Es war abzusehen. Jetzt hat auch der Iran aktiv ins Kriegsgeschehen im Nahen Osten eingegriffen. Eine Reaktion aus Teheran war erwartet worden nach dem Beschuss der iranischen Botschaft in Syrien, hinter dem die israelische Armee vermutet wird. Am Samstagabend überzog die iranische Armee Israel mit mehr als 300 Kampfdrohnen und Raketen.

Die Attacke ist der nächste Schritt hin zur völligen Eskalation im Nahen Osten. Auf den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres folgte ein bis heute anhaltender Krieg der israelischen Armee im Gazastreifen. Daraufhin bildete sich die „Achse des Widerstands“; ein Bündnis schiitischer Kräfte aus Irak, Jemen und Iran, das damit begann, im Roten Meer westliche Handels- und Kriegsschiffe zu bombardieren.

Auch die Europäer mischen mit. Zur Abwehr jemenitischer Angriffe hat die EU die Marine-Mission Absis ins Leben gerufen. Dass in der Region längst ein heißer Krieg herrscht, hat in der vergangenen Woche der französische Fregattenkapitän Jerome Henry in einem Interview mit Le Figaro erläutert. Er sei von dem Ausmaß der Gewalt überrascht gewesen. Die Huthis setzten immer moderne Raketen ein. Den Soldaten an Bord der deutschen Fregatte „Hessen“ wird es nicht besser ergehen.

Der iranische Angriff auf Israel ist vergleichsweise harmlos ausgegangen. Bis Sonntagabend gab es in Israel keine Toten zu beklagen. Das Raketenschutzschild Iron Dome sowie amerikanische und britische Zerstörer konnten fast alle Geschosse abfangen.

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13.04.2024

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Zudem funktioniert Diplomatie auch in Kriegszeiten. Die iranische Regierung übersandte den USA über Schweizer Vermittler im Vorfeld eine Warnung. Sollten die USA in den Krieg eintreten, würden ihre Botschaften und Armeestützpunkte in der Region attackiert. Die Botschaft war für Israel wiederum eine frühe Warnung, die es ermöglichte, größere Schäden zu verhindern.

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Der amerikanische Präsident Joe Biden wiederum sprach Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sein Beileid aus. Gleichzeitig soll er amerikanischen Medienberichten zufolge Netanjahu aber unmissverständlich klargemacht haben, dass er keine Rückendeckung bekäme, sollte er zum Gegenschlag in Richtung Teheran ausholen. „Sie haben einen Sieg errungen. Nehmen Sie den Sieg“, soll Biden zu Netanjahu gesagt haben.

Auch der Iran kam gesichtswahrend aus der Nummer. Die obersten Militärs stellten den Angriff als Erfolg dar. Es sei nicht das Ziel gewesen, Zivilisten zu treffen. Die Angriffe hätten Militärstellungen gegolten. Solange Israel nicht zum Gegenschlag aushole, würden keine weiteren Attacken gestartet. Falls doch, sei man aber zu weiteren Angriffen bereit, die deutlich stärker ausfallen würden. Auch das israelische Militär ließ es sich nicht nehmen, eine Drohung auszusprechen: „Jede Aktion hat eine Reaktion, aber nicht mit Worten, sondern Taten“, teilte ein Sprecher mit.

So sind alle Seiten an diesem Wochenende mit einem blauen Auge davongekommen. Nur leider reiten die verantwortlichen Staatschefs weiter auf der Rasierklinge. Warum werden diplomatische Initiativen immer nur gestartet, wenn die Welt in den Abgrund blickt, fragt man sich. Das Wochenende hat gezeigt, dass es Gesprächskanäle gibt. Nur hat derzeit leider keine Partei ein ernsthaftes Interesse an Frieden im Nahen Osten.

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So geht das blutige Schauspiel weiter. Die palästinensische Bevölkerung in Gaza leidet am meisten. Am Sonntag versuchten vor den Angriffen der israelischen Armee geflüchtete Familien in ihre Häuser im Norden des Gazastreifens zurückzukehren. Die Zahl der toten Zivilisten ist dort seit Beginn der israelischen Militäroperation auf mehr als 33.000 gestiegen.

Deutschland hat an diesem Wochenende einmal mehr gezeigt, dass es auf der außenpolitischen Bühne nur zuschauen will. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wirkte wieder einmal hilflos. Der Iran trage die alleinige Schuld an der Eskalation im Nahen Osten. Israel habe die uneingeschränkte Solidarität der Bundesregierung. Punkt. Im Auswärtigen Amt scheint es kein Interesse zu geben, die komplexe Lage in der Region zu durchdringen. Dass nicht jeder, der für Frieden eintritt, automatisch an der Seite der Hamas steht, will man dort nicht wahrhaben. Eine Vermittlerrolle wird Deutschland nicht übernehmen können.

Aber auch ein Weiter-so in der Region ist undenkbar. Die israelische Bevölkerung kocht vor Wut über die rechte Regierung, die mit dem Leben der von der Hamas entführten Geiseln spielt. Auf überdimensionalen Plakaten konnte man bei Großdemonstrationen in Tel Aviv lesen: „Biden: Rette uns vor Netanjahu!“ Netanjahu hat kein Interesse an Friedensverhandlungen. Solange das Kriegskabinett hält, muss er sich keinen Wahlen stellen und auch nicht wegen Korruption vor Gericht verantworten. Wenn Donald Trump in den USA ins Amt kommt, hat er einen unverbrüchlichen Partner an seiner Seite. Für alle, die nach einer Verhandlungslösung im Nahen Osten streben, wird die Zeit knapper.

QOSHE - Iran überzieht Israel mit Großangriff: Es ist Zeit für Verhandlungen im Nahen Osten - Simon Zeise
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Iran überzieht Israel mit Großangriff: Es ist Zeit für Verhandlungen im Nahen Osten

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15.04.2024

Es war abzusehen. Jetzt hat auch der Iran aktiv ins Kriegsgeschehen im Nahen Osten eingegriffen. Eine Reaktion aus Teheran war erwartet worden nach dem Beschuss der iranischen Botschaft in Syrien, hinter dem die israelische Armee vermutet wird. Am Samstagabend überzog die iranische Armee Israel mit mehr als 300 Kampfdrohnen und Raketen.

Die Attacke ist der nächste Schritt hin zur völligen Eskalation im Nahen Osten. Auf den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres folgte ein bis heute anhaltender Krieg der israelischen Armee im Gazastreifen. Daraufhin bildete sich die „Achse des Widerstands“; ein Bündnis schiitischer Kräfte aus Irak, Jemen und Iran, das damit begann, im Roten Meer westliche Handels- und Kriegsschiffe zu bombardieren.

Auch die Europäer mischen mit. Zur Abwehr jemenitischer Angriffe hat die EU die Marine-Mission Absis ins Leben gerufen. Dass in der Region längst ein heißer Krieg herrscht, hat in der vergangenen Woche der französische Fregattenkapitän Jerome Henry in einem Interview mit Le Figaro erläutert. Er sei von dem Ausmaß der Gewalt überrascht gewesen. Die Huthis setzten immer moderne Raketen ein. Den Soldaten an Bord der deutschen Fregatte „Hessen“ wird es nicht besser ergehen.

Der iranische Angriff auf Israel ist vergleichsweise harmlos ausgegangen. Bis........

© Berliner Zeitung


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