Wir schaffen das. Wir haben es vergangenes Jahr ja auch geschafft: Da waren wir ebenfalls mehr als eine Million. Es geht um Radfahrer, die auf der Karl-Marx-Allee zum Alexanderplatz rollen. Ich kenne die Zahlen ganz genau, denn ich schaue jeden Morgen bei der Fahrt zur Arbeit auf die Fahrradzählstelle am Straßenrand.

Sie hat die Kennung 01-MI-AL-W und ist sogar ein spezielles „Fahrradbarometer“. Das heißt: Das Gerät zählt nicht nur heimlich vor sich hin, sondern zeigt auch noch gut sichtbar an, wie viele Radler wir denn so sind.

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Derzeit gibt es in Berlin 18 Standorte mit 28 Zählstellen, denn manchmal wird auf beiden Seiten des Weges gemessen. Die Zahlen sollen helfen, den Bedarf und die Wirksamkeit der „Fahrradinfrastrukturmaßnahmen“ zu klären: Wie viele Leute radeln dort am Morgen oder am Abend entlang, in einer Frostnacht oder an einem Tropennachmittag? Werden es über die Jahre immer mehr? Sind die Radwege breit genug?

Mein Barometer arbeitet seit dem 16. Dezember 2021. Drauf geachtet aber habe ich erst ab vergangenem Herbst. Seither schaue ich jeden Tag drauf. Derzeit ist der Gesamtbalken noch recht weit unten. Es ist ein mühsames Geschäft. Aber im vergangenen Jahr standen wir am 7. November auch erst bei 900.000, am 28. Dezember jedoch, als ich die Nr. 193 des Tages war, hatten wir für das gesamte Jahr die Million geknackt.

Die Tageswerte schwanken extrem, obwohl ich immer zu einer ähnlichen Zeit durch die Lichtschranke fahre: 9. Oktober, es ist regnerisch-grau, ich bin Nr. 90. Neun Tage später ist das Wetter gut, ich bin Nr. 1252. Am nächsten Tag wieder Regen, ich nur noch Nr. 824. Aber nun geht es kräftig aufwärts: Am 13. März, einem strahlend schönen Frühlingstag, bin ich Nr. 2241.

gestern

gestern

•vor 30 Min.

Diese Woche habe ich mir etwas Besonderes gegönnt: Nachts auf dem Nach-Hause-Weg war ich in der Nähe, fuhr also einen kleinen Umweg und kam genau um 23.58 Uhr dort an. Ich war ganz allein: der letzte Radfahrer dieses Tages, Nr. 2462. Und weil es so schön war, wendete ich, wartete noch kurz und fuhr um 00.01 Uhr gleich noch mal vorbei. Das war zwar ein wenig geschummelt, aber ich wollte einmal der allerletzte und der allererste sein.

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Als ich knapp acht Stunden später wieder dort entlang zur Arbeit fuhr, war ich so gar nicht mehr allein. Ich wurde am Kino International von 27 Radfahrern überholt. Alle hatten es eilig, ich hatte Zeit, ich wollte noch aufs Barometer schauen. Ich war Nr. 962. Das ist noch nicht allzu viel, aber es ist kalt derzeit. Und der Frühling hat ja gerade erst begonnen – trotzdem stehen wir schon bei 225.000. Wir schaffen das.

QOSHE - Big Brother auf Berliner Straßen: Die Radfahrer werden gezählt - Jens Blankennagel
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Big Brother auf Berliner Straßen: Die Radfahrer werden gezählt

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22.04.2024

Wir schaffen das. Wir haben es vergangenes Jahr ja auch geschafft: Da waren wir ebenfalls mehr als eine Million. Es geht um Radfahrer, die auf der Karl-Marx-Allee zum Alexanderplatz rollen. Ich kenne die Zahlen ganz genau, denn ich schaue jeden Morgen bei der Fahrt zur Arbeit auf die Fahrradzählstelle am Straßenrand.

Sie hat die Kennung 01-MI-AL-W und ist sogar ein spezielles „Fahrradbarometer“. Das heißt: Das Gerät zählt nicht nur heimlich vor sich hin, sondern zeigt auch noch gut sichtbar an, wie viele Radler wir denn so sind.

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13.04.2024

Derzeit gibt es in Berlin 18 Standorte mit 28 Zählstellen, denn........

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