Diese Kolumne handelt vom Schlafen. Ich weiß, es ist seltsam, in so aufregenden Zeiten über so ein Thema zu schreiben. Aber mein Kollege Niklas meint, gerade deshalb sei es wichtig. Nichts geht über guten Schlaf!

Ich schlafe seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten schlecht. Als Kind wachte ich schreiend auf, weil mich Wölfe in meinen Träumen verfolgten. Als Studentin kam ich im Doppelstockbett meines Wohnheimzimmers oft erst zur Ruhe, wenn ich das Rumpeln der ersten Straßenbahn hörte und es draußen hell wurde. So ist es bis heute. Manchmal kann ich nicht einschlafen, manchmal werde ich um halb vier wach und finde schwer zurück in den Schlaf. Das Einzige, was mich beruhigt, ist das Wissen, dass ich nicht die Einzige bin, der es so geht.

Vor ein paar Jahren, im Portugal-Urlaub mit Freunden, stellte sich eines Morgens heraus, dass wir alle in der Nacht zuvor genau zur gleichen Zeit wachgelegen hatten. Verblüfft beschlossen wir, uns das nächste Mal in der Küche zu treffen, zu reden, Karten zu spielen oder, wenn das in Berlin passieren sollte, uns gegenseitig anzurufen. Der Club der Schlaflosen. Eine großartige Idee, nur irgendwie waren wir dann doch alle zu müde dafür.

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In der New York Times las ich, dass Ureinwohner Afrikas das so machen: Mitten in der Nacht aufstehen, sich ans Feuer setzen, sich wieder hinlegen, weiterschlafen. Die Zeitung schrieb, es sei ein Irrglaube, anzunehmen, man lege sich ins Bett und schlafe acht Stunden durch. Ich kenne, glaube ich, jeden großen Artikel, der auf Deutsch oder Englisch zu diesem Thema erschienen ist. Und jeden Expertentipp: Nicht zu spät essen, nicht zu spät Serien gucken, Handy nicht mit ins Schlafzimmer nehmen. Und falls man nachts wach wird und nicht wieder einschlafen kann: Aufstehen, lesen, bügeln und es noch mal versuchen.

Als Coach für andere Schlaflose eigne ich mich gut, bei mir selbst aber helfen diese Tipps nicht viel. Ich bin zu müde, um nachts Wäsche zu bügeln, zu neugierig, um nicht kurz vorm Einschlafen doch noch Nachrichten zu lesen, und morgens gleich wieder. Man kann so vieles verpassen in diesen Zeiten!

Vor ein paar Wochen unterhielt ich mich auf einer Party mit einem Professor für Schlafmedizin. Ich erzählte ihm von meinen Problemen, am schlimmsten sei es bei Vollmond. Na, dann gebe es ja wenigstens einige Nächte, wo es nicht so schlimm sei, sagte er. Ich fand ihn seltsam, den Professor. Er war Fan von Schlaftabletten, hielt nichts von Therapien, hatte nichts gegen Fernseher im Schlafzimmer. Irgendwann sagte er den Satz: „Jeder Mensch kann schlafen, auch in Krisen, auch in Kriegen.“ Es klang wie: Nun haben Sie sich mal nicht so!

Ernüchtert fuhr ich nach Hause, legte mich ins Bett und schlief: durch. Diese Nacht, die nächste und übernächste. So ging es weiter, bis heute, nicht immer, aber immer öfter. Es ist, als hätte der Professor einen Bann gebrochen mit seiner Bemerkung. Und ich frage mich: War meine Schlaflosigkeit vor allem ein Glaubenssatz? Eine tief verwurzelte Überzeugung, die irgendwann zu einem Handlungsmuster geworden war?

Voller Enthusiasmus ziehe ich gleich das volle Schlafprogramm durch: Kamillentee, Meditations-App, Wecker statt Handy, vor dem Einschlafen ein Buch lesen, manchmal auch morgens vor dem Aufstehen, und erst dann Mails und Nachrichten. Es ist ungewohnt, aber ich merke, dass es mir guttut und ich trotzdem nichts verpasse. Eine Unsicherheit aber bleibt: Heute ist Vollmond.

QOSHE - Wie ein Professor mit einem einzigen Satz meine Schlafprobleme löste - Anja Reich
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Wie ein Professor mit einem einzigen Satz meine Schlafprobleme löste

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25.01.2024

Diese Kolumne handelt vom Schlafen. Ich weiß, es ist seltsam, in so aufregenden Zeiten über so ein Thema zu schreiben. Aber mein Kollege Niklas meint, gerade deshalb sei es wichtig. Nichts geht über guten Schlaf!

Ich schlafe seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten schlecht. Als Kind wachte ich schreiend auf, weil mich Wölfe in meinen Träumen verfolgten. Als Studentin kam ich im Doppelstockbett meines Wohnheimzimmers oft erst zur Ruhe, wenn ich das Rumpeln der ersten Straßenbahn hörte und es draußen hell wurde. So ist es bis heute. Manchmal kann ich nicht einschlafen, manchmal werde ich um halb vier wach und finde schwer zurück in den Schlaf. Das Einzige, was mich beruhigt, ist das Wissen, dass ich nicht die Einzige bin, der es so geht.

Vor ein paar Jahren, im Portugal-Urlaub mit Freunden, stellte sich eines Morgens heraus, dass wir alle in der Nacht zuvor genau zur gleichen Zeit wachgelegen hatten.........

© Berliner Zeitung


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