Rutschmadame

Gefangen in einem Loop

Woche für Woche nimmt die Rutschmadame das regionale Geschehen aus dem Blickwinkel des nahen Elsass aufs Korn. Diese Woche: Am Neujahr ist nichts neu. Alles wiederholt sich.

Martina Rutschmann 23.12.2023, 05.00 Uhr

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Eine einzige Geduldsprobe – findet unsere Autorin – ist das Fondue Chinoise.

Bild: Peter Schneider /Keystone

Wo sollen wir anfangen, wo aufhören? Gut, das Jahr ist bald zu Ende, womit ein Schlusspunkt gesetzt wäre. Aber wo beginnen wir? Das Ganze hat ja längst begonnen. Wir sind gefangen in einem Loop, einer Schlaufe. Das Leben ist nichts anderes als eine Wiederholung der Wiederholung. Denken wir nur an das Filet im Teig, das morgen zum tausendsten Mal serviert wird. Genauso wie das Fondue chinoise, ein grosses Rätsel für gute Esser. Da wartet man eine halbe Ewigkeit, um einen winzigen Bissen zwischen die Zähne zu bekommen – und kaum ist der Happen im Schlund versenkt, beginnt das Warten von vorn. Die Wiederholung der Wiederholung im Kleinen. Aber schaut nur mal auf das grosse Ganze!

Die Tage «zwischen den Jahren» lösen in uns allen dasselbe aus. Das Gefühl von «gemütlich ausplempern lassen» – und die Ernüchterung, dass keine Zeit für Gemütlichkeit bleibt, weil die Tage vorbei sind, kaum haben sie begonnen. Dann sind da noch die Klugscheisser, die wiederholt darauf hinweisen, dass sich die Tage nicht «zwischen den Jahren» befinden und es auch sonst nichts gibt «zwischen den Jahren», nicht einmal eine Sekunde.

Ähnlich wie bei der Olympiade, die keine Olympiade im Sinne von Olympischen Spielen ist, sondern die Zeit zwischen den sportlichen Darbietungen definiert. Beruhigend ist, dass die Olympiade, bei genauem Hinsehen, das ist, was wir als «zwischen den Jahren» bezeichnen, bloss ohne Filet im Teig und Tischbombe. Umgekehrt hat es der Sport schwer «zwischen den Jahren», weshalb das neue Jahr bei Reumütigen mit dem «Dry January» oder dem «Vegan January» beginnt. Nach dieser Selbstkasteiung wiederholt sich die Wiederholung der Wiederholung.

Spätestens an der Fasnacht sind die «Dry»-ereien vergessen und die Mutter aller Wiederholungen nimmt ihren Lauf. Morgestraich zum x-ten Mal, Mehlsuppe – und die Frage, warum Leute heute aus Mehl noch Suppe kochen. Ostern, Sommerferien, Hitze und die ohnmächtige Sorge vor dem Klimawandel. Bald fangen wir wieder an, das Haus mit Engeln und Kugeln zu schmücken und sind froh, dass sich das Jahr dem Ende zuneigt und wir uns «zwischen den Jahren» einbilden können, danach beginne was Neues.

In dem Sinne: Schöne Festtage und einen guten Rutschmadame.

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Ähnlich wie bei der Olympiade, die keine Olympiade im Sinne von Olympischen Spielen ist, sondern die Zeit zwischen den sportlichen Darbietungen definiert. Beruhigend ist, dass die Olympiade, bei genauem Hinsehen, das ist, was wir als «zwischen den Jahren» bezeichnen, bloss ohne Filet im Teig und Tischbombe. Umgekehrt hat es der Sport schwer «zwischen den Jahren», weshalb das neue Jahr bei Reumütigen mit dem «Dry January» oder dem «Vegan January» beginnt. Nach dieser Selbstkasteiung wiederholt sich die Wiederholung der Wiederholung.

Spätestens an der Fasnacht sind die «Dry»-ereien vergessen und die Mutter aller Wiederholungen nimmt ihren Lauf. Morgestraich zum x-ten Mal, Mehlsuppe – und die Frage, warum Leute heute aus Mehl noch Suppe kochen. Ostern, Sommerferien, Hitze und die ohnmächtige Sorge vor dem Klimawandel. Bald fangen wir wieder an, das Haus mit Engeln und Kugeln zu schmücken und sind froh, dass sich das Jahr dem Ende zuneigt und wir uns «zwischen den Jahren» einbilden können, danach beginne was Neues.

In dem Sinne: Schöne Festtage und einen guten Rutschmadame.

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