Die Dame mit der Dieter-Bohlen-Gedächtnis-Frisur wartet vor dem Konzert vor der Toilette, weil sie etwas darin vergessen hat: einen schwarzen Leinenbeutel voller Merchandise-Produkte ihres Idols. Unter anderem findet man darin einen Auto-Lufterfrischer mit dem Konterfei des blonden Barden. Und eine Art Wackel-Dackel in Bohlen-Format.
Besucht man den selbsternannten Pop-Titan an seinem Geburtstagskonzert am Mittwochabend im gut gefüllten Theater am Potsdamer Platz, und tritt er auf die Bühne mit etwas verklemmten Schultern und der typischerweise leicht keifenden Sprech-Stimme, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Produkt ganz gut gewählt ist, um den Mann darzustellen, der am 7. Februar 70 Jahre alt geworden ist und diesen runden Geburtstagsabend mit seinen Fans in Berlin feiert.
Denn auch der echte Wackel-Dackel ist bei der älteren Generation der Deutschen ein jahrzehntelang unverzichtbares Kleinod gewesen und hat bis heute seine Anhänger auch unter jungen Menschen, die ihn als Kult verehren. Außerdem bewegt auch Bohlen sich auf der Bühne nicht mehr als nötig, streckt den Kopf ständig vor und hat diesen seltsam treuen Blick ins Publikum. Dieter Bohlen, der Wackel-Dackel der Nation?
Ein Bad Boy wird 70: Dieter Bohlen feiert Geburtstag
06.02.2024
Man sollte diesen Mann nicht unterschätzen. Auch wenn sich Nicht-Fans über ihn lustig machen, kann niemand verhehlen, dass Dieter Bohlen aus einer für einen Sänger erstaunlich unterentwickelten Stimme dank eines eher überentwickelten Selbstbewusstseins eine Karriere gemacht hat, die ihresgleichen sucht. 1954 in Ostfriesland geboren und auf einem Bauernhof aufgewachsen, gehört der Komponist, Sänger und TV-Moderator längst zu den reichsten Deutschen. 2019 schätzte das Manager-Magazin sein Vermögen auf 250 Millionen Euro. Er ist vor allem einer der erfolgreichsten Pop-Produzenten Deutschlands. Nach eigenen Angaben ist er „der einzige Künstler, der 25 Nummer-1-Hits nachweisen kann und mit über 100 Goldenen Schallplatten ausgezeichnet wurde“.
06.02.2024
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Wer sich Videos aus seinen Anfängen in den frühen 80er Jahren ansieht, nachdem er BWL studiert hatte und ins Musikbusiness eingestiegen war, sieht schon damals einen Mann mit eher wenig stimmlichem Talent, aber dafür sehr viel Drive. Doch erst als er seine bessere Hälfte kennenlernte, den dunkelgelockten damals 18-jährigen Thomas Anders, beide zusammen sich „Modern Talking“ nennen und auf Englisch singen, kam der Durchbruch. Der war so stark, dass in nur drei Jahren, von 1984 bis zur Auflösung der Band 1987, mit den weltweit bekannt gewordenen Songs „You´re my heart, you´re my soul“, „Cheri, Cheri Lady“ oder „Brother Louie“ der unverrückbare Grundstein für Bohlens Lebenswerk gelegt wurde.
Er singt diese Lieder bis heute, auch am Mittwoch wieder in der Hauptstadt. Und jedesmal rastet das Publikum aufs Neue aus. Es liegt nicht nur ein nostalgischer Zauber darin, die Songs waren ja schon damals sehr schnell Kult, als sie noch neu waren. Vielleicht ist es einfach diese Chuzpe dieses Bohlen, so unverschämt einfache Akkorde und Textzeilen zusammenzubringen, sie Lieder von Weltrang zu nennen und mit einer derartigen Überzeugung darzubieten, dass das Publikum sie einfach mögen muss. Quasi gezwungenermaßen.
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Auch Bohlen selbst, der 70-Jährige, blond wie immer, im schwarz glitzernden Anzug und je länger der Auftritt dauert, desto besser wirkt er in Form, zeigt sich in Berlin von seiner besten Seite. Vergessen die Zeiten, als er für „Deutschland sucht den Superstar“ bei RTL reihenweise junge Menschen übel fertig machte, die im Zweifel nicht mal schlechter sangen als er selbst. Zu Beginn des Jahrtausends war auch Heidi Klum bei ProSieben noch eine strenge Model-Gouvernante, die jedes Gramm Fett bei ihren „Mädchen“ verhöhnte. Heutzutage ist im Umgang mit TV-Kandidaten bei den sogenannten Talentshows eher Wertschätzung oder zumindest Toleranz angesagt, und Bohlen verkündet nun in Berlin, bei der nächsten DSDS-Staffel werde „endlich“ die Altersschwelle abgeschafft; die Kandidaten dürften also demnächst die 30 oder 40, vielleicht gar 60 Lenze überschreiten. Und wenn diese Staffel kein Erfolg werde, dann gebe er ein Gratis-Konzert in Berlin.
