Selten war man über die Untätigkeit des Kanzlers so erleichtert, wie nach seinem Besuch in Washington. Denn bislang liefen die Treffen mit der US-Regierung im Weißen Haus und auf der US-Air-Base im deutschen Ramstein immer nach dem gleichen Schema ab: Die Bundesregierung erklärte vorab, keine weiteren schweren Waffen liefern zu wollen. Doch nach den Treffen wurde dem Druck der Amerikaner nachgegeben.

So geschah es mit der Lieferung von Gepard-Flugabwehrgeschützen, den Leopard-2-Panzern, Patriot-Raketen und zuletzt den Kampfhubschraubern Sea King M41. Am deutlichsten wurde der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, wer im transatlantischen Verhältnis Koch und wer Kellner ist, als Scholz bei seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus von Biden vor laufenden Kameras dargelegt wurde, dass die USA Nordstream 2 „beenden“ würden.

Insofern stand zu befürchten, dass der Bundeskanzler wieder geläutert aus Washington zurückkehren würde. Doch dieses Mal hat sich das Blatt gewendet. Biden ist politisch nahezu handlungsunfähig. Die von ihm auf den Weg gebrachten 60 Milliarden US-Dollar für die militärische Unterstützung der Ukraine werden vom Kongress blockiert. Donald Trump gibt den Takt vor: Die USA sollen sich dem erklärten Hauptgegner China und dem Nahen Osten widmen und die Europäer den Scherbenhaufen in der Ukraine selbst wegräumen.

Biden präsentierte sich am Wochenende sichtlich angeschlagen. Der Präsident der mächtigsten Wirtschaftsnation musste sich öffentlich gegen den Vorwurf verteidigen, er sei geistig nicht zurechnungsfähig. In den letzten Tagen hatte er bei öffentlichen Veranstaltungen mal eben Helmut Kohl mit Angela Merkel verwechselt, den ägyptischen Präsidenten al-Sisi versehentlich zum Staatschef Mexikos erklärt und aus Frankreichs Präsident Macron kurzerhand Expräsident Mitterand gemacht. Gerüchte machen bereits die Runde, dass die Demokraten die Reißleine ziehen und Biden durch einen anderen Präsidentschaftskandidaten ersetzen könnten.

•gestern

•gestern

gestern

heute

09.02.2024

Annalena Baerbock: Das ist keine Außenpolitik, das ist ein Ego-Trip

•gestern

Erich Vad im Interview: „Über das Schicksal der Ukraine wird in Washington und Moskau entschieden“

heute

Scholz konnte nach Hause reisen, ohne die geforderten Taurus-Waffensysteme liefern zu müssen. Er nutzte die Schwäche der Amerikaner geschickt. In einem vor dem Beginn seiner Reise veröffentlichten Gastbeitrag im Wall Street Journal schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe, indem er in zwei Sätzen den Fauxpas von Außenministerin Annalena Baerbock ausbügelte und sich gegen eine weitere Eskalation mit Russland wandte: Wir sehen uns „nicht im Krieg mit Russland und suchen auch keine Konfrontation mit Russland“, schrieb Scholz. Und: „Wir werden uns jedem Versuch widersetzen, die Nordatlantikvertrags-Organisation in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hineinzuziehen.“ Besonnene Worte des Kanzlers, die Bereitschaft zur Deeskalation erkennen lassen.

Bislang inszenierte sich Scholz als entschlossener Unterstützer der Ukraine. Doch die von ihm geforderte verstärkte militärische und finanzielle Ausstattung Kiews durch die EU verläuft zusehends schleppend. Der Nachschub von Artillerie-Munition verzögert sich erheblich. Frankreich sieht nicht ein, die Ausgaben für Kiew weiter zu steigern. Schließlich ist Paris nicht auf den militärischen Schutz der Amerikaner angewiesen.

Eine Friedensinitiative für die Ukraine könnte Scholz’ politische Zukunft sichern. Denn auch der Bundeskanzler ist eine „Lame Duck“. Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist die Regierung zerstritten. Die immer wieder aufkommenden Details zu den illegalen Cum-Ex-Steuerdeals kleben an der SPD und an Scholz. Wird er zu wichtigen Treffen mit Bankern und seiner Verantwortung in dem Finanzkrimi befragt, offenbart er Erinnerungslücken, die Bidens Verwirrtheit in nichts nahestehen. Anders als in den USA stünde mit Verteidigungsminister Boris Pistorius auch schon ein geeigneter Kandidat als Amtsnachfolger parat.

Der Bundeskanzler wäre insofern gut beraten, auf eine politische Lösung des Ukraine-Kriegs zu setzen. Die Amerikaner könnten ihre Hilfen schneller einstellen als man denkt. Sie haben sich schon bei anderen militärischen Abenteuern wie in Vietnam, Syrien und Afghanistan Hals über Kopf zurückgezogen. Da Russland immer stärker die militärische Oberhand gewinnt, wie es die derzeitigen Offensiven in der Ukraine verdeutlichen, braucht Deutschland eine Exitstrategie. Als Alternative droht ein langjähriges Chaos in der Ukraine und von Donald Trump verordnete Verhandlungen mit Putin.

QOSHE - Lame Ducks in Washington: Scholz und Biden verwalten nur noch ihren Nachlass - Simon Zeise
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Lame Ducks in Washington: Scholz und Biden verwalten nur noch ihren Nachlass

8 13
11.02.2024

Selten war man über die Untätigkeit des Kanzlers so erleichtert, wie nach seinem Besuch in Washington. Denn bislang liefen die Treffen mit der US-Regierung im Weißen Haus und auf der US-Air-Base im deutschen Ramstein immer nach dem gleichen Schema ab: Die Bundesregierung erklärte vorab, keine weiteren schweren Waffen liefern zu wollen. Doch nach den Treffen wurde dem Druck der Amerikaner nachgegeben.

So geschah es mit der Lieferung von Gepard-Flugabwehrgeschützen, den Leopard-2-Panzern, Patriot-Raketen und zuletzt den Kampfhubschraubern Sea King M41. Am deutlichsten wurde der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, wer im transatlantischen Verhältnis Koch und wer Kellner ist, als Scholz bei seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus von Biden vor laufenden Kameras dargelegt wurde, dass die USA Nordstream 2 „beenden“ würden.

Insofern stand zu befürchten, dass der Bundeskanzler wieder geläutert aus Washington zurückkehren würde. Doch dieses Mal hat sich das Blatt gewendet. Biden ist politisch nahezu handlungsunfähig. Die von ihm auf den Weg gebrachten 60 Milliarden US-Dollar für die militärische Unterstützung der........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play