Ein süßes Hündchen illustriert den Abschied des Arztes auf Twitter. Wobei an diesem kurzen Satz schon mindestens drei Aussagen fragwürdig sind: Erstens ist es wohl doch kein richtiger Abschied von Twitter, das jetzt zweitens X heißt.

Drittens stellt sich die Frage, ob der halb abschied nehmende Influencer wirklich praktizierender Arzt ist, aber dazu mehr am Ende des Textes. Der weiße Chihuahua im Bild jedenfalls scheint echt zu sein.

Über 18.000 Follower hat der „OrthopaeDenker“, Benutzername Dokhollidays. Am Dienstag verkündete er, eingebettet in rote Ausrufezeichen, „!!In eigener Sache!!“: Er werde sich nun eine „Corona-Auszeit“ nehmen. Der Nutzer des Accounts schreibt seit Januar 2021 auf der Plattform im Netz, ohne allerdings einen Klarnamen zu nennen. Er postet regelmäßig private Schnappschüsse aus München oder Nürnberg, die ihn aber nie als Arzt zu erkennen geben oder seine Anonymität auflösen würden.

Seine Reichweite hat er Corona zu verdanken – und der Tatsache, dass er sehr überzeugt und streng für die Corona-Impfung wirbt und Impfkritiker – er nennt sie „Antivaxxer“ – als „Demokratiefeinde“ bekämpft. Seine Aussagen unterlegt er teils mit ausgewählten Studien, und er gibt auch gerne fremden Menschen im Internet Empfehlungen, die wievielte Impfung sie sich wann genau holen sollten. Gegenüber Andersdenkenden wird er schnell unwirsch.

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Doch nun, drei Jahre nach Beginn seines Einsatzes, scheint ihn die eigene Bubble zu „nerven“, denn da würden mittlerweile „Horrorszenarien“ verbreitet, schreibt er in einem Statement, das inzwischen über 80.000-mal angeklickt wurde und von Usern als „geradezu beschämend sachlich“ gelobt wird: „Jedwede Erkrankung und sogar Todesfälle werden auf Covid-19 geschoben; es wird insinuiert, verdächtigt und fantasiert, dass einem schwindelig wird“, schreibt Dokhollidays. Nicht der Meinung zu sein, „dass wir alle schwer an Covid-19 erkranken werden“, werde in dieser Bubble geradezu als Verbrechen angesehen, er selbst werde „über Nacht“ zum Verharmloser und Corona-Ignoranten gemacht und gemobbt, es werde gar zum Blocken seines Accounts aufgerufen.

‼️In eigener Sache:‼️

Ich versuche hier seit nunmehr 3 Jahren zum Thema Corona,Masken,Impfung und Folge-Erkrankungen aufzuklären und ich denke dass ich dies meist auch in seriöser Form und mit fundiertem wissenschaftlich und sachlich korrektem Inhalt tue.

Gerade heute wollte… pic.twitter.com/TqrGmDwtOg

•gestern

•gestern

21.02.2024

20.02.2024

21.02.2024

„Selbstverständlich unser größtes Problem“ seien zwar weiterhin „die Antivaxxer, Maskenschwurbler und diejenigen, die das Thema zum Politikum missbrauchen.“ Doch es habe sich auf X eine „Angst-Bubble“ etabliert, die unsachlichen Übertreibungen fröne und zur Untermauerung Studien auswähle, die die einfachsten Standards nicht einhalten würden. Das bereite ihm „permanent schlechte Laune“. Grundsätzlich bleibe er aber X erst mal erhalten. Er schließt mit den Worten: „Life is short, be kind, always.“

Diese letzten Worte müssen verwundern, wenn man die Äußerungen von Dokhollidays auf X kennt, denn er selbst war dort lange Zeit alles andere als nett (auf Englisch: kind) – zum Beispiel zu Impfgeschädigten wie Felicia Binger. Im Gegenteil: Derselbe User hat über Jahre hinweg Deutschlands bekannteste Impfgeschädigte in weit über 100 Postings, die der Berliner Zeitung vorliegen, massiv zu diskreditieren versucht.