Da sei er dabei, verspricht Pietro Lombardi, sein Sangeszögling aus der achten Staffel. Seit der Käppi-tragende Pizzabäcker aus Karlsruhe 2011 mit 18 Jahren Gewinner von DSDS-Gewinner wurde, weicht er Dieter Bohlen nicht mehr von der Seite – oder ist es andersherum? Jedenfalls ist es nur natürlich, dass Lombardi auch an diesem Abend mit dabei ist, zusammen mit weiteren „Freunden“, die Bohlen als solche vorstellt und auf eine große Couch platziert, als da wären: die TV-Sternchen Evelyn Burdecki und Sylvie Meis, RTL-Moderatorin Frauke Ludowig, neben Lombardi noch DSDS-Erstgewinner Alexander Klaws sowie das Model Bruce Darnell. Und nicht zu vergessen Bohlens 40-jährige Freundin Carina Walz, die er nun, im Alter, nach fast 20 Jahren des Zusammenlebens, doch noch heiraten will. Sie alle sitzen während des Konzerts mit auf der Bühne, tanzen am Ende zu seinen Hits und beantworten zwischen den Gigs kurze Fragen von Bohlen, dem Entertainer. Alle – bis auf Evelyn Burdecki, die hat er vergessen, dafür bekommt sie zum Schluss seinen Geburtstagsblumenstrauß.
Dieter Bohlen ist eher ein guter Unterhaltungskünstler als ein guter Sänger, und seine wahren Talente liegen offenbar eh in seinem unermesslichen Fleiß und seiner Tätigkeit als Produzent. Sogar für Dionne Warwick hat er einst ein Lied geschrieben, eine der besten Sängerinnen der Welt, wie er nicht zur Unrecht stolz erzählt. „It´s all over“ (1991) hat er sogar einst mit ihr, der Tante von Whitney Houston, zusammen performt, und schaut man sich das Video an, kann man nur den Kopf darüber schütteln, wie ein Mann mit so wenig Stimme sich traut, neben einer so großen Stimme aufzutreten. Aber für sie ist daraus tatsächlich ein toller Song geworden, und auch etwa Yvonne Catterfelds „Für Dich“ stammt aus Dieter Bohlens Feder. Wenn er selbst das von ihm komponierte Lied singt, ist es halt nicht mal halb so gut.
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So unterschiedlich sind die Talente verteilt, und Dieter Bohlen hat aus sich, so kann man wohl nach 70 Jahren resümieren, nun wirklich alles herausgeholt, was ging. Das muss man attestieren. Und im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als er der Berliner Zeitung noch im Interview verriet, seine Familie wolle, dass er sich nun von der Bühne mal langsam zurückziehe, macht er hier den Eindruck, als habe er das noch lange nicht vor.
Er habe gute Gene, sein Vater stolziere im Alter von 95 noch flotter als seine Nachkommen durch die Welt, und er selbst würde sich freuen, auch mit 80 noch seinen Geburtstag auf der Bühne mit seinen Fans feiern zu können, erzählt Bohlen. Denn sie seien diejenigen, die in 40 Jahren Karriere immer zu ihm gehalten hätten, während die Presse ihn immer wieder fertig gemacht und Radiosender seine Hits blockiert hätten. Aus diesem Grund, aus Dank für ihre Treue, habe er auch extra für diesen Abend ein Lied komponiert, „Für all eure Jahre“, es sei erst am Mittag fertig geworden.
Ein bisschen danach hört es sich auch an, doch die Fans, vor allem ein Ü-50-Publikum, das sich für den Geburtstag herausgeputzt hat mit viel Glitzerelementen und teils frisch gekrepptem Haar, sie lieben es. Die Frauen sind hier leicht in der Überzahl, aber es gibt auch viele Pärchen, und fast alle zücken zu Konzertbeginn ihr Handy, um die Stimmung für immer einzufangen, und sie bleiben fast die ganze Zeit über im Saal stehen, um mitzuwippen. Zwischendurch regnet es Silberkonfetti von der Decke, und man hat gar den Eindruck, als sei man bei einem richtig guten Konzert, denn die Menge ist selig und alles ist gut. Am meisten begeistert das Publikum das Lied „My bed is too big“, da rasten auch die letzten Herren aus und schwingen ihre Hüften.
Am Ende stehen Bianca, Simone und Claudia noch im Vorsaal und kommen in Schwärmen, wenn sie davon berichten, wie sie Dieter Bohlen kennengelernt haben: Vor über 40 Jahren, sie waren damals noch Kinder und Teenies, zu Zeiten von „Modern Talking“. Dieser komische Thomas Anders habe sie damals schon nicht interessiert, sie weinen ihm keine Träne nach, aber der Dieter, der sei so „echt“. Ein direkter Mensch, „der sagt, was er denkt“, „der verstellt sich nicht“, „der ist so geblieben, wie er war“, sagen die Damen im Alter von 44 bis 56 Jahren. Schon bei seinem Konzert in Dessau waren die Freundinnen aus Lutherstadt in Wittenberg dabei, 1991 war das, und seitdem immer wieder, und auch jedes DSDS wird geschaut. Dass er für seine Fans an diesem Abend, seinem so runden Geburtstag, extra ein eigenes Lied geschrieben hat, rührt sie. Es sei eine „schöne Geste“: „Er gibt was zurück“, sagt Bianca.
Im Sommer geht Dieter Bohlen auf Open-Air-Tour unter dem Motto "40 Jahre Modern Talking" - auf historischen Plätzen, in Burgen, Schlössern und am Wasser. Tickets dazu sind über die bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich.
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