Das Imperium des österreichischen Immobilienentwicklers und einst gefeierten „Wunder-Wuzzis“ René Benko wankt. In Berlin kommt es zum Stopp zahlreicher Projekte des Immobilienmoguls, darunter die Karstadt-Standorte am Hermannplatz und in Wedding. Und auch für Bundeskanzler Olaf Scholz könnte Benko noch eine schwere Hypothek werden – aber dazu gleich mehr.

Während Benko mit aggressiven Immo-Bewertungen immer neues frisches Kapital anlockte und hohe Dividenden auszahlte, bleibt dem Staat bei den Hilfen für die Warenhauskette Galeria nur der Zugriff auf deren Markenrechte und vergängliche Saisonware (z.B. Bekleidung). Die wertvollen Immobilien schirmte Benko in einer separaten Sparte seines Imperiums ab.

Die Zinserhöhungen der Zentralbank haben der Signa-Gruppe des politischen Entrepreneurs Benko, der die Reichen und Mächtigen jeder Couleur umgarnte, zugesetzt. Benko hat sein Vermögen laut eigenen Angaben einst mit dem Ausbau von Dachböden zu Luxuslofts gemacht. Doch nun geht es nicht um Dachböden, sondern um die Prime-Investments in deutschen, österreichischen und norditalienischen Innenstädten. Er verfügt über einige der wertvollsten Immobilien Deutschlands in Städten wie Berlin, Hamburg, München und Düsseldorf. Auch das Chrysler Building in New York gehört zu Benkos Reich.

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Benko, der auch in zahlreiche österreichische Boulevardzeitungen wie Kurier und Krone sowie in den Handelssektor investiert ist, wird wohl Milliardär bleiben, wie der Ökonom an der Universität Innsbruck, Leonhard Dobusch, betont. Denn Benko spielt formal keine Rolle bei Signa im Sinne der Organhaftung. Die Stimmung unter seinen einstigen Geschäftsfreunden und Geldgebern, darunter etwa die Beraterlegende Roland Berger ist hingegen im Keller.

Es ist immer wieder das Gleiche: Solange der Rubel rollt, interessiert sich niemand der Geschäftspartner für die unzureichende Transparenz und die Struktur mit der Benko sich der Haftung entzieht. Aber geht es schief, fließt Blut. Beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf.

Viele Jahre hatte Benko mit immer waghalsigeren Bewertungen seiner Immobilien frisches Kapital eingeworben und Kredite für neue teure Projekte aufgenommen, die hohe Finanzvolumina erforderten. Gleichzeitig zahlte er enorme Dividenden an die Kapitalgeber aus. Ganz wie der italienische Trickbetrüger Charles Ponzi in den 1920er-Jahren in den USA, der ein millionenschweres Schneeballsystem etablierte.

Das Argument Benkos bei seiner Immobilien-Bonanza lautete stets, dass die Top-Immobilien durch seine Nutzungskonzepte und glamourösen Mieter aufgewertet würden, und somit die hohen Bewertungen rechtfertigte. Doch hohe Bewertungen erfordern eben auch hohe Mieteinkünfte, die am Markt verdient werden müssen. Irgendjemand muss am Ende für die Party zahlen.

Als die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch die Zinsen erhöhte und den Bauboom sowie die wirtschaftliche Dynamik durch höhere Finanzierungskosten drosselte, musste Benko Wertberichtigungen an seinen Sicherheiten vornehmen und bekam Probleme mit der Liquidität. Ein sich selbst verstärkender Effekt, der auch aus der US-Immobilienkrise 2007 bekannt ist. Die EZB hielt vor einiger Zeit Banken an, ihre Kredite an die Signa-Holding zu überprüfen. Das fegte Schockwellen durch den Markt. Da Benko nun die teureren Kredite bedienen muss, um eine Insolvenz abzuwenden, kann er zahlreiche Projekte nicht mehr realisieren.

