Am vierten Jahrestag des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau wird im Stillen an die Opfer der Tat erinnert. Angehörige und Hinterbliebene treffen sich am Montag an den Ehrengräbern des Hanauer Hauptfriedhofs. Wie die Stadt Hanau mitteilte, werden auch Politiker an der Trauerfeier teilnehmen – Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD), der stellvertretende hessische Ministerpräsident Kaweh Mansoori (SPD) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sprechen wird keiner von ihnen.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Angehörigen wird auf politische Reden verzichtet. Es bleibt still an diesem Tag, der vor vier Jahren zehn Menschen das Leben kostete. Ein Grund dafür könnte das diesjährige Vorgehen bei der Organisation der Trauerfeier sein. Es gibt aber noch deutlich mehr Gründe, die die Angehörigen wütend machen. Denn seit Jahren herrscht ein Streit, der die Aufarbeitung des Falls betrifft.

Im vergangenen Jahr organisierte die Stadt auf dem Hanauer Marktplatz vor dem Rathaus eine öffentliche Gedenkfeier. Neben dem Rathaus wurde eine Bühne aufgebaut, Hessens Ministerpräsident Boris Rhein reiste an. „Dass die Stadt und das Land dieses Jahr keine Gedenkfeier veranstalten wollen, ist schon irritierend“, sagt Cetin Gültekin der taz, dessen Bruder Gökhan vor vier Jahren erschossen wurde.

Gültekin betont, dass man „natürlich niemanden zwingen“ könne. Sein Unverständnis darüber, dass die Stadt keine offizielle Gedenkfeier organisierte und dies den Angehörigen überließ, ist dennoch groß. Emis Gürbüz, deren Sohn Sedat nach dem Attentat starb, hat kein Verständnis dafür: „Die Stadt sollte sich schämen, das ist wirklich eine Schande.“

Anschlag in Hanau mit 9 Toten: Demos in Berlin zum Jahrestag

vor 7 Std.

„Warum starren mich alle so an?“ Eine Frau, die Kopftuch trägt, über ihren Alltag in Berlin

15.12.2023

Zudem sind bis heute nicht alle Details der Tat vom 19. Februar 2019 aufgeklärt. Dieser Umstand könnte auch ein Grund dafür sein, wieso die Angehörigen eine Trauerrede der politischen Gäste ablehnten. Vonseiten der Stadt Hanau heißt es nur, dass es durchaus Absprachen mit den Angehörigen der Opfer gegeben habe. Nachprüfen lässt sich das aber nicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reiste nicht nach Hanau, äußerte sich aber auf X, vormals Twitter, und schrieb: „Vor 4 Jahren hat ein Rechtsextremist 9 Menschen in #Hanau brutal ermordet. Sein Antrieb war Hass, sein Motiv Rassismus. Rechtsextreme greifen unsere Demokratie an. Sie wollen Bürgerinnen und Bürger ausgrenzen, sogar vertreiben. Das werden wir nie zulassen!“

•gestern

gestern

gestern

16.02.2024

•heute

Vor 4 Jahren hat ein Rechtsextremist 9 Menschen in #Hanau brutal ermordet. Sein Antrieb war Hass, sein Motiv Rassismus.

Rechtsextreme greifen unsere Demokratie an. Sie wollen Bürgerinnen und Bürger ausgrenzen, sogar vertreiben.

Das werden wir nie zulassen!

Scholz erwähnt in seinem Beitrag neun Todesopfer, das zehnte – die Mutter des Attentäters – bleibt unerwähnt. Vor vier Jahren, am Abend des 19. Februar, erschoss der 43-jährige Tobias R. an mehreren Tatorten in Hanau innerhalb weniger Minuten neun Personen. Anschließend fuhr er nach Hause, erschoss erst seine Mutter und dann sich selbst.

Die Initiative 19. Februar Hanau setzte sich von Anfang an für eine lückenlose Aufklärung des Falls ein und forderte Konsequenzen. Nach Einschätzung der Initiative ist die Rolle des Vaters von Tobias R. nicht ausreichend untersucht worden. Die Bundesanwaltschaft bestreitet diesen Vorwurf.

Im Juli 2021 nahm ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags unter Leitung des SPD-Abgeordneten Marius Weiß seine Arbeit auf. Mittlerweile wurden die polizeilichen Ermittlungen, trotz einer Klage wegen fahrlässiger Tötung, eingestellt. Der Ausschuss stellte seine Arbeit Ende vergangenen Jahres ebenfalls ein.

QOSHE - „Das ist wirklich eine Schande“: Gedenkfeier in Hanau – Angehörige sind entsetzt - Sophie-Marie Schulz
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

„Das ist wirklich eine Schande“: Gedenkfeier in Hanau – Angehörige sind entsetzt

14 33
19.02.2024

Am vierten Jahrestag des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau wird im Stillen an die Opfer der Tat erinnert. Angehörige und Hinterbliebene treffen sich am Montag an den Ehrengräbern des Hanauer Hauptfriedhofs. Wie die Stadt Hanau mitteilte, werden auch Politiker an der Trauerfeier teilnehmen – Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD), der stellvertretende hessische Ministerpräsident Kaweh Mansoori (SPD) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sprechen wird keiner von ihnen.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Angehörigen wird auf politische Reden verzichtet. Es bleibt still an diesem Tag, der vor vier Jahren zehn Menschen das Leben kostete. Ein Grund dafür könnte das diesjährige Vorgehen bei der Organisation der Trauerfeier sein. Es gibt aber noch deutlich mehr Gründe, die die Angehörigen wütend machen. Denn seit Jahren herrscht ein Streit, der die Aufarbeitung des Falls betrifft.

Im vergangenen Jahr organisierte die Stadt auf dem Hanauer Marktplatz vor dem........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play