Leitartikel

Cramer for President!

Warum der liberale Erziehungsdirektor der ideale Kandidat fürs Basler Regierungspräsidium ist. Und was das mit Integration zu tun hat.

Patrick Marcolli 03.02.2024, 05.00 Uhr

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Ein Rhetoriker für alle: Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP) vor einem Kinderparlament im Saal des Grossen Rats.

Bild: Roland Schmid

Es ist unwahrscheinlich, dass sich Conradin Cramer, der liberale Basler Erziehungsdirektor, in den vergangenen Tagen Freunde gemacht hat im Präsidialdepartement. In einem Interview mit der «Basler Zeitung» hatte er nämlich angedeutet, nach einer allfälligen Wahl zum Regierungspräsidenten ein Auge auf die einzelnen Fachbereiche werfen und sie auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüfen zu wollen.

Einer, der sich getrauen könnte

Cramer blieb in seinen Äusserungen natürlich diplomatisch-vage. Für alle aber, die sich im Präsidialdepartement einen frischen Wind wünschen, war das Balsam auf die Seele. Übernimmt hier endlich einer das Szepter, der sich etwas getraut?

Nicht, dass sich Beat Jans, der letzte Amtsinhaber und heutige Bundesrat, nichts getraut hätte. Im Gegenteil: Er hat dem Departement, das vorher zwölf Jahre unter der Führung von zwei Grünen gestanden hatte – Guy Morin und Elisabeth Ackermann – seinen Stempel aufgedrückt, hat manches aussen- und gesellschaftspolitische Zeichen gesetzt und als wichtigste strukturelle Massnahme eine Fachstelle Klima geschaffen.

Genau diese Fachstelle aber zeigt die Problematik dieses Schnittstellen-Departements mit Sitz im Rathaus auf: Es braucht sie als Instrument der politischen Durchsetzung nicht. Fachwissen und Richtlinienkompetenz liegen in Klimafragen weiterhin bei den Fachdepartementen, in diesem Fall also vor allem im Wirtschafts-, im Bau- und auch im Finanzdepartement. Die Fachstelle Klima ist vielmehr Ausdruck des Bestrebens, Jans' vergebliche Bemühungen um den Transfer des mächtigen Amts für Umwelt und Energie vom Wirtschafts- ins Präsidialdepartement zu kaschieren.

Stabiles und träges System

Conradin Cramer, der sich am 3. März gegen seine Mitbewerber Mustafa Atici (SP) und Jérôme Thiriet (Grüne) durchsetzen muss, ist der ideale Kandidat für das Amt des Regierungspräsidenten. Er kann, und er scheint also durchaus gewillt, das seit 2009 bestehende Departement auf Herz und Nieren überprüfen. Innerhalb des – je nach Sichtweise – stabilen oder trägen schweizerischen Politsystems wird er natürlich keine Revolution anzetteln oder alles umkrempeln können.

Aber nun kann endlich einmal ein Bürgerlicher Zeichen setzen im Rathaus und neue Impulse aussenden, zum Beispiel in der Stadtentwicklung oder der Kultur, bei den Museen oder dem Theater. Ja, diese Impulse sind in diesem Amt vor allem an die rhetorischen Fähigkeiten des jeweiligen Amtsinhabers gebunden. Aber von diesen hat Cramer mehr als genug. Er ist eine gewinnende Persönlichkeit ohne Berührungsängste, ausgestattet mit einem feinen Sinn für Humor und Ironie.

Traditionen, Universität und Zünfte

Apropos Herkunft und soziales Milieu. Conradin Cramer steht für ein Basel der Traditionen, der Universität, der Studentenverbindungen, der Zünfte. Er ist das Paradebeispiel eines gesellschaftsliberalen Bildungsbürgers. Seine Gegner, und von denen gibt es bei den Linken einige, werfen ihm vor, wenig fassbar zu sein, kaum Angriffsfläche zu bieten.

Damit haben sie einen Punkt. Ein Haudrauf und Kämpfer war Cramer nie, musste er nie sein. Das Leben, so scheint es, gelingt ihm einfach. Aber wie anders als mit viel Diplomatie und Empathie liesse sich ein Erziehungsdepartement acht Jahre lang mehr oder weniger frei von nach aussen getragenen, bitteren Grabenkämpfen führen?

Angesichts der nun schon Jahre dauernden und das Präsidialdepartement prägenden Dominanz von Rot und Grün wäre die Wahl des fortschrittlichen Konservativen Conradin Cramer zum Regierungspräsidenten letztlich die grössere Integrationsleistung für diese Stadt als die Wahl von Mustafa Atici.

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Cramer blieb in seinen Äusserungen natürlich diplomatisch-vage. Für alle aber, die sich im Präsidialdepartement einen frischen Wind wünschen, war das Balsam auf die Seele. Übernimmt hier endlich einer das Szepter, der sich etwas getraut?

Nicht, dass sich Beat Jans, der letzte Amtsinhaber und heutige Bundesrat, nichts getraut hätte. Im Gegenteil: Er hat dem Departement, das vorher zwölf Jahre unter der Führung von zwei Grünen gestanden hatte – Guy Morin und Elisabeth Ackermann – seinen Stempel aufgedrückt, hat manches aussen- und gesellschaftspolitische Zeichen gesetzt und als wichtigste strukturelle Massnahme eine Fachstelle Klima geschaffen.