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Auch Bundeskanzler Olaf Scholz kettete als Erster Bürgermeister von Hamburg sein Schicksal an den windigen Immobilieninvestor. Benko erhielt den Auftrag für ein 700-Millionen-Euro-Projekt zum Bau des Elbtowers, der das Stadtbild Hamburgs mit etwa 240 Metern überragen soll. Es wäre das drittgrößte Gebäude Deutschlands und sollte gemäß einem Entwurf des britischen Architekten David Chipperfield realisiert werden.

Doch vorerst herrscht Baustopp beim Elbtower. Die weitere Finanzierung ist ungewiss. Die Hamburger Bürgerschaft hatte den Hamburger Senat ursprünglich verpflichtet, die Mietquoten im Elbtower zu prüfen. Ist dies wirklich geschehen? Es ist zudem derzeit unklar, ob perspektivische Mieter wie die Hamburg Commercial Bank AG (HCOB) weiter in den Elbtower ziehen wollen oder über eine Ausstiegsklausel verfügen. Auch die Nobu Gruppe, an der Hollywoodstar Robert De Niro beteiligt ist, wollte in dem Wolkenkratzer ein Hotel eröffnen.

Die HCOB ist die ehemalige Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, die sich in der Finanzkrise das Genick brach, und privatisiert wurde. Die HCOB hatte Benko ein Grundstück zu einem sehr hohen Verkaufspreis überlassen und im Gegenzug einen Mietvertrag im Elbtower abgeschlossen, den Beobachter als überteuert empfanden. Für beide Seiten war dies mutmaßlich attraktiv. Benko expandierte weiter mit dem Geld seiner Kapitalgeber und konnte hohe Mieteinnahmen einpreisen. Die Bank erzielte einen hohen Kauferlös und hätte in Zukunft hohe Mietausgaben geltend machen können. Dies kann steuerliche Vorteile haben.

Scholz lobte Benkos Signa einst in den höchsten Tönen und schlug Warnungen über Benkos undurchsichtige Finanzierung und Kritik am Elbtower, die auch aus der Hamburger SPD kamen, in den Wind. Der Elbtower sollte 70.000 Quadratmeter Bürofläche in der Hafencity schaffen, doch sein Nutzen und seine Auswirkungen auf das historische Stadtbild waren in der Elbmetropole mit den explodierenden Mieten stets umstritten. In Hamburg nannte man den Büroturm auch „Scholz-Finger“.

Scholz, der „bescheidene Hanseat“, erweckte noch kurz vor seinem Wechsel ins Finanzministerium im Jahr 2018 den Eindruck als habe er das Hochhaus persönlich am Zeichenbrett entworfen und wolle sich ein Denkmal setzen. So tönte er: „Ich habe viele Stunden überlegt, wie ein solches Hochhaus aussehen könnte. Dieser Turm passt in seiner klassischen Haltung zu Hamburg, er ist nicht extravagant, sondern elegant und raffiniert zugleich.“ Scholz weiter: „Ich als Bürgermeister möchte, dass die Hamburger sagen, das hat Scholz gut gemacht (…) wenn das fertig ist.“ Er schwärmte, dass Signa ein „hervorragendes Immobilienunternehmen“ sei.

Nun betont der Hamburger Senat, es werde kein Steuergeld fließen, der Bau würde notfalls von anderen zu Ende gebracht und man habe sich über hohe Vertragsstrafen gegen Signa für den Fall von nicht eingehaltenen Baufortschritten abgesichert.

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Seit langer Zeit hielten sich in Hamburg Gerüchte, dass bei der Auftragsvergabe an Benkos Signa womöglich nicht alles mit rechten Dingen abgelaufen sei. Auch der mittlerweile insolvente Entwickler Gerch sowie US-Entwickler Tishman bewarben sich auf das Projekt. Der frühere österreichische Bundeskanzler und langjährige politische Weggefährte von Scholz, der Signa-Lobbyist Alfred Gusenbauer, machte einst Andeutungen über seine Rolle bei der Vermittlung von Benko: So führte er in einem Interview mit dem Magazin Trend 2021 aus:

„Dann kann es schon sein, dass dich der Bürgermeister einer deutschen Großstadt anruft“, so Gusenbauer. Der deutsche Bürgermeister würde fragen: „Ihr seid der Bestbieter bei diesem oder jenem Projekt, du garantierst mir aber schon, dass das nicht eine Ruine wird, die ewig mit meinem Namen verbunden sein wird!“ Das Kanzleramt wollte später gegenüber dem Journalisten Hans-Martin Tillack (Die Welt) keine brauchbaren Angaben dazu machen, ob Scholz gemeint war. Und Gusenbauer richtete Tillack aus, seine Äußerungen im „Trend“-Interview seien lediglich „genereller und hypothetischer Natur“. Sie hätten nichts mit Scholz zu tun gehabt.

