Der pflegende Angehörige Jochen Springborn aus Berlin war Anfang November von Karl Lauterbach (SPD) ins Gesundheitsministerium (BMG) eingeladen worden. Auf die Nachfrage beim BMG, was aus dem Treffen geworden ist und ob sich der Minister angesichts der seit der Tariferhöhung in der Pflege noch deutlich prekärer gewordenen Situation vieler pflegender Angehöriger zu Änderungen und Hilfe inspiriert fühlt, antwortet sein Sprecher wie folgt:

„Der Minister hatte Herrn Springborn ein Treffen nach einem gemeinsamen Auftritt in einer Talkshow zugesagt. Dabei wurde das Gespräch vertieft, das sie nach der Sendung begonnen hatten. Wichtig ist zunächst, dass der Gesetzgeber bereits dafür gesorgt hat, dass die Stimme der pflegenden Angehörigen systematisch gehört wird. So können Interessenorganisationen pflegender Angehöriger seit der letzten Legislaturperiode auch auf Bundesebene aus Mitteln der Pflegeversicherung gefördert werden – hierfür hatte sich auch Minister Lauterbach in seiner Eigenschaft als Abgeordneter eingesetzt. Seit Juli 2020 fördert der GKV-Spitzenverband im Einvernehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. das ‚Projekt Selbsthilfe und Interessenvertretung pflegender Angehöriger in Deutschland‘ im Rahmen der Projektförderung nach § 45d SGB XI. ‚Wir pflegen‘ ist ein wichtiger Ansprechpartner von Politik und Bundesministerium für Gesundheit.“

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Des Weiteren habe es Leistungsverbesserungen für pflegende Angehörige gegeben, die der Gesetzgeber erst im Mai mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz umgesetzt habe und die zu einem großen Teil zum Jahresbeginn in Kraft treten würden.

„Beschäftigte haben danach das Recht“, erklärt der Sprecher, „bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Dies ist in § 2 Pflegezeitgesetz geregelt und wird als kurzzeitige Arbeitsverhinderung bezeichnet.“

Würden die Voraussetzungen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung vorliegen und habe der Beschäftigte für diesen Zeitraum beispielsweise keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber, könne der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld geltend gemacht werden. Das Pflegeunterstützungsgeld wird auf Antrag gewährt.

„Das Pflegeunterstützungsgeld kann von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist damit nicht mehr beschränkt auf insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person. Diese Verbesserung tritt am 1. Januar 2024 in Kraft.“

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Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) würden außerdem zum 1. Juli 2025 die Leistungsbeträge der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege zu einem Gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege gemäß einem neuen § 42a SGB XI zusammengefasst werden. „Damit steht für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege künftig ein kalenderjährlicher Gesamtleistungsbetrag von bis zu 3539 Euro zur Verfügung, den die Anspruchsberechtigten nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können. Die bisherigen unterschiedlichen Übertragungsregelungen entfallen dann und müssen somit nicht mehr beachtet werden.“

„Gleichzeitig werden die geltenden Voraussetzungen bei der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege so weit als möglich angeglichen, wo die Vereinheitlichung dazu dient, den flexiblen Einsatz des Gesamtleistungsbetrags zu ermöglichen und Hindernisse abzubauen. So wird die zeitliche Höchstdauer der Verhinderungspflege auf bis zu acht Wochen im Kalenderjahr angehoben und damit der zeitlichen Höchstdauer der Kurzzeitpflege angeglichen. Gleiches gilt beispielsweise für den Zeitraum der hälftigen Fortzahlung eines zuvor bezogenen (anteiligen) Pflegegeldes sowohl während der Verhinderungspflege als auch während der Kurzzeitpflege.“

Zudem entfalle ab dem 1. Juli 2025 das Erfordernis einer sechsmonatigen Vorpflegezeit vor der erstmaligen Inanspruchnahme von Verhinderungspflege. Damit könne der Anspruch auf Verhinderungspflege – ebenso wie heute bereits der Anspruch auf Kurzzeitpflege – künftig unmittelbar ab Vorliegen von mindestens Pflegegrad 2 genutzt werden.

Begleitet werde dies durch Informations- und Transparenzregelungen, die dazu dienen, dass die Pflegebedürftigen jederzeit im Blick behalten könnten, in welcher Höhe Leistungen über den Gemeinsamen Jahresbetrag abgerechnet werden, ohne dass sie diese Informationen gesondert anfordern müssten. Damit würden das Leistungsrecht und der Leistungsbezug für die Pflegebedürftigen und ihre Pflegepersonen insgesamt besser nachvollziehbar.

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„Schließlich wird die Pflege von Kindern erheblich verbessert, und die Möglichkeiten der Rehabilitation pflegender Angehöriger werden ausgeweitet“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Weitere Ausführungen zu dem Gesetz finden Sie hier.

„Im Übrigen sieht der Koalitionsvertrag Verbesserungen auch bei den Regelungen zur Pflegezeit und Familienpflegezeit sowie die Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige vor. An diesen Themen arbeitet aktuell das Bundesfamilienministerium“, beendet der Sprecher seine Ausführungen.

Das Problem: Bei all diesen genannten Änderungen können etwa Jochen Springborn und seine Frau Anke konkret und aktuell nur in einem einzigen Punkt profitieren: der Angleichung von Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege bei den Abrechnungsmodalitäten.