Die Schauspielerin Felicia Binger, 30 Jahre alt und aus Frankfurt am Main, war eine der ersten, die sich mit ihrem Impfschaden an die Öffentlichkeit getraut hat. Vor zwei Jahren in der Berliner Zeitung und seither mit vielen Auftritten im TV und bei anderen Medien berichtete sie von den zahlreichen Symptomen, die sie seit ihrer ersten Corona-Impfung mit dem Impfstoff von Biontech erlitten hat, von den Einschränkungen, die diese für ihr Leben bedeuten, von der Hilflosigkeit vieler Mediziner und auch von dem Gegenwind, der ihr und vielen anderen Impfgeschädigten seither begegnet.

Binger kann seitdem kaum mehr arbeiten. Nicht nur, weil ihr Gesundheitszustand keine langen Drehtage am Stück zulässt. Sondern auch, weil diese private Rolle als Impfgeschädigte ihren Job als Schauspielerin massiv erschwert. Kaum jemand will mit einer „Impfgegnerin“ drehen oder werben. Die sie nicht ist, weil sie nicht Impfungen grundsätzlich ablehnt. Zu der sie aber gemacht wird, weil in dem politisch und moralisch aufgeladenen Themenkomplex rund um die Corona-Impfung die Begriffe Impfgeschädigte, Impf-Kritiker, Impf-Gegner und Corona-Leugner bunt miteinander vermischt werden. Bei manchen aus Unachtsamkeit, bei anderen mit Absicht.

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Unter anderem von Leuten wie Dokhollidays, der ein großes Publikum dazu aufruft, an der Geschichte von Felicia Binger nicht nur zu zweifeln, sondern die Person geradezu zu ächten.

„Die Presse hat #SchwereSchuld auf sich geladen. Das gilt auch denen, die andauernd Impfschaden-Sendungen bringen und Leuten wie Frau Binger eine Bühne geben“, schrieb er vor einem Jahr, am 16. Februar 2023. Einen Monat später, im März 2023, musste Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im ZDF zugeben, dass es Impfgeschädigte überhaupt gebe, sie ihm „sehr leid tun“ würden und dass er ein Programm aufsetzen werde, um ihnen zu helfen. Auf dieses Programm warten die Impfgeschädigten allerdings bis heute.

Doch Dokhollidays schien sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf Felicia Binger eingeschossen zu haben, denn er twitterte allein von Juli 2022 bis zu jenem Februar 2023 rund 100-mal (Binger hat das auf anwaltlichen Rat dokumentiert) zu ihrer Person.

Das reicht von Andeutungen, wie im Juli 2022: „Schwurbler haben das Thema (Post Vac, PV, Anm. d. Red.) zu ihrem neuen Steckenpferd gemacht. Das sollten Sie erkennen, denn es ist wichtig. Ich möchte jetzt nicht auf Frau Binger zu sprechen kommen. Nur soviel: Es gibt Leute, die sich da einklinken und dem Thema einen Bärendienst erweisen!“ Bis zur Aberkennung ihrer Krankheit: „In meinen Augen ist Binger keine Patientin“, ebenfalls im Juli 2022.

„Aber dieser etwas gut beleibte Marburger Prof ist mir nicht geheuer. Dessen Interviews zu PV waren so windelweich ohne Hard Facts, da muss man sich auch fragen: Will da mal wieder einer #mehrSendezeit??“, schrieb Dokhollidays in der Nacht zu 1. September 2022 über Prof. Bernhard Schieffer, der zu diesem Zeitpunkt in Marburg die einzige Post-Vac-Ambulanz mit einer Warteschlange von Tausenden Betroffenen leitete.

