Die Auseinandersetzung der großen Stadtrivalen Union und Hertha findet nicht nur auf dem Fußballrasen statt, sondern eben auch abseits des Platzes. So wie an jenem 9. April 2022, als die beiden Berliner Klubs im Olympiastadion aufeinandertreffen. Dabei kommt es zu einer Straftat, die an diesem Donnerstag – also fast zwei Jahre später – vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt wird.

Es war gegen 17 Uhr, als Mirko G. (54), sein Sohn Jeffrey (30) und ein Freund (57) das Stadion betreten. Die Fankleidung ihres Lieblingsvereins Union haben sie noch in der Tasche gelassen. Sie sind sich der potenziellen Gefahr in der „Hertha-Zone“ bewusst.

Doch an einem Bierstand sehen sie Unioner, die sich nicht scheuten, ihre Fan-Kleidung zu tragen. Mirko G., der Vater, setzt mutig seine Union-Mütze auf und geht mit seinem Sohn und seinem Freund zu den anderen Fans, zu den Herthanern und den Unionern. Empfangen wird er von gegnerischen Fans mit dem Satz: „In den Farben getrennt, in der Sache vereint.“ Er ahnt nicht, was nun folgt: Ein plötzlicher Schlag auf den Hinterkopf, jemand entreißt ihm die Mütze.

Tony W. (36), der spätere Angeklagte, läuft mit der Mütze davon, Mirko verfolgt ihn, eine Rangelei beginnt. Mirko geht zu Boden und wird an der Hand verletzt.

Die Verteidigerin räumt die Tat ein, stellt aber zwei Dinge klar. Es handelte sich nicht um räuberischen Diebstahl, der Angeklagte habe die Mütze nur entwendet, um sie wegzuwerfen. Tony W. habe es als Respektlosigkeit angesehen, dass sich Leute in „den Farben des Gegners“ in die Nähe der Ostkurve wagen. Der Angeklagte hatte damals einen Alkoholwert von 1,2 Promille. Nun sagt er: „Es war ein großer Fehler, was dort passiert ist.“

Die Anwältin fährt fort, dass sich ihr Mandant entschuldigt und ein Vergleich angestrebt wird. Schon bald ist klar, dass es zu einer Einigung kommt. Der Angeklagte muss 1800 Euro an das Opfer zahlen.

Erst danach betritt das damalige Opfer den Saal. Mirko G. ist nun der erste Zeuge der Staatsanwaltschaft, die Anklage wegen Körperverletzung und Diebstahls erhebt. Der 54-Jährige sagt: „Meinem Sohn wurde die Mütze entrissen, er hat geschrien, und ich habe einen Schlag auf den Kopf bekommen. In der Masse konnte ich den Angeklagten festhalten und forderte meine Mütze zurück.“

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Er erzählt, dass die Sache dann eskalierte. Sieben oder acht Personen in schwarzer Kleidung näherten sich ihm und traten auf ihn ein. Er kann sich erneut lösen, fordert seine Mütze zurück, dann greift die Polizei ein.

Als nächster Zeuge kommt René O. Der 57-Jährige ist ein Freund des Opfers und bestätigt den Tatverlauf. Weitere Zeugen – wie der Sohn oder ein Polizist – werden vom Gericht nicht mehr in den Zeugenstand gerufen.

Die Staatsanwältin plädiert: „Der Angeklagte hat sich hier schuldig gemacht.“ Es gehe um räuberischen Diebstahl: Die Mütze sei eine Art Trophäe gewesen, die später oft auch gezeigt wird, um gegnerische Fans zu provozieren. Sie fordert sieben Monate Haft.

Die Verteidigerin hingegen plädiert auf einfache Körperverletzung, ein Diebstahl kommt für sie nicht infrage: „Die Sachen, die als Trophäen präsentiert werden, sind Sachen der Ultras und aktiven Fanszene.“ Und diese Auseinandersetzung war keine unter Ultras.

Der Richter spricht den Angeklagten schuldig, aber nicht des Diebstahls, sondern der einfachen Körperverletzung. Zu der Zahlung an das Opfer kommt noch eine Geldstrafe: 90 Tagessätze à 56 Euro. „Die Intention des Angeklagten sah vor, in Selbstjustiz zu handeln.“ Das Tragen der Mütze sei keine Respektlosigkeit, denn ein Stadion sei ein öffentlicher Raum und gehöre nicht irgendwelchen Fangruppen.

QOSHE - Streit zwischen Fans von Hertha und Union: Muss der Täter wegen einer Mütze in Haft? - Ferdinand Hübner
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Streit zwischen Fans von Hertha und Union: Muss der Täter wegen einer Mütze in Haft?

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04.04.2024

Die Auseinandersetzung der großen Stadtrivalen Union und Hertha findet nicht nur auf dem Fußballrasen statt, sondern eben auch abseits des Platzes. So wie an jenem 9. April 2022, als die beiden Berliner Klubs im Olympiastadion aufeinandertreffen. Dabei kommt es zu einer Straftat, die an diesem Donnerstag – also fast zwei Jahre später – vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt wird.

Es war gegen 17 Uhr, als Mirko G. (54), sein Sohn Jeffrey (30) und ein Freund (57) das Stadion betreten. Die Fankleidung ihres Lieblingsvereins Union haben sie noch in der Tasche gelassen. Sie sind sich der potenziellen Gefahr in der „Hertha-Zone“ bewusst.

Doch an einem Bierstand sehen sie Unioner, die sich nicht scheuten, ihre Fan-Kleidung zu tragen. Mirko G., der Vater, setzt mutig seine Union-Mütze auf und geht mit seinem Sohn und seinem Freund zu den anderen Fans, zu den Herthanern und den Unionern. Empfangen wird er von gegnerischen Fans mit dem Satz:........

© Berliner Zeitung


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