Als Frau darf man über seinen Körper selbst bestimmen, so wie Männer, Alte und Kinder. Natürlich, das klingt logisch und selbstverständlich. Es stimmt nur leider nicht. In dem Moment, in dem eine Frau schwanger ist, bestimmen andere. Dann sagt plötzlich der Gesetzgeber und damit der ganze Rest der Gesellschaft, was eine Frau zu tun hat. Sie hat nun dieses Kind zu bekommen, denn der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Deutschland im Jahre 2024 noch immer verboten, wenn er auch unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt.

Das ist eine Frechheit und ein Akt von Fremdbestimmung über den weiblichen Körper, und zwar nur über den weiblichen. Das Recht auf den eigenen Körper gilt plötzlich nicht, wenn es einen schwangeren Bauch betrifft. Die reproduktiven Rechte von Frauen sind eingeschränkt. Abgesehen davon ist die derzeitige Rechtslage auch nicht schlüssig, denn zur Begründung wird auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes verwiesen. Würde dieser Gedanke in aller Konsequenz umgesetzt, dürfte überhaupt keine Schwangerschaft abgebrochen werden – nicht nach Vergewaltigung, nicht bei gesundheitlichen Einschränkungen des Embryos und auch nicht bei Gefahr für das Leben der Frau.

Kommission empfiehlt Entkriminalisierung früher Abtreibungen

•vor 7 Std.

Macron: Recht auf Abtreibung soll in EU-Grundrechtecharta

08.03.2024

Der aktuelle Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat jetzt diese ganze verquere Situation rund um das Thema Abtreibung in Deutschland wieder auf den Tisch gebracht. Der Bericht liest sich trotz aller zurückhaltenden und abwägenden Positionierung der beteiligten Wissenschaftler wie eine Anklageschrift gegen den derzeitigen Zustand.

Gleichwohl sind die Lobbygruppen, allen voran die katholische Kirche, noch genauso unbeirrt wie vor 31 Jahren, als die Fristenlösung aus dem DDR-Recht mit dem bundesdeutschen Abtreibungsverbot zum jetzigen Zustand – illegal, aber straffrei nach erfolgter Beratung und unter Umständen – zusammengeschraubt wurde.

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Für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken zeigt sich die Präsidentin Irme Stetter-Karp nun „irritiert“. Mit dem Kommissionsbericht werde „ohne Not an den Pfeilern des Paragrafen 218 StGB gesägt“. Das „Konzept der doppelten Anwaltschaft für Frau und Kind, das diesem Paragrafen zugrunde liegt“, habe sich bewährt. Das ZdK fordert die Beibehaltung des bestehenden Rechts und der damit verbundenen Beratungspflicht.

Ja, so hätten sie es gern. Man spürt regelrecht, wie im eigenen Inneren bei diesen Worten eine Wut hochsteigt, die offenbar irgendwo tief unten begraben lag. Denn natürlich ist es nicht so, wie die eigene Tochter – mittlerweile eine junge Frau – unlängst unterstellte, dass wir Frauen uns mit dem bestehenden Abtreibungsrecht damals abgefunden hätten. Nein. Viele von uns – in Ost wie West – waren vor 31 Jahren schon genauso der Ansicht, dass Abtreibungen in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft legal sein sollten und in den Wochen danach bis zur selbstständigen Lebensfähigkeit des Ungeborenen je nach Indikation und Umständen unter Einschränkungen möglich.

Wir empfinden die Beratungspflicht als Entmündigung – als ob eine Frau, die sich zur Abtreibung entschließt, nicht ganz von allein unzählige Male hin- und herüberlegen würde. Ganz sicher macht sich niemand eine solche Entscheidung leicht. Das weiß jede Frau, die schon einmal schwanger war. Der Kompromiss, zu dem das deutsche Recht verbogen wurde, konnte überhaupt nur deshalb so lange bestehen, weil de facto Abtreibungen trotz Strafrechtsparagrafen möglich waren und sind.

Der Preis ist allerdings hoch. Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, stehen mit einem Fuß in der Illegalität und müssen sich rechtfertigen. Frauen fühlen sich entwertet und gegängelt. Krankenkassen weigern sich in vielen Fällen, für den Abbruch zu zahlen.

Das alles muss sich ändern. Die Rechtslage war immer unsauber. Mittlerweile ist sie aber auch noch vollkommen aus der Zeit gefallen und geht an allen gesellschaftlichen Entwicklungen zu mehr Selbstbestimmung vorbei.

Der mehr als 600 Seiten starke Bericht der Kommission, der 18 unabhängige Expertinnen und Experten aus Medizin, Psychologie und Soziologie angehörten, spaltet nicht. Er trägt Wissen zusammen, die Debatte ist nämlich längst da. Und da hilft es nicht, wenn vonseiten der Unionsparteien behauptet wird, dass Frauen auch nach der jetzigen Regelung ein Recht auf Abtreibung hätten. Das Recht haben sie nämlich gerade nicht. Dieser Umstand müsste dringend verfassungsrechtlich, völkerrechtlich und europarechtlich überprüft werden, sollten die politisch Handelnden nicht von alleine ein legales Abtreibungsrecht schaffen.

Ein Gutes hat also dieser Bericht, er holt das Thema zurück in die gesellschaftliche Auseinandersetzung, wo es dringend wieder hingehört. Allerdings ist zu befürchten, dass sich aus Angst vor gesellschaftlicher Spaltung auch diesmal nichts ändert, denn das Thema lässt sich von interessierter Seite recht einfach zum Kulturkampf aufblasen. Das allerdings ist eine Ausrede. Die Hälfte der Gesellschaft ist weiblich. Diese Hälfte sollte sich solcherlei Zumutungen und Ausreden nicht länger bieten lassen.

QOSHE - Illegal, aber straffrei: Die Entmündigung von Frauen beim Thema Abtreibung muss enden - Julia Haak
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Illegal, aber straffrei: Die Entmündigung von Frauen beim Thema Abtreibung muss enden

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15.04.2024

Als Frau darf man über seinen Körper selbst bestimmen, so wie Männer, Alte und Kinder. Natürlich, das klingt logisch und selbstverständlich. Es stimmt nur leider nicht. In dem Moment, in dem eine Frau schwanger ist, bestimmen andere. Dann sagt plötzlich der Gesetzgeber und damit der ganze Rest der Gesellschaft, was eine Frau zu tun hat. Sie hat nun dieses Kind zu bekommen, denn der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Deutschland im Jahre 2024 noch immer verboten, wenn er auch unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt.

Das ist eine Frechheit und ein Akt von Fremdbestimmung über den weiblichen Körper, und zwar nur über den weiblichen. Das Recht auf den eigenen Körper gilt plötzlich nicht, wenn es einen schwangeren Bauch betrifft. Die reproduktiven Rechte von Frauen sind eingeschränkt. Abgesehen davon ist die derzeitige Rechtslage auch nicht schlüssig, denn zur Begründung wird auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes verwiesen. Würde dieser Gedanke in aller Konsequenz umgesetzt, dürfte überhaupt keine Schwangerschaft abgebrochen werden – nicht nach Vergewaltigung, nicht bei gesundheitlichen Einschränkungen des Embryos und auch nicht bei Gefahr für das Leben der Frau.

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Macron: Recht auf Abtreibung soll in........

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