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Vier Minuten vorher hatte Dokhollidays gepostet: „Post Vac ist der größte Hoax, seit es die Impfung gibt. Andere Länder haben da kein Wort drüber verloren, schauen wir doch mal nach Israel? Und was sagt das CDC? Hat ‚abgewunken‘. Aber in Schwurbel-Country ist das natürlich ein Master-Problem …“

Wenige Tage später schrieb er: „Dann tauchen diese Simulanten auch noch in den Ambulanzen auf; erzählen ihre windelweichen Symptome, die kein Mensch verifizieren kann. Meist haben sie auch ALLE Symptome am GANZEN Körper. Wie unsere Vorzeige Postvac Patientin Felicia Binger! Ärgerlich.“ Und eine Stunde vor diesem Post: „Frau Binger ist ein Phänomen: Sie hat ALLE Symptome, die man haben kann, zusammen und auf einmal. Wirklich ein einmaliges und bedauerliches Phänomen.“

Am nächsten Tag: „Mir geht’s hier aber allein um Frau Binger. Hab das genau verfolgt. Ich glaub ihr kein Wort.“ Kurz vorher: „Aber es ist ärgerlich. Schon wenn jemand SÄMTLICHE Symptome hat, die man zusammenkratzen kann, ist das maximal unglaubwürdig.“

Es reicht dem Twitter-Arzt aber nicht, dass er der Impfgeschädigten ihre Krankheit abspricht: Später kapriziert sich Dokholliday darauf, Binger die Unterstützung anderer entziehen zu wollen. Er versucht, sie zu separieren.

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Am 15. September schreibt er: „Schau mal heute der neue Tweet von unserer Vorzeige #postvacsyndrom Patientin Frau #Binger und wer als Erster kommentiert: Man muss sich eindeutig und ganz hart von der Antivaxxer Szene distanzieren, sonst wird man unglaubwürdig.“ Wenige Tage später antwortet er einem anderen Nutzer: „Und distanzieren Sie sich von Frau Binger; das ist kein guter Umgang.“

Das geht so in einem fort in den Folgemonaten. Ende September schreibt er: „Das extreme Hochkochen von Post Vac in den Medien geht mir so auf den Pinsel. Was wäre Post Vac ohne unsere Vorzeige ‚Patientin‘ Frau Binger? (Lach- und Bier-Emoticon)“. Mitte Oktober 2022: „Ich kämpfe für #LongCovid und #MECFS. Nicht für #postvacsyndrom. Oder zumindest sehe ich diese PV Twitter Szene um die umtriebige Frau Binger als hochgradig unseriös.“ Ein anderes Mal verwendet er ein Kotz-Emoticon. Am 17. Oktober schreibt er: „Zu Frau Binger nur soviel: Wer sich nicht deutlich distanziert, ist unseriös oder weiß nichts über sie.“

Von wegen Wissen: Die Berliner Zeitung hat Felicia Binger um die Einreichung ihrer aktuellen und früheren Krankenunterlagen gebeten, die sie bereitwillig offengelegt hat.

Im Mai 2021 wurde Felicia Binger mit dem Impfstoff von Biontech einmalig geimpft. Am selben Abend berichtet sie von Fieber und heißen roten Beinen, in den Tagen darauf entwickelt sie eine Nesselsucht auf der Haut und muss Allergenblocker schlucken. In den folgenden Wochen und Monaten gesellen sich immer weitere Symptome hinzu: eine wochenlange Migräne mit Schwindelanfällen und Konzentrations- sowie Bewusstseinsstörungen, Tremor (Muskelzuckungen) und Tinnitus. Schmerzen im Fuß und in den Beinen, Muskelschwäche und Muskelkrämpfe. Herzstechen. Nervenschmerzen. Sehstörungen. Schluckstörungen. Unerklärliche Schwäche, sogar Spaziergänge sind oft zu viel. Nahrung verträgt sie kaum noch, sie nimmt mehrere Kilos ab. Beim Kauen versagt immer wieder die Kiefermuskulatur. So beschreibt sie es selbst.

Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, die meisten davon an Unikliniken, bescheinigen ihr in den Unterlagen zahlreiche Auffälligkeiten im Blutbild, unter anderem jene Autoantikörper, die alle Impfgeschädigten zu haben scheinen. Eine Small-Fiber-Neuropathie wird diagnostiziert (Erkrankung des peripheren Nervensystems), genau wie das gefürchtete chronische Fatigue-Syndrom ME/CFS. Die schwere neuroimmunologische Erkrankung führt zu anhaltender Erschöpfung. Des Weiteren sprechen ihre Blutwerte für die Schilddrüsen-Erkrankung Hashimoto, die schon alleine zahlreiche Symptome am ganzen Körper mit sich bringen kann. Diagnostiziert wurden außerdem eine Mastzellenaktivierung, die für viele Nahrungsmittelunverträglichkeiten sorgt, das Fehlen wichtiger Bakterien im Darm sowie POTS, das posturale Tachykardiesyndrom, bei dem die Herzfrequenz gestört ist.