Dies stellt sich laut dem Stern und Recherchen der Journalisten Marc Neller und Thomas Steinmann nun möglicherweise als unwahr heraus. Dazu muss man die Vorgeschichte kennen. Ich hatte im November 2022 den Hamburger Senat nach Kontakten zwischen dem früheren Ersten Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, und Renè Benko befragt. Es wurde lediglich ein Termin 2013 zum Alsterkaufhaus sowie ein späterer Kennenlerntermin mit dem aktuellen Bürgermeister und früheren Finanzsenator von Scholz, Peter Tschentscher, eingeräumt, aber keinerlei Kommunikation etwa zur Terminvereinbarung. Fast so, als hätte man sich in der Unterwäscheabteilung von Galeria Kaufhof zufällig getroffen und verabredet. Hingegen übermittelte man mir nach Hinweis des Hamburger Datenschutzbeauftragten ein Weihnachtsschreiben der Signa von 2018. Auch in einer Anfrage eines CDU-Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft wurden Kontakte zu Benko im Zusammenhang mit dem Elbtower verneint.

Nun haben Neller und Steinmann herausgefunden, dass das engste Umfeld von Benko über einen Kontakt zwischen Scholz und Benko 2018 noch vor der Auftragsvergabe berichtet. Dieser Kontakt sei durch Gusenbauer angebahnt worden. Aber wozu die Geheimniskrämerei? Ist es nicht normal, dass man sich vor einem so wichtigen stadtpolitischen Projekt einen Eindruck vom Investor verschafft? Zudem ein Mann wie Scholz, der über enorme Hybris verfügt und sich gerne als Aktenfresser und Macher inszeniert.

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Doch offenbar gab es Grund für die Geheimniskrämerei des Senats. Ähnlich wie in der Warburg-Affäre und geheimen Treffen mit dem Cum-Ex-Bankier Christian Olearius. Dort sah etwa die führende Cum-Ex-Aufklärerin Deutschlands, die Staatsanwältin Anne Brorhilker, Hinweise auf „aktive Einflussnahme“ auf das Steuerverfahren der Warburg-Bank durch Scholz. Denn Hamburg hatte damals Steuerforderungen wegen krimineller Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank steuerlich verjähren lassen. An einen engen Vertrauten von Scholz, seinen Mentor Alfons Pawelzcyk, floss Geld für die Kontaktanbahnung zwischen Olearius und Scholz, und die SPD Hamburg kassierte über den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs Parteispenden von Warburg.

Benko war vor der Auftragsvergabe in Hamburg bereits rechtskräftig wegen des Versuchs der Bestechung eines kroatischen Politikers verurteilt. Er wollte hierüber Einfluss auf ein Gerichtsverfahren in Italien nehmen. Auch aktuell wird in Österreich wieder gegen Benko wegen des Vorwurfs der versuchten Bestechung eines Beamten im Finanzministerium ermittelt. Er soll ihm einen Job bei Signa angeboten haben, wenn er zu seinen Gunsten Einfluss auf ein Steuerverfahren nehme. Benko bestreitet dies. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Doch es weht wieder einmal ein Hauch von Warburg durch das Kanzleramt und die Hansestadt. Das Risiko für Scholz ist enorm. Denn wenn hinter den Kulissen die Fetzen fliegen und reiche Damen und Herren ihr Geld verlieren, wird schnell die schmutzige Wäsche auf den Tisch gepackt. Scholz kann nicht einerseits so tun, als hätte er das Gerippe des Elbtowers persönlich hochgezogen und sich für Benko verbürgen, und sich nun wegducken.

