Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bricht am Samstag zu einer mehrtägigen China-Reise auf. Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen und die Lage in der Ukraine dominieren im Vorfeld des Treffens mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping die Debatte in Deutschland.

Die Bundesregierung hat sich in ihrer China-Strategie zum Ziel gesetzt, wirtschaftliche Abhängigkeiten von China zu reduzieren. Man wolle nicht den Fehler der Russland-Politik wiederholen und auf nur einen Handelspartner angewiesen sein. China wird als „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ bezeichnet.

Doch bislang scheint die Umsetzung der China-Strategie kaum Früchte zu tragen. In einem Briefing des größten deutschen Think-Tanks für Chinastudien, dem Mercator Institute for China Studies (Merics), sagte Chefökonom Max J. Zenglein, fast ein Jahr nach Veröffentlichung der deutschen China-Strategie sehe es so aus, als würde verstärkt auf die altbewährte positive Agenda der Beziehungen gesetzt, in der beide Seiten lange von wirtschaftlicher Zusammenarbeit profitierten. Die ökonomischen Realitäten in China hätten sich aber zu Ungunsten der deutschen Wirtschaft geändert. Das lasse sich unter anderem daran ablesen, dass der chinesische Anteil an den deutschen Exporten auf das Niveau von 2014 gefallen sei.

Dass Scholz mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation nach China reist, hält Zenglein für falsch. Auch sei es auffällig, dass gerade die schärfsten China-Kritiker im Kabinett, Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) nicht mit an Bord sind. Die Betonung der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen sei ein Fehler. Vielmehr solle der Kanzler Druck auf China ausüben, damit Peking seinen Einfluss auf die russische Staatsführung geltend mache und den Angriffskrieg in der Ukraine verurteile.

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Deutschland sei in wirtschaftlichen Fragen gegenüber China durchaus in einer Position der Stärke. „Die Frage ist nun, wie das im Kontext der Reise genutzt wird“, sagte Zenglein. Wenn man eine Message an Russland überbringen wolle, reise man nicht mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation und mit Ministern an. Insofern sei Scholz' Reise eine vertane Chance.

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Das sieht der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, anders. Die Politik des Bundeskanzlers sei darauf ausgerichtet, auch China davon zu überzeugen, dass das Festhalten an einer regelbasierten internationalen Ordnung im Interesse aller ist, sagte Schmid der Berliner Zeitung. „Das macht man aber nicht, indem man vor einem solchen Besuch öffentlich Ratschläge erteilt. Er wird in seinen Gesprächen mit Präsident Xi die passenden Worte finden. Davon bin ich überzeugt.“

Auch für Schmid ist das ökonomische Verhältnis zu China nicht austariert. „Niemand hat etwas gegen enge Wirtschaftsbeziehungen mit China, auch wir nicht“, sagte er, „Es darf dabei allerdings nicht zu einseitigen Abhängigkeiten und Wettbewerbsverzerrungen kommen, wie sie z.B. durch die starken Subventionen des chinesischen Staates zu beobachten sind.“ Die Marktzugänge für deutsche Unternehmen dürften keiner einseitigen Restriktion unterliegen. „Das wird der Bundeskanzler gemeinsam mit seiner Wirtschaftsdelegation auch deutlich ansprechen“, so der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, forderte im Vorfeld der Kanzlerreise: „Wer dem chinesischen Regime begegnet, sollte dies mit der Klarheit, Konsistenz und Konsequenz tun, die auch der deutschen China-Strategie zugrunde liegt.“

Die aktuelle chinesische Politik und die frühere „fatale“ Russlandpolitik zeigten mehr als deutlich, dass ein Kurs des Wegschauens und Wegduckens keine kluge Außenpolitik sei, so Brugger. Als Mitglied im UN-Sicherheitsrat habe China eine große und herausgehobene Verantwortung für die Einhaltung der Regeln der Charta der Vereinten Nationen, die Frieden, Sicherheit und Menschenrechte weltweit schützen sollen. Das gelte erst recht für die „permanente Deckung und Unterstützung des russischen Kriegskurses in der Ukraine“.

