Wer wünscht sich nicht manchmal einen Rückzugsort? Einen Bungalow vielleicht, zwischen Wiesen und Wäldern in Brandenburg – oder ein Haus auf dem Land an der Mecklenburgischen Seenplatte. Das kann sich nur nicht jeder leisten. Die Berliner suchten deshalb nach kostengünstigen Alternativen, und sie haben sie gefunden: ein Gartenidyll in S-Bahn-Nähe mit kurzem Anfahrtsweg. Ein solches gibt es sogar in fast jedem Bezirk.

Es gibt insgesamt 877 Kleingartenanlagen in ganz Berlin. 71.000 Parzellen stehen den Berlinern damit zur Verfügung. Wer braucht also schon ein Haus in Brandenburg, wenn der eigene Garten nur wenige Kilometer weit weg sein kann?

Seit Dezember 2023 nehmen die Kleingartenverbände nun wieder Bewerber auf ihre Wartelisten. Wer es auf die Warteliste geschafft hat, muss allerdings mit einer Wartezeit von fünf bis zehn Jahren rechnen. Im Bezirk Lichtenberg hingegen würden Bewerberinnen und Bewerber nicht ganz so lang warten, erklärt Wolfgang Beyer.

Der 70-Jährige ist Vorstandsvorsitzender des Bezirksverbandes der Gartenfreunde in Berlin-Lichtenberg. Seit 25 Jahren arbeitet er im Kleingartenwesen und kennt sich deshalb gut aus: „In Lichtenberg sind wir in der glücklichen Lage, eine Wartezeit von nur zwei bis drei Jahren zu haben. Mit dem neuen Vergabeprozedere geht es noch mehr voran.“

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Ein Pächter kann an zwei Terminen im Jahr seinen Garten kündigen, im Mai und im Herbst. Anschließend wird der Wert des Gartens durch Vertretende des Landesverbandes ermittelt. Dazu gehört jede Bau- und Grünfläche, alles, was dem Garten zugutekommt. Stimmt der Pächter dem Wert zu, ist dies das Signal für Wolfgang Beyer und seine Kollegen. Sie stellen dem Verein der Gartenanlage bis zu zehn potenzielle Erwerber vor. Darauf folgt ein Gespräch mit der Führung des Vereins und dann: „Kriegen sie eine Skizze vom Garten und eine Woche Zeit, ein Konzept zu erarbeiten, wie sie sich den Garten in zwei Jahren vorstellen.“

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Kleingärten werden nur noch an Kleingärtner abgegeben. An solche also, die ein Konzept vorlegen und zeigen, wie sich der Garten in den nächsten zwei Jahren entwickeln soll. „Das Konzept muss keinen Schönheitspreis gewinnen, der Inhalt muss stimmen“, sagt der Vorstandsvorsitzende.

In der Corona-Pandemie stieg die Nachfrage enorm. Die Menschen sehnten sich nach Natur und Freiheit. Außerdem waren Urlaubsreisen stark eingeschränkt. Der Berliner Senat erlaubte es aber, sich im Garten und somit auch in Kleingärten aufzuhalten. Bis zu 2000 Bewerbende habe es damals allein in Lichtenberg gegeben, erzählt Wolfgang Beyer. Dabei gibt es im Bezirk gerade einmal 3000 Kleingärten. „Die Gärten wurden für viele interessant, weil sie gesehen haben, dass die Besitzer eines Kleingartens ins Grüne dürfen.“

Die Listen der Kleingartenverbände wurden dann geschlossen. Inzwischen gelten keine Beschränkungen mehr und Reisen ist in alle Teile der Welt wieder möglich. Die Verbände können ebenfalls wieder planen, so auch Wolfgang Beyer. Nun werden die Interessenten-Jahrgänge 2019–2023 mit einer großen Telefonaktion abgeklappert. Man will herausfinden, wie viele Interessenten es wirklich noch gibt.

Für eine Parzelle muss nicht tief in die Tasche gegriffen werden. Insgesamt kostet ein Kleingarten 62 Cent pro Quadratmeter im Jahr. 35 Cent sei die allgemeine Pacht, 27 Cent kämen für die öffentlich-rechtlichen Lasten dazu, sagt Beyer.

Für die Instandhaltung und Planung gibt es das Bundeskleingartengesetz und den Kleingartenentwicklungsplan, woran sich auch die Gartenfreunde Lichtenberg zu halten haben. „Wer das eine möchte, die niedrigen Pachtbeträge, muss das andere auch mögen, also die Auflagen des Gesetzes“, sagt Wolfgang Beyer. Der Entwicklungsplan wurde hier 2004 ins Leben gerufen. Der aktuelle läuft noch bis 2030. Bis zu diesem Jahr sollen mehr und mehr Kleingärten schwinden. 0,5 Prozent der Fläche soll für sozialen Bau weichen wie Kitas, Sportplätze und Schulen.

Die Aussichten auf eine Parzelle steigen somit nicht wirklich. Wolfgang Beyer und seine Gartenfreunde haben aber einen Plan, um ihr Angebot zu vergrößern: Sie wollen einen Kleingartenpark errichten. „Mit der Entwicklung dieses Kleingartenparks streben wir auch an, dass größere Parzellen von mehreren geteilt werden.“ Denn große Parzellen lassen sich heutzutage nicht mehr gut nutzen. Ein Drittel der Fläche muss gesetzlich mit Obst und Gemüse bepflanzt werden. Das macht heutzutage laut Beyer kaum einer mehr, weil es nicht mehr existenziell ist. Bis zu 1300 neue Parzellen soll der Park bald zählen.

Einen Tipp für den Berliner Senat hat Beyer auch noch: „Vielleicht kommt irgendwann der Senat dahinter, brache Stellen in Kleingärten umzuwandeln. In der Herzbergstraße gibt es einen Haufen Gewerbegebiete, die seit der Wende brachliegen. Warum nicht dort Kleingartenanlagen schaffen?“

Wer sich als Kleingärtner hier nicht an die Regeln hält, dem wird der Vertrag gekündigt. Der Traum von der Kleingartenanlage kann also schneller vorbei sein, als man denkt. Wolfgang Beyer sieht vor allem ein Problem: Wenn aus dem Garten ein Spielplatz gemacht wird. Das könne schnell zu einer Kündigung führen, er möchte „keine Spielgeräte auf Hunderten Quadratmetern – manche Eltern sollten ihre Kinder lieber im Dreck Gemüse anpflanzen lassen. Das ist doch viel gesünder.“

Trotzdem freue sich der Verein über das große Interesse. Vor 15 Jahren war die Lage noch eine ganz eine andere. Die Verbände und Vereine von Kleingartenanlagen haben auf leeren Parzellen gesessen, erzählt Beyer. Maximal 50 Prozent der Gärten waren ausgelastet, heute kaum noch vorstellbar. Und: Während die Mieten in Berlin immer weiter steigen, bleiben bei den Gärten die Preise gleich. Die Beliebtheit der Kleingärten sei auch durch die günstigen Pachtbeträge gestiegen. Beyer meint: Jede Einkommensgruppe sei imstande, sich hier einen Garten zu leisten.

QOSHE - Kleingärten in Berlin: In diesem Bezirk geht es am schnellsten - Ferdinand Hübner
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Kleingärten in Berlin: In diesem Bezirk geht es am schnellsten

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08.04.2024

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