Normalerweise gelten schon Patienten, die nur eine dieser Diagnosen haben, als chronisch krank, manche schwer. Doch diese Fülle an Symptomen und ernstzunehmender Diagnosen ist typisch für viele Impfgeschädigte. Auch deshalb waren lange Zeit die meisten Ärzte mit ihnen völlig überfordert – und viele sind es noch. Bei Binger wurde das Vorliegen einer Angst- oder Depressionserkrankung ausgeschlossen, das Vorliegen einer ausgeprägten autonomen Dysfunktion hingegen als „sehr hoch“ eingeschätzt.

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In der Post-Vac-Ambulanz in Marburg wurde ihr der Verdacht auf „Hyperinflammation und Autoimmunreaktion in zeitlichem Zusammenhang nach Impfung gegen SARS CoV2“ bestätigt – mit führenden neurologischen Symptomen.

Im Sommer 2022 hat die Schauspielerin eine sogenannte Immunadsorpotion durchführen lassen, dabei soll das Blut durch eine gezielte Wäsche von Antiautokörpern befreit werden. Auch etwa die Multiple Sklerose wird bisweilen so behandelt, ebenfalls eine Autoimmunerkrankung. Doch Binger hat laut Unterlagen die begleitende Behandlung mit dem Blutverdünner Heparin nicht gut vertragen. Die Rechnung weist eine Forderung von knapp 15.000 Euro aus, „zahlbar in sieben Tagen“.

Ihre Krankenkasse hat die Übernahme der Kosten abgelehnt und schreibt: „Uns ist selbst dann die Kostenübernahme untersagt, wenn die Behandlung den gewünschten Erfolg zeigt.“ Binger hat sich einen in der Sache vertrauten Anwalt genommen und vor dem Sozialgericht gegen die Absage geklagt. Die Krankenkasse hat vor Gericht beantragt, die Klage abzuweisen.

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Viele Impfgeschädigte sind inzwischen ratlos, ob überhaupt noch jemand außer einzelner behandelnder Ärzte daran interessiert ist, ihnen zu helfen. Und das, obwohl nur Monate zuvor ihnen der Staat die Impfung allen dringend empfohlen hatte. Damals schien der Politik die Gesundheit der Bevölkerung sehr am Herzen zu liegen. Jetzt scheinen die bisweilen stark erkrankten Impfgeschädigten hingegen gar keine Rolle mehr zu spielen.

Felicia Binger unterscheidet sich von vielen anderen Impfgeschädigten dadurch, dass sie geübt darin ist, vor Publikum zu sprechen, weil sie eben Schauspielerin ist. Sie hat ein sehr kamerataugliches Gesicht, eine gute Sprechstimme, sie beherrscht den Umgang mit den sozialen Medien und sie ist es gewohnt, einer Sache ihre Stimme zu verleihen. Außerdem ist sie körperlich zwar stark geschädigt, man sieht es ihr aber kaum an. Sie sitzt nicht im Rollstuhl, ihr Körper ist nicht äußerlich von den zahlreichen Symptomen gezeichnet und wenn sie irgendwo auftritt, dann liegt sie eben nicht gerade im Bett und krümmt sich vor Schmerzen.

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Kritiker kreiden ihr genau das aber an: Dass sie nicht wie ein Opfer wirkt – und doch eines sein will. Ein Impf-Opfer. Wie unschicklich von ihr, dass die Impfung doch nach wie vor vielen als „sicher und wirksam“ gilt. Also wird sie – als greifbare Spitze der Post-Vac-Patienten – angegriffen, um das Narrativ aufrechtzuerhalten.

Denn anderenfalls wäre es doch für einen „Arzt“ wie etwa Dokhollidays ein leichtes, sich mit dem Thema Impfschäden differenzierter auseinanderzusetzen und die vielen Symptome von ihr und anderen einfach anzuerkennen anstatt sie ihnen aber- und abermals abzusprechen.

