„Der Artikel hat mich zutiefst getroffen. Als ich ihn las, ist mir übel geworden, danach litt ich für einige Zeit unter Schlaflosigkeit und Niedergeschlagenheit.“ Das waren die Worte unserer Kolumnistin Hanna Lakomy am Dienstag vor dem Bezirksgericht in der Schweizer Metropole Zürich. Aber was war diesem emotionalen Statement vorausgegangen?

Hanna Lakomy alias Salomé Balthus, Autorin der Berliner Zeitung am Wochenende, die in ihrer Kolumne „Nachtgesichter“ regelmäßig über ihr Leben als Prostituierte schreibt, hatte sich 2019 mit dem Autor und Journalisten Roman Zeller in Berlin getroffen. Zeller, Mitglied der Chefredaktion der Schweizer Zeitschrift Die Weltwoche, habe sie für ein sogenanntes Kennenlerngespräch angefragt. Ein Treffen für ein Porträt oder ein Interview habe sie aber ausdrücklich abgelehnt, so Lakomy. Doch Zeller habe ihre Bedingung ignoriert und ein Porträt über sie verfasst, das am 5. Dezember 2019 in der Weltwoche publiziert wurde.

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Lakomy hat die Zeitschrift deshalb wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung verklagt, Roman Zeller sagte bei der Gerichtsverhandlung als Zeuge aus. Er betonte, dass er bei dem Treffen in der Paris Bar auf der Kantstraße in Berlin das vereinbarte Honorar von 1000 Euro bezahlt habe, Lakomy aber sehr wohl darüber informiert habe, dass er über das Gespräch mit der Prostituierten schreiben werde. „Ich habe ihr sogar angeboten, die Begegnung abzubrechen, wenn sie damit nicht einverstanden sei. Stattdessen haben wir dann noch drei Stunden weitergesprochen.“

Aufnahmen oder Notizen habe er nicht gemacht, so der Journalist. Auch habe er den fertigen Text Hanna Lakomy nicht vorgelegt, schließlich habe diese nicht darum gebeten. Dass Lakomy dem Porträt nicht zugestimmt hatte, spielte für Zeller offenbar keine Rolle. Eine Karte zu Weihnachten schickte er der Porträtierten indes trotzdem: „Du hast mich beeindruckt, weshalb ich unbedingt darüber schreiben wollte – ich hoffe, du bist mir nicht böse.“

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Lakomy jedoch war keineswegs glücklich über den Text, Zeller habe ihr viele Zitate in den Mund gelegt, die sie nie gesagt habe. Auch habe sie während des Gesprächs nicht über andere Kunden gesprochen, oder darüber, dass sie in ihrer Kindheit gemobbt worden sei und während ihres Studiums häufig Sex mit älteren Männern gehabt habe, wie der Schweizer Tages-Anzeiger am Dienstag berichtete.

Lakomy fordert von der Zeitschrift eine Entschädigung von 5000 Franken, circa 5300 Euro, sowie die Veröffentlichung des Urteils im Heft. Zudem verlangt sie die Herausgabe des Gewinns, den das Schweizer Wochenmagazin mit Zellers Porträt erzielt haben soll. Doch die Rechtsangelegenheit ist noch nicht erledigt, denn das Zürcher Bezirksgericht ließ am Dienstag offen, wann es ein Urteil fällen wird.

QOSHE - Hanna Lakomy und die Weltwoche: Ein Porträt wider Willen - Marcus Weingärtner
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Hanna Lakomy und die Weltwoche: Ein Porträt wider Willen

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06.02.2024

„Der Artikel hat mich zutiefst getroffen. Als ich ihn las, ist mir übel geworden, danach litt ich für einige Zeit unter Schlaflosigkeit und Niedergeschlagenheit.“ Das waren die Worte unserer Kolumnistin Hanna Lakomy am Dienstag vor dem Bezirksgericht in der Schweizer Metropole Zürich. Aber was war diesem emotionalen Statement vorausgegangen?

Hanna Lakomy alias Salomé Balthus, Autorin der Berliner Zeitung am Wochenende, die in ihrer Kolumne „Nachtgesichter“ regelmäßig über ihr Leben als Prostituierte schreibt, hatte sich 2019 mit dem Autor und Journalisten Roman Zeller in Berlin getroffen. Zeller, Mitglied der Chefredaktion der Schweizer Zeitschrift Die Weltwoche, habe sie für ein sogenanntes Kennenlerngespräch........

© Berliner Zeitung


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