So eine bestens organisierte Gala des Europäischen Fußballverbandes (Uefa) ist in der Regel ein Beispiel an Perfektion. Das war es weitgehend auch am Samstagabend im verschneiten Frankfurt, hoch droben in der monumentalen Elbphilharmonie, die von Schneeflocken umrieselt noch anmutiger am Elbeufer zu stehen scheint als sowieso. Aber dann kam es doch zu einer außerplanmäßigen Entscheidung. Denn der schottische Trainer, Mister Steve Clarke aus Saltcoast, einem zugigen Küstenort südwestlich von Glasgow, war nirgendwo aufzutreiben.

Der gute Mann hatte den großen Saal der „Elphi“ nämlich bereits verlassen und reagierte auch nicht auf Lautsprecherdurchsagen, sodass das obligatorische Gruppenfoto ohne den 60-Jährigen stattfinden musste. Also gesellten sich Julian Nagelsmann (Deutschland), Marco Rossi (einst Eintracht Frankfurt, jetzt Ungarn) und Murat Yakin (Schweiz) halt zu dritt auf die Bühne und ließen sich geduldig lächelnd ablichten.

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Dabei wäre Clarke, der später in der Interviewzone derart schottische Antworten auf die Fragen der Medien gab, dass kaum ein deutscher Journalist sie jemals hätte verstehen können, doch der wichtigste Mann gewesen. Denn Schottland wird im Eröffnungsspiel in München am 14. Juni der deutsche Auftaktgegner bei der Europameisterschaft 2014 sein. Besser hätte sich das wohl kaum zutragen können.

Die trinkfreudigen Schotten (und sicher auch ein paar Schottinnen), allesamt europaweit bekannte Feierbiester, die allseits gute Laune verbreiten, machen die bayerischen Biergärten froh, und ja, sie machen auch die um Bestimmung bemühten, emsigen EM-Organisatoren froh. So wie Julian Nagelsmann.

Das konnte der Bundestrainer so deutlich natürlich nicht sagen, er sah aber recht zufrieden aus, wiewohl er ziemlich unpässlich war. Hinabgerissen von einer Erkältung, musste ihm am Morgen noch gewahr werden, dass der Flughafen in München nicht imstande sein würde, ihm zeitig Zugang zu einem Flieger ins ferne Hamburg zu gewähren. Zu viel Schnee war dort gefallen, noch mehr jedenfalls als in der Hansestadt. Der Airport „Franz Josef Strauß“ hatte dichtgemacht, und so machte sich der sichtlich kränkelnde Nagelsmann höchstpersönlich am Steuer über die deutschen Autobahnen auf die Süd-Nord-Tour, acht Stunden lang einmal durchs ganze Land von unten nach oben – und erschien tatsächlich pünktlich zur Veranstaltung.

„Wir hatten noch überlegt, ob er nicht besser zu Hause bleibt“, berichtete Sportdirektor Rudi Völler. Nagelsmann hätte ins Bett gehört. Aber wie hätte das ausgesehen? Ausgerechnet der deutsche Nationaltrainer fehlt, noch dazu in dieser ohnehin angespannten Situation. Turnierdirektor Philipp Lahm jedenfalls goutierte Nagelsmanns Engagement. Alles andere, das war herauszuhören, hätte Lahm weniger lustig gefunden. Er war, wie auch Völler, bereits am Vortag in Hamburg eingetroffen.

In den opulenten Gewölben der Elbphilharmonie wurden Nagelsmann und mehreren hundert Gästen (es hatte wegen der Witterung zahlreiche Absagen gegeben) vorgeführt, wie Teamarbeit aussehen kann: Star-Geiger David Garrett und Tenor Jonas Kaufmann, gemeinsam mit dem Bundesjugendorchester, dem Bundesjugendchor und dem Bundes-Jazzorchester – das war ganz großes Kino. Ungleich größeres jedenfalls als die deutsche Nationalmannschaft zuletzt auf Fußballplätzen geboten hatte.

Die spielt, so ergab es die Verlosung, bei der Euro 2024 nach dem Auftakt am 14. Juni gegen Schottland, dann noch am 19. Juni in Stuttgart gegen Ungarn und am 23. Juni in Frankfurt gegen die Schweiz. Nicht super leicht, aber auch längst nicht so schwer, wie es etwa Ralf Rangnick mit Österreich erwischt hat, dem Frankreich und die Niederlande zugeteilt wurden. Rangnick nahm es tapfer zur Kenntnis.

Nagelsmann seinerseits sprach ein wenig in Rätseln, als er ankündigte, es werde Veränderungen „in der Struktur“ im DFB-Team geben und „in der Art und Weise, wie wir auftreten“. Das würde „inhaltliche Bereiche, aber auch das Gefüge ein bisschen betreffen“, er habe inzwischen „eine klare Meinung zu allen Spielern“. Man könne gewiss sein: Es würden Entscheidungen „im Sinne der Sache“ werden. Mehr wollte der 37-Jährige nicht kundtun. Dazu, erklärte er, sei eine Auslosung nicht der richtige Anlass. Umso gespannter darf man auf seinen Auftritt im ZDF-Sportstudio am 16. Dezember sein.

Und noch viel gespannter dann auf die Testspiele im März in Lyon gegen Frankreich und danach, mit hoher Wahrscheinlichkeit in Frankfurt, gegen die Niederlande. Ralf Rangnick wird sicher seine Scouts vorbeischicken. Julian Nagelsmann übrigens begab sich noch in der Nacht zurück ins heimische München. Diesmal wurde er gefahren.

QOSHE - EM-Gruppenauslosung: Besser hätte es für Deutschland kaum laufen können - Jan Christian Müller
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EM-Gruppenauslosung: Besser hätte es für Deutschland kaum laufen können

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03.12.2023

So eine bestens organisierte Gala des Europäischen Fußballverbandes (Uefa) ist in der Regel ein Beispiel an Perfektion. Das war es weitgehend auch am Samstagabend im verschneiten Frankfurt, hoch droben in der monumentalen Elbphilharmonie, die von Schneeflocken umrieselt noch anmutiger am Elbeufer zu stehen scheint als sowieso. Aber dann kam es doch zu einer außerplanmäßigen Entscheidung. Denn der schottische Trainer, Mister Steve Clarke aus Saltcoast, einem zugigen Küstenort südwestlich von Glasgow, war nirgendwo aufzutreiben.

Der gute Mann hatte den großen Saal der „Elphi“ nämlich bereits verlassen und reagierte auch nicht auf Lautsprecherdurchsagen, sodass das obligatorische Gruppenfoto ohne den 60-Jährigen stattfinden musste. Also gesellten sich Julian Nagelsmann (Deutschland), Marco Rossi (einst Eintracht Frankfurt, jetzt Ungarn) und Murat Yakin (Schweiz) halt zu dritt auf die Bühne und ließen sich geduldig lächelnd ablichten.

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Dabei wäre Clarke, der später in........

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