Scholz hat sich in Hamburg versucht, als „Baulöwe“ zu inszenieren, der Büroflächen und Wohnraum schafft. Doch die Bilanz ist eher mau. So verzichtete Hamburg auf das kommunale Vorkaufsrecht bei der wichtigsten wohnungspolitischen Großfläche, dem einstigen Areal der Holsten Brauerei. Das Projekt ging an die Adler-Gruppe. Auch dort ist nicht viel auf der Baustelle passiert und das Unternehmen verzeichnete Milliardenverluste.

Ob Scholz Bundeskanzler kann, ist umstritten. Seine Talente als Steuerberater und Bauherr scheinen zumindest bescheiden auszufallen.

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Fabio De Masi: Der Bundeskanzler und Benkos einstürzende Neubauten

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11.11.2023

Das Imperium des österreichischen Immobilienentwicklers und einst gefeierten „Wunder-Wuzzis“ René Benko wankt. In Berlin kommt es zum Stopp zahlreicher Projekte des Immobilienmoguls, darunter die Karstadt-Standorte am Hermannplatz und in Wedding. Und auch für Bundeskanzler Olaf Scholz könnte Benko noch eine schwere Hypothek werden – aber dazu gleich mehr.

Während Benko mit aggressiven Immo-Bewertungen immer neues frisches Kapital anlockte und hohe Dividenden auszahlte, bleibt dem Staat bei den Hilfen für die Warenhauskette Galeria nur der Zugriff auf deren Markenrechte und vergängliche Saisonware (z.B. Bekleidung). Die wertvollen Immobilien schirmte Benko in einer separaten Sparte seines Imperiums ab.

Die Zinserhöhungen der Zentralbank haben der Signa-Gruppe des politischen Entrepreneurs Benko, der die Reichen und Mächtigen jeder Couleur umgarnte, zugesetzt. Benko hat sein Vermögen laut eigenen Angaben einst mit dem Ausbau von Dachböden zu Luxuslofts gemacht. Doch nun geht es nicht um Dachböden, sondern um die Prime-Investments in deutschen, österreichischen und norditalienischen Innenstädten. Er verfügt über einige der wertvollsten Immobilien Deutschlands in Städten wie Berlin, Hamburg, München und Düsseldorf. Auch das Chrysler Building in New York gehört zu Benkos Reich.

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03.11.2023

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09.11.2023

Benko, der auch in zahlreiche österreichische Boulevardzeitungen wie Kurier und Krone sowie in den Handelssektor investiert ist, wird wohl Milliardär bleiben, wie der Ökonom an der Universität Innsbruck, Leonhard Dobusch, betont. Denn Benko spielt formal keine Rolle bei Signa im Sinne der Organhaftung. Die Stimmung unter seinen einstigen Geschäftsfreunden und Geldgebern, darunter etwa die Beraterlegende Roland Berger ist hingegen im Keller.

Es ist immer wieder das Gleiche: Solange der Rubel rollt, interessiert sich niemand der Geschäftspartner für die unzureichende Transparenz und die Struktur mit der Benko sich der Haftung entzieht. Aber geht es schief, fließt Blut. Beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf.

Viele Jahre hatte Benko mit immer waghalsigeren Bewertungen seiner Immobilien frisches Kapital eingeworben und Kredite für neue teure Projekte aufgenommen, die hohe Finanzvolumina erforderten. Gleichzeitig zahlte er enorme Dividenden an die Kapitalgeber aus. Ganz wie der italienische Trickbetrüger Charles Ponzi in den 1920er-Jahren in den USA, der ein millionenschweres Schneeballsystem etablierte.

Das Argument Benkos bei seiner Immobilien-Bonanza lautete stets, dass die Top-Immobilien durch seine Nutzungskonzepte und glamourösen Mieter aufgewertet würden, und somit die hohen Bewertungen rechtfertigte. Doch hohe Bewertungen erfordern eben auch hohe Mieteinkünfte, die am Markt verdient werden müssen. Irgendjemand muss am Ende für die Party........

© Berliner Zeitung


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