Geistschreiber

Nachtzügler

Mit spitzer Feder kommentiert der Geistschreiber das Geschehen in der Region, im Land, ja auf der ganzen Welt. Garantiert ohne KI.

Willi Näf 04.11.2023, 22.38 Uhr

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Der Kluge schläft im Zuge: Unser Geistschreiber sowieso schon lange.

Bild: Keystone

Ich hab’s gewusst gopfridli, ich hab immer gesagt, so wird’s kommen stärnecheib, und hatte ich recht oder hatte ich recht? Altersverbittert mit 54, ich bin frühreif, aber gut, ein Besserwisser zu sein, ist einfach, wenn man es besser weiss, und das schon so lange, diese Chläuse hätten merken müssen, was für eine Zukunft sie vergeigen, ich habe ja seinerzeit sogar noch geduscht im Zug, eigenhändig, auf voller Fahrt Richtung Wien, im Deluxe-Abteil mit Toilette, Brünneli, Dusche und Frühstücksservice vom Steward.

1995 war das. Ist halt schon lange her. 2011 gönnten wir uns dann erneut einen Städtezug: Znacht beim Bahnhof Basel, einsteigen gegen zehn, aussteigen gegen acht in Amsterdam. Zug statt Flug bedeutete: zwei Städtetage mehr, zwei Hotelnächte weniger und null Flughafen-Tamtam. Der City Night Line war ein cooler Nachtzug von SBB, DB und ÖBB – und dann?

Dann haben sie es verpennt, die Bahnen und die Politik. Keine Steuern auf Kerosin, aber dann gegenüber den Billigfliegern Forfait geben, das ist erschütternd schlau. Dieselmotoren und Flughäfen haben sie gebastelt, statt Nachtzüge oder Fernverkehr zu fördern, das «Volch» ist halt lieber billig geflogen. Also haben sie umstrukturiert und Destinationen gestrichen. SBB und DB stiegen aus, die ÖBB betrieben einige sterbliche Überreste des CNL ab 2017 noch als ÖBB-Nightjet. Nur die wirklich unverdrossenen Nachtzügler hielten das Fähnlein aufrecht. Und jetzt also werden die Bahnen überrannt, bestellen Flotten, mieten zu, pinseln ausrangierte Rosthaufen frisch, wursteln Verbindungen herbei und entschuldigen sich für Kinderkrankheiten, die man schon längst hätte ausrotten können, oder, im Fachjargon der SBB: «Die Nachtzüge sind Opfer ihres eigenen Erfolges geworden.»

Ach, Schmarren. Opfer der Unterversorgung mit Visionen sind sie geworden. Nachtzüge waren schon vor dreissig Jahren smart und CO2 ein Thema, und wer hat’s schon immer gewusst? Eben. Viel erreicht habe ich nicht im Leben, werde ich auf dem Sterbebett seufzen, und jetzt wird’s wohl auch nichts mehr, aber immerhin bin ich als junger Mann unter der Dusche durch Linz gefahren, sauber in Wien ausgestiegen und zum Naschmarkt gegangen, wo das Gute besser ist als das Billige.

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Mit spitzer Feder kommentiert der Geistschreiber das Geschehen in der Region, im Land, ja auf der ganzen Welt. Garantiert ohne KI.

Ich hab’s gewusst gopfridli, ich hab immer gesagt, so wird’s kommen stärnecheib, und hatte ich recht oder hatte ich recht? Altersverbittert mit 54, ich bin frühreif, aber gut, ein Besserwisser zu sein, ist einfach, wenn man es besser weiss, und das schon so lange, diese Chläuse hätten merken müssen, was für eine Zukunft sie vergeigen, ich habe ja seinerzeit sogar noch geduscht im Zug, eigenhändig, auf voller Fahrt Richtung Wien, im Deluxe-Abteil mit Toilette, Brünneli, Dusche und Frühstücksservice vom Steward.

1995 war das. Ist halt schon lange her. 2011 gönnten wir uns dann erneut einen Städtezug: Znacht beim Bahnhof Basel, einsteigen gegen zehn, aussteigen gegen acht in Amsterdam. Zug statt Flug bedeutete: zwei Städtetage mehr, zwei Hotelnächte weniger und null Flughafen-Tamtam. Der City Night Line war ein cooler Nachtzug von SBB, DB und ÖBB – und dann?

Dann haben sie es verpennt, die Bahnen und die Politik. Keine Steuern auf Kerosin, aber dann gegenüber den Billigfliegern Forfait geben, das ist erschütternd schlau. Dieselmotoren und Flughäfen haben sie gebastelt, statt Nachtzüge oder Fernverkehr zu fördern, das «Volch» ist halt lieber billig geflogen. Also haben sie umstrukturiert und Destinationen gestrichen. SBB und DB stiegen aus, die ÖBB betrieben einige sterbliche Überreste des CNL ab 2017 noch als ÖBB-Nightjet. Nur die wirklich unverdrossenen Nachtzügler hielten das Fähnlein aufrecht. Und jetzt also werden die Bahnen überrannt, bestellen Flotten, mieten zu, pinseln ausrangierte Rosthaufen frisch, wursteln Verbindungen herbei und entschuldigen sich für Kinderkrankheiten, die man schon längst hätte ausrotten können, oder, im Fachjargon der SBB: «Die Nachtzüge sind Opfer ihres eigenen Erfolges geworden.»

Ach, Schmarren. Opfer der Unterversorgung mit Visionen sind sie geworden. Nachtzüge waren schon vor dreissig Jahren smart und CO2 ein Thema, und wer hat’s schon immer gewusst? Eben. Viel erreicht habe ich nicht im Leben, werde ich auf dem Sterbebett seufzen, und jetzt wird’s wohl auch nichts mehr, aber immerhin bin ich als junger Mann unter der Dusche durch Linz gefahren, sauber in Wien ausgestiegen und zum Naschmarkt gegangen, wo das Gute besser ist als das Billige.

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Nachtzügler

Mit spitzer Feder kommentiert der Geistschreiber das Geschehen in der Region, im Land, ja auf der ganzen Welt. Garantiert ohne KI.

Willi Näf 04.11.2023, 22.38 Uhr

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Der Kluge schläft im Zuge: Unser Geistschreiber sowieso schon lange.

Bild: Keystone

Ich hab’s gewusst gopfridli, ich hab immer gesagt, so wird’s kommen stärnecheib, und hatte ich recht oder hatte ich recht? Altersverbittert mit 54, ich bin frühreif, aber gut, ein Besserwisser zu sein, ist einfach, wenn man es besser weiss, und das schon so lange, diese Chläuse hätten merken müssen, was für eine Zukunft sie vergeigen, ich habe ja seinerzeit sogar noch geduscht im Zug, eigenhändig, auf voller Fahrt Richtung Wien, im Deluxe-Abteil mit Toilette, Brünneli, Dusche und Frühstücksservice vom Steward.

1995 war das. Ist halt schon lange her. 2011 gönnten wir uns dann erneut einen Städtezug: Znacht beim Bahnhof Basel, einsteigen gegen zehn, aussteigen gegen acht in Amsterdam. Zug statt Flug bedeutete: zwei Städtetage mehr, zwei Hotelnächte weniger und null Flughafen-Tamtam. Der City Night Line war ein cooler Nachtzug von SBB, DB und ÖBB – und dann?

Dann haben sie es verpennt, die Bahnen und die Politik. Keine Steuern auf Kerosin, aber dann gegenüber den Billigfliegern Forfait geben,........

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