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In China werden die Forderungen aus Deutschland zur Kenntnis genommen. Cui Hongjian, Direktor der Abteilung für Europastudien am China Institute of International Studies (CIIS), das dem chinesischen Außenministerium untersteht, sagte der Berliner Zeitung: „China sollte eine positive Rolle bei der Förderung von Friedensgesprächen spielen, aber es muss nicht dem von deutschen Think-Tanks entworfenen Ansatz folgen.“ Deutschland erwarte, dass China in Bezug auf die Ukraine Fortschritte erreichen könne, zu denen Deutschland oder Europa nicht in der Lage seien. „Wenn China jedoch ganz nach der deutschen Denk- und Handlungsweise handelt, wird es den Raum verlieren, in dem es eine Rolle spielen kann.“

Welche Minister den Kanzler begleiten, sei eine interne Angelegenheit der deutschen Regierung. China habe kein Recht, sich da einzumischen, sagte Cui. Die wachsenden Probleme in den deutsch-chinesischen Beziehungen sollten aber Baerbock und Habeck veranlassen, „über die Effizienz ihrer Arbeit nachzudenken“.

Aus chinesischer Sicht seien die stärkeren Wirtschaftsbeziehungen mit Russland das Ergebnis der westlichen Sanktionen. „China hat sich solchen einseitigen Sanktionen nicht angeschlossen und ist nicht verpflichtet, den Handel mit Russland aktiv zu reduzieren“, sagte der CISS-Analyst. Das Wachstum des chinesisch-russischen Handels habe den normalen Bereich nicht überschritten. Vielmehr stamme das Wachstum der russischen Wirtschaft und der Steuereinnahmen hauptsächlich aus der Rüstungsindustrie und dem immer noch aktiven Energie- und Rohstoffhandel.

Die chinesische Seite nehme chaotische Stimmen aus verschiedenen Abteilungen der deutschen Regierung wahr, sagte Cui: „Die deutsche Chinapolitik sollte sich auf die Realität stützen und nicht auf Fantasien.“ Er hoffe, dass der Bundeskanzler die bilateralen Beziehungen vorantreiben könne, ohne die schwierige politische Balance zu verlieren.

QOSHE - Scholz in China – Experte: Peking vernimmt „chaotische Stimmen“ aus deutscher Regierung - Simon Zeise
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Scholz in China – Experte: Peking vernimmt „chaotische Stimmen“ aus deutscher Regierung

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13.04.2024

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bricht am Samstag zu einer mehrtägigen China-Reise auf. Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen und die Lage in der Ukraine dominieren im Vorfeld des Treffens mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping die Debatte in Deutschland.

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Doch bislang scheint die Umsetzung der China-Strategie kaum Früchte zu tragen. In einem Briefing des größten deutschen Think-Tanks für Chinastudien, dem Mercator Institute for China Studies (Merics), sagte Chefökonom Max J. Zenglein, fast ein Jahr nach Veröffentlichung der deutschen China-Strategie sehe es so aus, als würde verstärkt auf die altbewährte positive Agenda der Beziehungen gesetzt, in der beide Seiten lange von wirtschaftlicher Zusammenarbeit profitierten. Die ökonomischen Realitäten in China hätten sich aber zu Ungunsten der deutschen Wirtschaft geändert. Das lasse sich unter anderem daran ablesen, dass der chinesische Anteil an den deutschen Exporten auf das Niveau von 2014 gefallen sei.

Dass Scholz mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation nach China reist, hält Zenglein für falsch. Auch sei es auffällig, dass gerade die schärfsten China-Kritiker im Kabinett, Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) nicht mit an Bord sind. Die........

© Berliner Zeitung


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