Sie sind wieder da, zurück in Berlin, Maya, Gili und Roni Romann, Familienmitglieder von Yarden Romann, Geisel der Hamas mit deutschem Pass. Vor fast fünf Wochen wurde sie von Terroristen entführt, seitdem bangen die Angehörigen um ihre Schwester und Cousine, gibt es kein Lebenszeichen. Oder doch?

Maya Romann sitzt im Sessel eines Hotels am Anhalter Bahnhof. Sie sieht blass und müde aus, aber sie lächelt öfter als bei ihrer ersten Reise nach Berlin, wirkt gelöster. Nein, sie wisse nichts, auch nichts über die Verhandlungen, die geführt werden, sagt sie, und wenn sie etwas wüsste, dann dürfte sie nicht darüber sprechen. Jedes Detail, das bekannt werde, könne die Befreiungsmission scheitern lassen. Nur eins ist klar: Es wird verhandelt. Auch deutsche Politiker kämpfen um die Freilassung der Geiseln mit deutscher Staatsbürgerschaft, und sie scheinen dabei voranzukommen.

Bisher war das vor allem eine Behauptung, eine Hoffnung. In ihrem Ministerium sei ein Team rund um die Uhr mit dem Schicksal der deutschen Geiseln beschäftigt, hatte Außenministerin Annalena Baerbock neun Tage nach den Entführungen erklärt. Kurz zuvor war nach Informationen des Spiegels fast ein Treffen von Baerbock mit dem Emir von Katar geplatzt, der gute Beziehungen zu der Hamas hat und bei der Freilassung helfen könnte. Die deutsche Chefdiplomatin hatte in einem Interview eher undiplomatisch verkündet, dem Emir ihre Meinung zur Terrorfinanzierung sagen zu wollen. Und es war nicht Baerbock, sondern Vizekanzler Robert Habeck, der vor einer Woche die große Rede zum Überfall der Hamas auf Israel hielt. Es schien, als würde er ihre Rolle übernehmen, der Mann, der vor anderthalb Jahren mit seiner Verbeugung vor dem Handelsminister von Katar in die Kritik geraten war. Aber vielleicht könnte sich diese Verbeugung ja nicht nur für den Gas-Deal als nützlich erweisen?

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Auf die Frage der Berliner Zeitung, was die Deutschen bisher konkret unternommen haben, um die Geiseln zu befreien, heißt es aus dem Kanzleramt: „Die Bundesregierung arbeitet mit ganzer Kraft daran, dass alle Geiseln wieder freikommen – in enger Abstimmung mit Israel und Partnern in der Region und natürlich mit der gebotenen Vertraulichkeit. Zu Details werden wir uns nicht äußern.“ Aus dem Bundesvorstand der Grünen heißt es: „Bereits seit dem 7. Oktober ist im Auswärtigen Amt ein Sonderstab für die von der Hamas verschleppten Personen eingerichtet.“ Dieser stimme sich „intensiv mit den Partnern in der Region ab“.

Maya Romann hat von dem Gas-Deal gehört, und Robert Habeck war der erste Politiker, den sie und ihre Familie bei ihrer zweiten Berlin-Reise am 9. November trafen. Morgens um acht in der Geschäftszentrale der Grünen in Berlin-Mitte. Um elf nahmen sie an der Gedenkzeremonie zum 85. Jahrestag der Pogromnacht in der Synagoge in der Berliner Brunnenstraße teil. Auf diese Synagoge wurde vor drei Wochen, als sie auch gerade in der deutschen Hauptstadt waren, ein Brandsatz geworfen. Maya Romann sagt, sie lerne gerade viel über deutsche Feier- und Gedenktage. Ihre Teilnahme an der Zeremonie sei wichtig, ein Symbol. „Wir machen uns Sorgen, dass die Aufmerksamkeit für die Geiseln nachlässt, dass man sie vergisst.“

Sie und Gili Romann sind direkt aus den USA nach Berlin geflogen, sie haben in Washington und New York Kongressabgeordnete getroffen, die deutsche Botschafterin, UN-Vertreter, Interviews gegeben, weil Amerika auch wichtig für sie ist. Eine amerikanische Geisel wurde durch Vermittlung von Katar freigelassen.

In Tel Aviv waren sie auch, eine Woche lang, haben Yardens Mann und deren dreijährige Tochter Geffen wiedergesehen. Sie habe ihr erzählt, was sie von der Entführung mitbekommen habe: „Böse Männer kamen, nahmen uns mit, steckten uns in ein fremdes Auto. Wir mussten uns verstecken. Aber Daddy hat auf mich aufgepasst.“ Maya sagt, es sei kaum vorstellbar, was Geffen in letzter Zeit durchgemacht habe. Ihre Mutter entführt, ihre Oma entführt und ermordet, ihre andere Oma sei auch gestorben, vor zehn Monaten, an Krebs. „Dafür geht es ihr gut.“

Auf die Frage, wie sie über die Angriffe des israelischen Militärs auf den Gazastreifen denkt, sagt sie: „Natürlich haben wir Angst, dass Geiseln bei Bombenangriffen getötet werden können.“ Aber sie sei keine Expertin, sehe kaum Nachrichten, versuche nicht daran zu denken, wie es Yarden und den anderen Geiseln gehe. „Wir denken nur an das, was wir tun, wie wir helfen können.“

Bis Sonnabendmorgen bleibt die Familie Romann in Berlin, dann fliegen sie weiter nach München, treffen dort Ministerpräsident Markus Söder. Yardens Großmutter Lotte kam aus dem bayerischen Fürth und floh am Tag nach der Pogromnacht nach Palästina. Vor genau 85 Jahren.

QOSHE - Tochter von deutscher Hamas-Geisel: „Böse Männer nahmen uns mit. Wir mussten uns verstecken“ - Anja Reich
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Tochter von deutscher Hamas-Geisel: „Böse Männer nahmen uns mit. Wir mussten uns verstecken“

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09.11.2023

Sie sind wieder da, zurück in Berlin, Maya, Gili und Roni Romann, Familienmitglieder von Yarden Romann, Geisel der Hamas mit deutschem Pass. Vor fast fünf Wochen wurde sie von Terroristen entführt, seitdem bangen die Angehörigen um ihre Schwester und Cousine, gibt es kein Lebenszeichen. Oder doch?

Maya Romann sitzt im Sessel eines Hotels am Anhalter Bahnhof. Sie sieht blass und müde aus, aber sie lächelt öfter als bei ihrer ersten Reise nach Berlin, wirkt gelöster. Nein, sie wisse nichts, auch nichts über die Verhandlungen, die geführt werden, sagt sie, und wenn sie etwas wüsste, dann dürfte sie nicht darüber sprechen. Jedes Detail, das bekannt werde, könne die Befreiungsmission scheitern lassen. Nur eins ist klar: Es wird verhandelt. Auch deutsche Politiker kämpfen um die Freilassung der Geiseln mit deutscher Staatsbürgerschaft, und sie scheinen dabei voranzukommen.

Bisher war das vor allem eine Behauptung, eine Hoffnung. In ihrem Ministerium sei ein Team rund um die Uhr mit dem Schicksal der deutschen Geiseln beschäftigt, hatte Außenministerin Annalena Baerbock neun Tage nach den Entführungen erklärt. Kurz zuvor war nach Informationen des Spiegels fast ein Treffen von Baerbock mit dem Emir von Katar geplatzt, der gute........

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