„Für uns bringt die Regelung etwa 1100 Euro im Jahr mehr für Verhinderungspflege, da wir die Kurzzeitpflege aus persönlichen Gründen nicht nutzen“, sagt Jochen Springborn auf Nachfrage.

Und das ändere auch nichts „an den Grundproblemen, dass es zu wenig Plätze überhaupt und spezielle Plätze für jüngere Betroffene und spezielle Krankheiten überhaupt nicht gibt. Aktuell hat Berlin nach meiner Kenntnis 300 Kurzzeitpflegeplätze für 160.000 Pflegebedürftige“, sagt Springborn.

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„Bei der Tagespflege kenne ich nur die Zahlen für Deutschland. Das sind bei 4,2 Millionen Berechtigten gerade mal 98.000 Plätze. Also eine Deckungsrate unter 2,5 Prozent.“ Der Berliner Ingenieur sagt: „Wir haben einen Rechtsanspruch auf die Betreuung gesunder Kinder im Kindergarten, damit die Eltern arbeiten können. Was gut und richtig ist. Wenn man aber einen Pflegefall in der Familie hat, gibt es diesen Anspruch nicht. Da muss man sehen, wie man allein damit zurechtkommt.“

Auf die nochmalige Nachfrage bei BMG, ob es es fallbezogene konkretere Aussagen oder Pläne gebe, die Situation für berufstätige pflegende Angehörige wie Jochen Springborn zu verbessern, mit dem sich der Minister ja nun extra getroffen hat, kommt keine Antwort mehr.

Dabei hatte Karl Lauterbach selbst in den sozialen Medien ein Foto gepostet, das ihn im Gespräch mit Springborn und dessen Tochter im Ministerium zeigt, dazu den Text: „Habe mich mit Herrn Springborn getroffen. Er pflegt seine MS-kranke Frau liebevoll mit hoher Qualität seit 1993. Vollzeit berufstätig, liegt Eigenanteil für zusätzlichen Pflegedienst bei 2850 Euro im Monat. Wir brauchen eine Reform der Finanzierung der Pflegeversicherung, das ist klar.“

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Springborn selbst weist auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Dann gibt es ja noch die Erhöhung der Leistungen der Pflegeversicherung ab Januar 2024 um fünf Prozent. Das macht bei reinen Pflegegeldempfängern eine Steigerung je nach Pflegegrad zwischen 15,80 und 48 pro Monat aus. Als Ausgleich für alle Preissteigerungen der letzten sechs Jahre. Bei Sachleistungsbeziehern, so wie wir es sind, beträgt die Erhöhung zwischen 30 und 104 Euro pro Monat. Wir bekommen also 104 Euro mehr und haben 850 Euro Mehrkosten im Monat, bei reduzierter Leistung.“

Hintergrund ist das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) aus dem Jahr 2021, das Jens Spahn (CDU) als damaliger Gesundheitsminister noch durch das Parlament gebracht hatte, obwohl es äußerst umstritten war. Spahn erklärte damals, es mache „mit höheren Löhnen, mehr Kompetenzen und mehr Kolleginnen und Kollegen“ den Pflegeberuf attraktiver. „Gleichzeitig entlasten wir Pflegebedürftige und ihre Familien in Milliardenhöhe.“ Davon ist nun für die Familie Springborn aus Köpenick nur noch wenig zu spüren.

QOSHE - Das sagt das Bundesgesundheitsministerium zum Thema pflegende Angehörige - Ruth Schneeberger
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Das sagt das Bundesgesundheitsministerium zum Thema pflegende Angehörige

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24.11.2023

Der pflegende Angehörige Jochen Springborn aus Berlin war Anfang November von Karl Lauterbach (SPD) ins Gesundheitsministerium (BMG) eingeladen worden. Auf die Nachfrage beim BMG, was aus dem Treffen geworden ist und ob sich der Minister angesichts der seit der Tariferhöhung in der Pflege noch deutlich prekärer gewordenen Situation vieler pflegender Angehöriger zu Änderungen und Hilfe inspiriert fühlt, antwortet sein Sprecher wie folgt:

„Der Minister hatte Herrn Springborn ein Treffen nach einem gemeinsamen Auftritt in einer Talkshow zugesagt. Dabei wurde das Gespräch vertieft, das sie nach der Sendung begonnen hatten. Wichtig ist zunächst, dass der Gesetzgeber bereits dafür gesorgt hat, dass die Stimme der pflegenden Angehörigen systematisch gehört wird. So können Interessenorganisationen pflegender Angehöriger seit der letzten Legislaturperiode auch auf Bundesebene aus Mitteln der Pflegeversicherung gefördert werden – hierfür hatte sich auch Minister Lauterbach in seiner Eigenschaft als Abgeordneter eingesetzt. Seit Juli 2020 fördert der GKV-Spitzenverband im Einvernehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. das ‚Projekt Selbsthilfe und Interessenvertretung pflegender Angehöriger in Deutschland‘ im Rahmen der Projektförderung nach § 45d SGB XI. ‚Wir pflegen‘ ist ein wichtiger Ansprechpartner von Politik und Bundesministerium für Gesundheit.“

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Des Weiteren habe es Leistungsverbesserungen für pflegende Angehörige gegeben, die der Gesetzgeber erst im Mai mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz umgesetzt habe und die zu einem großen Teil zum Jahresbeginn in Kraft treten würden.

„Beschäftigte haben danach das Recht“, erklärt der Sprecher, „bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit........

© Berliner Zeitung


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