Oder ist Dokhollidays gar kein richtiger Arzt? Hat jemand, der in München oder Nürnberg in einer Praxis arbeitet, wirklich so viel Zeit, nicht nur unzählige diffamierende Aussagen gegen Felicia Binger zu schreiben, sondern insgesamt – laut X – über 130.000 Posts in drei Jahren? Das sind im Schnitt weit über 100 Posts am Tag – inklusive Wochenenden und Feiertagen. Viele davon mit eben jenen ausgewählten Studien und auch gleich deren Interpretation versehen. Das sieht eher nach einem eigenen Vollzeitjob als Influencer aus. Zumal die Frage im Raum steht: Was hat ein Orthopäde (den er im Namen führt) mit Impfungen zu tun?

Wir haben diese Fragen Dokhollidays selbst gestellt, doch er hat bis zum Redaktionsschluss nicht geantwortet. Auf eine frühere Anfrage im Dezember hatte er noch geschrieben: „Klarnamen haben hier die meisten realistisch denkenden Ärzte nicht. Warum? Wegen denen, die hier die ‚vielen‘ Impfschäden propagieren: eine rechtsquer verrutschte antidemokratische Impfgegner-Bubble. Diese ist gefährlich.“ Und auf die Nachfrage, was ein Orthopäde überhaupt mit Impfungen zu tun hat und wieso er diese so stark bewirbt, antwortete Dokhollidays: „Ihre Drukos (Drunterkommentare, Anm. d. Red.) sind Kinderkacke.“ Damit war die Diskussion für ihn beendet.

Felicia Binger hat wegen der vielen Anfeindungen im Netz im vergangenen Jahr ihren Account gelöscht. Zu anstrengend war für sie – neben ihrer Krankheit – der ständige Kampf gegen Unflätigkeiten und Ungerechtigkeiten.

Was sie auch stark belastet habe: Dass ihr vorgeworfen wird, sie inszeniere sich über die Rolle als Impfgeschädigte, erhoffe sich dadurch Aufmerksamkeit oder neue Aufträge. Ihr Lachen ist bitter, wenn sie darüber spricht: „Gerade in diesem Job ist erstens Gesundheit unabdingbar, niemand will eine kranke Schauspielerin unter Vertrag nehmen“, erzählt sie am Telefon. Zweitens sei ihre Karriere gerade auf dem Höhepunkt gewesen, als sie geimpft wurde. Seit ihrer Erkrankung blieben die Aufträge aus – also genau umgekehrt, als Kritiker ihr vorwerfen. Auch dazu kann sie aussagekräftige Unterlagen vorlegen.

Sie war im Gespräch und hatte Aufträge für große Filmproduktionen, unter anderem für die Hauptrolle in einem internationalen Kinofilm. Felicia Binger stand eine Zukunft als erfolgreiche Schauspielerin bevor. Allein in den ersten Monaten des Jahres 2021 hatte sie Zehntausende Euro verdient. Geld, das sie später für die zahlreichen Therapien ausgeben musste, weil die Krankenkasse das – bis dato unbekannte, aber bei ihr diagnostizierte – Post-Vac-Syndrom nicht anerkannte.

Doch die 30-Jährige will sich diesem Schicksal nicht ergeben. Seit Ende vergangenen Jahres ist sie – unter neuem Namen – wieder in den sozialen Medien aktiv. Und inzwischen hat sie auch ein neues Projekt gestartet, das ihre schauspielerischen Fähigkeiten mit ihrer Krankheit verknüpft.

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„Stimmung gegen Andersdenkende“: Christine Prayon verlässt „heute-show“ und rechnet mit ZDF ab

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Zusammen mit Kabarettistin Christine Prayon, bekannt aus der ZDF-heute-Show, geht sie auf Tour. Das ist keine Vollzeitbeschäftigung, zwischen den Terminen liegen viele Monate. Doch es ist ein Anfang, die Arbeit unter erschwerten Bedingungen wiederaufzunehmen. Prayon leidet ebenfalls unter einem Impfschaden und ist u. a. aufgrund des Umgangs mit Ungeimpften aus der Satire-Show ausgestiegen, wie sie zuletzt im MDR berichtet hatte. Am Mittwoch fand in Frankfurt der erste gemeinsame Abend des Duos statt, um Prayons Buch „Abwesenheitsnotiz“ vorzustellen.