Genau diese Fachstelle aber zeigt die Problematik dieses Schnittstellen-Departements mit Sitz im Rathaus auf: Es braucht sie als Instrument der politischen Durchsetzung nicht. Fachwissen und Richtlinienkompetenz liegen in Klimafragen weiterhin bei den Fachdepartementen, in diesem Fall also vor allem im Wirtschafts-, im Bau- und auch im Finanzdepartement. Die Fachstelle Klima ist vielmehr Ausdruck des Bestrebens, Jans' vergebliche Bemühungen um den Transfer des mächtigen Amts für Umwelt und Energie vom Wirtschafts- ins Präsidialdepartement zu kaschieren.

Conradin Cramer, der sich am 3. März gegen seine Mitbewerber Mustafa Atici (SP) und Jérôme Thiriet (Grüne) durchsetzen muss, ist der ideale Kandidat für das Amt des Regierungspräsidenten. Er kann, und er scheint also durchaus gewillt, das seit 2009 bestehende Departement auf Herz und Nieren überprüfen. Innerhalb des – je nach Sichtweise – stabilen oder trägen schweizerischen Politsystems wird er natürlich keine Revolution anzetteln oder alles umkrempeln können.

Aber nun kann endlich einmal ein Bürgerlicher Zeichen setzen im Rathaus und neue Impulse aussenden, zum Beispiel in der Stadtentwicklung oder der Kultur, bei den Museen oder dem Theater. Ja, diese Impulse sind in diesem Amt vor allem an die rhetorischen Fähigkeiten des jeweiligen Amtsinhabers gebunden. Aber von diesen hat Cramer mehr als genug. Er ist eine gewinnende Persönlichkeit ohne Berührungsängste, ausgestattet mit einem feinen Sinn für Humor und Ironie.

Apropos Herkunft und soziales Milieu. Conradin Cramer steht für ein Basel der Traditionen, der Universität, der Studentenverbindungen, der Zünfte. Er ist das Paradebeispiel eines gesellschaftsliberalen Bildungsbürgers. Seine Gegner, und von denen gibt es bei den Linken einige, werfen ihm vor, wenig fassbar zu sein, kaum Angriffsfläche zu bieten.

Damit haben sie einen Punkt. Ein Haudrauf und Kämpfer war Cramer nie, musste er nie sein. Das Leben, so scheint es, gelingt ihm einfach. Aber wie anders als mit viel Diplomatie und Empathie liesse sich ein Erziehungsdepartement acht Jahre lang mehr oder weniger frei von nach aussen getragenen, bitteren Grabenkämpfen führen?

Angesichts der nun schon Jahre dauernden und das Präsidialdepartement prägenden Dominanz von Rot und Grün wäre die Wahl des fortschrittlichen Konservativen Conradin Cramer zum Regierungspräsidenten letztlich die grössere Integrationsleistung für diese Stadt als die Wahl von Mustafa Atici.

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Patrick Marcolli 03.02.2024, 05.00 Uhr

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Es ist unwahrscheinlich, dass sich Conradin Cramer, der liberale Basler Erziehungsdirektor, in den vergangenen Tagen Freunde gemacht hat im Präsidialdepartement. In einem Interview mit der «Basler Zeitung» hatte er nämlich angedeutet, nach einer allfälligen Wahl zum Regierungspräsidenten ein Auge auf die einzelnen Fachbereiche werfen und sie auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüfen zu wollen.

Einer, der sich getrauen könnte

Cramer blieb in seinen Äusserungen natürlich diplomatisch-vage. Für alle aber, die sich im Präsidialdepartement einen frischen Wind wünschen, war das Balsam auf die Seele. Übernimmt hier endlich einer das Szepter, der sich etwas getraut?

Nicht, dass sich Beat Jans, der letzte Amtsinhaber und heutige Bundesrat, nichts getraut hätte. Im Gegenteil: Er hat dem Departement, das vorher zwölf Jahre unter der Führung von zwei Grünen gestanden hatte – Guy Morin und Elisabeth Ackermann – seinen Stempel aufgedrückt, hat manches aussen- und gesellschaftspolitische Zeichen gesetzt und als wichtigste strukturelle Massnahme eine Fachstelle Klima geschaffen.

Genau diese Fachstelle aber zeigt die Problematik dieses Schnittstellen-Departements mit Sitz im Rathaus auf: Es braucht sie als Instrument der politischen Durchsetzung nicht. Fachwissen und Richtlinienkompetenz liegen in Klimafragen weiterhin bei den Fachdepartementen, in diesem Fall also vor allem im Wirtschafts-, im Bau- und auch im Finanzdepartement. Die Fachstelle Klima ist vielmehr Ausdruck des Bestrebens, Jans' vergebliche Bemühungen um den Transfer des mächtigen Amts für Umwelt und Energie vom Wirtschafts- ins Präsidialdepartement zu kaschieren.

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