Kurz vor der Eröffnung der Grünen Woche in Berlin – der größten Ernährungsmesse der Welt – hat sich der Ton der Landwirte gegenüber der Ampel-Regierung noch einmal verschärft. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes kündigte weitere massive Proteste an, sollte die Ampel die Kürzungen bei der Subventionierung des Agrardiesels nicht zurücknehmen.

„Die Bauernfamilien wurden von der Regierung auf die Straße getrieben, die Regierung trägt die Verantwortung für diese Demonstrationen“, sagte Joachim Rukwied am Mittwoch auf dem Messegelände unterm Funkturm. „Sollte die Erhöhung der unsäglichen Steuern nicht zurückgenommen werden, werden die Bauern wieder auf die Straßen zurückkehren.“

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Die Erhöhung sei eine einseitige Belastung der heimischen Landwirtschaft. Wenn die Regierung stur bleibe, würden hiesige Bauern neben den niederländischen den teuersten Agrardiesel haben. „Das wäre ein eklatanter Wettbewerbsnachteil.“ Vorerst liege der Spielball bei der Ampel. Deshalb hätte der Bauernverband für den Eröffnungsrundgang von Agrarminister Cem Özdemir (Die Grünen) am Freitag auch keine Protestaktionen geplant. „Wir setzen erst mal auf Verhandlungen.“

Ganz anders sieht es der konkurrierende Verband der Freien Bauern, der am 8. Januar am Brandenburger Tor eine Großdemo mit fast 700 Fahrzeugen veranstaltet hatte. Die Freien Bauern vertreten anders als der größere Bauernverband nur Familienbetriebe. „Wir werden zur Eröffnung, wenn die anderen drinnen auf der Grünen Woche Sekt trinken, draußen protestieren“, sagte Reinhard Jung, Politikreferent der Freien Bauern, der Berliner Zeitung. „Wir planen draußen eine Rundfahrt mit Traktoren.“ Noch immer würden einige protestierende Landwirte auf der Straße des 17. Juni ausharren. Andere werden dazukommen. „Es werden nicht so viele Traktoren wie an diesem Montag nach Berlin kommen, aber die Landwirte werden wieder sichtbar sein in der Stadt.“

Für Donnerstag und Freitag ruft der Bundesverband für Logistik und Verkehr (BLV-pro) zu einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor auf. Sie beginnt am Donnerstag mit einer Sternfahrt durch Berlin. Bei einer Mahnwache wollen die Fahrer in ihren Trucks übernachten. Bei einer Kundgebung am Freitag ab 12 Uhr will Bayerns stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor dem Brandenburger Tor sprechen.

Joachim Rukwied vom größeren Bauernverband erinnerte auf dem Messegelände daran, dass es die größten Bauernproteste seit dem Ende der DDR seien. „In der Aktionswoche der Landwirte seien mehr als 100.000 Menschen auf mehr als 1000 Veranstaltungen gewesen.“ Er sagte, dass sich der Mittelstand den Protesten angeschlossen habe und keine weiteren Belastungen wolle.

Etwa zur gleichen Zeit hat die Ampelregierung die von Agrarminister Cem Özdemir vorgelegte Ernährungsstrategie „Gutes Essen für Deutschland“ beschlossen. Der Minister sagte, es gehe um gute und nachhaltige Ernährung. „Gut zwei Drittel der Männer, ungefähr die Hälfte der Frauen und fast jedes sechste Kind in Deutschland sind übergewichtig“, sagte er. „Ich möchte den Leuten nicht vorschreiben, was sie essen sollen. Ich möchte dafür sorgen, dass es für alle Menschen in Deutschland möglich ist, sich gut und gesund zu ernähren – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Herkunft.“

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sprach von einem „wohlklingenden, aber weitgehend folgenlosen Papier“. Auch die Deutsche Umwelthilfe will eine härtere Gangart und kritisierte: „Die Bundesregierung legt Scheinlösungen vor, wirksame Maßnahmen fehlen.“ Außerdem sei unklar, wie alles finanziert werden solle. Die Strategie sei unzureichend, sie müsse nachgeschärft werden, um „eine echte Transformation des Ernährungssystems anzustoßen“.

Hingegen wendet sich die Lebensmittelindustrie gegen weitere Vorschriften. Christoph Minhoff von der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE) sprach sich dagegen aus, dass die Regierung weiter versucht, der Wirtschaft detaillierte Vorschriften in ihren Kerngeschäften zu machen. Özdemirs Plan nannte er ein „Manifest an ideologisch unterfütterter Bevormundung“.

Der Präsident des Bauernverbandes äußerte sich auch zur Ausweitung der Bauernproteste in Europa. Am Dienstag habe der Dachverband von 60 europäischen Bauernverbänden getagt, sagt Rukwied. Es wurde auch angeboten, dass Bauern aus anderen Ländern nach Deutschland kommen. „Es gibt Überlegungen, in einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu protestieren.“

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Immer wieder wird die Befürchtung geäußert, dass nun mehr Bauern auch AfD wählen würden, obwohl die alle Agrarsubventionen streichen will. Dazu sagte Rukwied, der auch Mitglied der CDU ist: „Man hat von Anfang an versucht, unserem legitimen und legalen, ordentlichen und friedlichen Protest zu delegitimieren, in dem man versucht hat, uns in die rechte Ecke zu stellen. Ich sage in aller Deutlichkeit: Wir stehen zum Grundgesetz. Wir sind überzeugte Europäer.“ Europa werde aber nur stark sein, wenn eine starke Demokratie das Fundament sei. Und eine stabile Versorgung mit Lebensmitteln sei eine wichtige Säule für eine funktionierende Demokratie. „Wir sind gestandene Demokraten, da ist nicht ansatzweise die Gefahr einer extremistischen Unterwanderung.“

Der Verband der Ernährungsindustrie will vor der Wahl zum Europaparlament eine Kampagne starten. BVE-Chef Christoph Minhoff sagte: „Wir werden deutlich machen: Wir wollen keine nationalistische, anachronistische, fremden- und europafeindliche, kleinkariert-populistische, russlandhörige, systemfeindliche oder extremistische Alternative für Europa.“

QOSHE - Drinnen Sekt, draußen Traktoren: Bauern planen Protest zur Grünen Woche - Jens Blankennagel
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Drinnen Sekt, draußen Traktoren: Bauern planen Protest zur Grünen Woche

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17.01.2024

Kurz vor der Eröffnung der Grünen Woche in Berlin – der größten Ernährungsmesse der Welt – hat sich der Ton der Landwirte gegenüber der Ampel-Regierung noch einmal verschärft. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes kündigte weitere massive Proteste an, sollte die Ampel die Kürzungen bei der Subventionierung des Agrardiesels nicht zurücknehmen.

„Die Bauernfamilien wurden von der Regierung auf die Straße getrieben, die Regierung trägt die Verantwortung für diese Demonstrationen“, sagte Joachim Rukwied am Mittwoch auf dem Messegelände unterm Funkturm. „Sollte die Erhöhung der unsäglichen Steuern nicht zurückgenommen werden, werden die Bauern wieder auf die Straßen zurückkehren.“

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