Ab Oktober gehen sie dann auf gemeinsame Lesetour durch Deutschland unter dem Titel „Testzentrum: Long Covid – Short Stories/ Satirische Lesung mit anschließender Diskursverengung“. In der Ankündigung heißt es: „Infektion oder Injektion – für einige kein Thema mehr, für andere ist seitdem alles anders. Zwei davon stehen auf der Bühne und erzählen davon.“ Und weiter: „Wer jetzt hofft, dass das ein anstrengender Abend wird, der wird bitter enttäuscht werden: Die Schauspielerinnen Felicia Binger und Christine Prayon haben zwar zusammen so viele Symptome wie Karl Lauterbach Fernsehauftritte, aber als Clowns funktionieren sie noch prima.“

Binger berichtet: „Über den Newsletter auf mrna-entertainment.de haben sich um die 300 Menschen angemeldet und Städtewünsche geäußert, in denen wir auftreten sollen.“ Auf der genannten Seite findet man die anstehenden Termine, den ersten im Oktober im Stuttgart, nächsten Januar gibt es eine Lesung in Berlin.

Und dann gibt es, ganz kurz vor Redaktionsschluss am Donnerstag, noch eine Überraschung: Felicia Binger hatte im September 2022 über die Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ Anzeige gegen Dokhollidays gestellt. Durch das LKA konnte nun der Klarname des Nutzers ermittelt werden. Sie hat noch in dieser Woche Strafanzeige gestellt wegen Beleidigung und übler Nachrede.

Wir werden hier den Namen des Users nicht preisgeben, es handelt sich wohl tatsächlich um einen Orthopäden aus Bayern. Der allerdings seine Praxis offenbar im Jahr 2020 aufgegeben hat – jedoch erkennbar nicht aus Altersgründen. Das erklärt vielleicht einiges.

QOSHE - Impfgeschädigte: Ist Felicia Binger ein Fake? - Ruth Schneeberger
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Impfgeschädigte: Ist Felicia Binger ein Fake?

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23.02.2024

Ein süßes Hündchen illustriert den Abschied des Arztes auf Twitter. Wobei an diesem kurzen Satz schon mindestens drei Aussagen fragwürdig sind: Erstens ist es wohl doch kein richtiger Abschied von Twitter, das jetzt zweitens X heißt.

Drittens stellt sich die Frage, ob der halb abschied nehmende Influencer wirklich praktizierender Arzt ist, aber dazu mehr am Ende des Textes. Der weiße Chihuahua im Bild jedenfalls scheint echt zu sein.

Über 18.000 Follower hat der „OrthopaeDenker“, Benutzername Dokhollidays. Am Dienstag verkündete er, eingebettet in rote Ausrufezeichen, „!!In eigener Sache!!“: Er werde sich nun eine „Corona-Auszeit“ nehmen. Der Nutzer des Accounts schreibt seit Januar 2021 auf der Plattform im Netz, ohne allerdings einen Klarnamen zu nennen. Er postet regelmäßig private Schnappschüsse aus München oder Nürnberg, die ihn aber nie als Arzt zu erkennen geben oder seine Anonymität auflösen würden.

Seine Reichweite hat er Corona zu verdanken – und der Tatsache, dass er sehr überzeugt und streng für die Corona-Impfung wirbt und Impfkritiker – er nennt sie „Antivaxxer“ – als „Demokratiefeinde“ bekämpft. Seine Aussagen unterlegt er teils mit ausgewählten Studien, und er gibt auch gerne fremden Menschen im Internet Empfehlungen, die wievielte Impfung sie sich wann genau holen sollten. Gegenüber Andersdenkenden wird er schnell unwirsch.

