Suissas verzaubert. Zudem findet der Künstler in Berlin ständig ein neues Motiv, das er festhalten möchte: „An jeder Ecke gibt es etwas, das mich inspiriert.“

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Mehr als vier Jahre lebte Suissas in Düsseldorf. Noch heute erinnert er sich mit Schrecken an die „Kälte des deutschen Winters“. In Portugal sind die Winter deutlich milder, und so schloss sich der Künstler in seiner Düsseldorfer Wohnung ein und fokussierte sich ganz auf seine Kunst. „Das war eine meiner ersten sehr intensiven kreativen Phasen“, sagt er.

Als Referenz nennt Hugo Suissas ausgerechnet einen deutschen Künstler – Christoph Niemann. Der in Ludwigsburg geborene Grafiker entwarf unter anderem eine Briefmarke für die Deutsche Post, gestaltete eine Bilderserie für die Deutsche Oper Berlin (2018) und kreierte das Wandmosaik „Wannsee“ für den Fußgängertunnel im Bahnhof Berlin-Wannsee.

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Sofort schwirrt einem auch ein anderer Name im Kopf herum, wenn man die Kreationen des portugiesischen Künstlers sieht – Michael Hughes. Der aus Großbritannien stammende Hughes verliebte sich in den 80er-Jahren ebenfalls in Berlin. Er zog von London nach Kreuzberg, besetzte Häuser und fotografierte. Wer Bilder von Suissas und Hughes nebeneinanderlegt, erkennt Parallelen, aber auch Unterschiede. Während Hughes’ Bilder nicht bearbeitet werden und hie und da etwas unscharf sind, ist bei den Fotografien von Suissas sofort klar, dass nachgeholfen wurde. Die Fotos sind gestochen scharf, die Farben hell und grell.

Bisher hat Suissas seine Fotografien in keiner Galerie ausgestellt. „Ich konzentriere mich aktuell ganz auf meine Arbeit“, erklärt er. Ein Buch zu veröffentlichen, in dem seine fotografischen Werke mit eigenen Texten komponiert werden, ist ein Projekt, das er in Zukunft angehen möchte. Bis es so weit ist, sind seine Kreationen kostenlos auf seinem Instagram-Profil zu besichtigen.

QOSHE - Instagram-Illusionist Hugo Suissas verwandelt Wirklichkeit in Kunst - Sophie-Marie Schulz
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Instagram-Illusionist Hugo Suissas verwandelt Wirklichkeit in Kunst

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03.04.2024

Ist Ihnen aufgefallen, dass die Fensterscheiben der Bibliothek des Deutschen Bundestags die Form eines übergroßen Kopfs haben? Dass die Säulen des Brandenburger Tors aus der Ferne betrachtet an das Ende eines Stromkabels erinnern und das Dach des Opernhauses in Sydney wie ein aufgeschlagenes Buch aussieht? Um ehrlich zu sein, mir auch nicht.

Der aus Portugal stammende Künstler Hugo Suissas sieht in Gebäuden, Straßen und Objekten aber viel mehr, als mit dem bloßen Auge zu erkennen ist. Er kreiert Illusionen. Eine neue Realität. Seine Werke sind modern, sie sind bunt und haben mit Gemälden, die in Berliner Museen hängen, nicht viel gemein. Trotzdem fesseln sie den Betrachter und schärfen den Blick für all das, was uns täglich umgibt und nur am Rande wahrgenommen wird.

Auf der Plattform Instagram folgen dem 34-jährigen Künstler knapp 250.000 Nutzer. Auf X, vormals Twitter, wird ein Beitrag, in dem Bilder von Suissas zu sehen sind, mehr als 16 Millionen Mal angeklickt. Seine Bilder sind simpel und trotzdem zeugen sie von einem Einfallsreichtum, der sich nicht leugnen lässt. Vor etwa zwölf Jahren hat Suissas seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckt, wie er im Gespräch........

© Berliner Zeitung


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