Impfgeschädigte: „Die Gemeinschaft, die ich schützen wollte, lässt mich im Stich“

13.12.2023

Corona-Impfung: Wirksam oder schädlich? Eine Debatte über Nutzen und Risiko

25.10.2023

Doch nun, drei Jahre nach Beginn seines Einsatzes, scheint ihn die eigene Bubble zu „nerven“, denn da würden mittlerweile „Horrorszenarien“ verbreitet, schreibt er in einem Statement, das inzwischen über 80.000-mal angeklickt wurde und von Usern als „geradezu beschämend sachlich“ gelobt wird: „Jedwede Erkrankung und sogar Todesfälle werden auf Covid-19 geschoben; es wird insinuiert, verdächtigt und fantasiert, dass einem schwindelig wird“, schreibt Dokhollidays. Nicht der Meinung zu sein, „dass wir alle schwer an Covid-19 erkranken werden“, werde in dieser Bubble geradezu als Verbrechen angesehen, er selbst werde „über Nacht“ zum Verharmloser und Corona-Ignoranten gemacht und gemobbt, es werde gar zum Blocken seines Accounts aufgerufen.

‼️In eigener Sache:‼️

Ich versuche hier seit nunmehr 3 Jahren zum Thema Corona,Masken,Impfung und Folge-Erkrankungen aufzuklären und ich denke dass ich dies meist auch in seriöser Form und mit fundiertem wissenschaftlich und sachlich korrektem Inhalt tue.

Gerade heute wollte… pic.twitter.com/TqrGmDwtOg

•gestern

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21.02.2024

20.02.2024

21.02.2024

„Selbstverständlich unser größtes Problem“ seien zwar weiterhin „die Antivaxxer, Maskenschwurbler und diejenigen, die das Thema zum Politikum missbrauchen.“ Doch es habe sich auf X eine „Angst-Bubble“ etabliert, die unsachlichen Übertreibungen fröne und zur Untermauerung Studien auswähle, die die einfachsten Standards nicht einhalten würden. Das bereite ihm „permanent schlechte Laune“. Grundsätzlich bleibe er aber X erst mal erhalten. Er schließt mit den Worten: „Life is short, be kind, always.“

Diese letzten Worte müssen verwundern, wenn man die Äußerungen von Dokhollidays auf X kennt, denn er selbst war dort lange Zeit alles andere als nett (auf Englisch: kind) – zum Beispiel zu Impfgeschädigten wie Felicia Binger. Im Gegenteil: Derselbe User hat über Jahre hinweg Deutschlands bekannteste Impfgeschädigte in weit über 100 Postings, die der Berliner Zeitung vorliegen, massiv zu diskreditieren versucht.

Die Schauspielerin Felicia Binger, 30 Jahre alt und aus Frankfurt am Main, war eine der ersten, die sich mit ihrem Impfschaden an die Öffentlichkeit getraut hat. Vor zwei Jahren in der Berliner Zeitung und seither mit vielen Auftritten im TV und bei anderen Medien berichtete sie von den zahlreichen Symptomen, die sie seit ihrer ersten Corona-Impfung mit dem Impfstoff von Biontech erlitten hat, von den Einschränkungen, die diese für ihr Leben bedeuten, von der Hilflosigkeit vieler Mediziner und auch von dem Gegenwind, der ihr und vielen anderen Impfgeschädigten seither begegnet.

Binger kann seitdem kaum mehr arbeiten. Nicht nur, weil ihr Gesundheitszustand keine langen Drehtage am Stück zulässt. Sondern auch, weil diese private Rolle als Impfgeschädigte ihren Job als Schauspielerin massiv erschwert. Kaum jemand will mit einer „Impfgegnerin“ drehen oder werben. Die sie nicht ist, weil sie nicht Impfungen grundsätzlich ablehnt. Zu der sie aber gemacht wird, weil in dem politisch und moralisch aufgeladenen Themenkomplex rund um die Corona-Impfung die Begriffe Impfgeschädigte, Impf-Kritiker, Impf-Gegner und Corona-Leugner bunt miteinander vermischt werden. Bei manchen aus Unachtsamkeit, bei anderen mit Absicht.

Die Wenigen mit Impfschaden: Nach der Impfung wollte sie ihr Testament........

© Berliner Zeitung


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