Rutschmadame

Frühling, also putz!

Woche für Woche nimmt die Rutschmadame das regionale Geschehen aus dem Blickwinkel des nahen Elsass aufs Korn. Heute: Der Frühlingsputz.

Martina Rutschmann 17.03.2024, 12.28 Uhr

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Der Frühlingsputz – nicht bei allen gleich beliebt

Bild: Pixabay

Frühlingsputz! Welch menschenverachtende Erfindung! Ein Brauch, der längst ausgerottet sein sollte. Unbedeutend, ohne moralischen Sinn. Ausserdem ist es nur durch Zufall so weit gekommen. Schuld ist ein fauler Römer. Es war im März, als er auf seinem Speisesofa lag, wie er es schon sein ganzes Leben tat. Ihm war langweilig, schrecklich sogar. Also folgte sein Blick einem Sonnenstrahl. Da entdeckte der faule Römer Staub! Die Geschichte wäre hier zu Ende, wäre nicht ein holdes Weib des Wegs gekommen. Es wollte dem faulen Römer eine halbgegarte Ziege zum kulinarischen Zeitvertreib auf den Couchtisch stellen, es kam anders. «Frühling, also putz!», hiess der faule Römer das holde Weib. Es schrubbte, fegte, wedelte. Die Bemühungen des Weibs entpuppten sich als Eigengoal für den faulen Römer, fortan konnte er nicht mal mehr Staub beobachten. Seine ebenfalls faulen Amici bemerkten aber, dass ihr Niesreiz nach der Entstaubung ausblieb. Der frühlingsputzende Korinthenkacker war geboren.

Wir schrubben und wedeln immer noch, als gerieten wir sonst in eine Zwangslage. Dabei bringt uns erst der Frühlingsputz die Misere! Hey, ciao, lange nicht mehr gesehen, tönt es mit dem Frühlingsbeginn von allen Seiten – und die Leute stürmen in Scharen zu einem nach Hause. Nach Monaten gemütlicher Fernsehabende ist soziale Interaktion gefragt. Idealerweise kommen die Gäste direkt vom Feld, auf dem sie Tulpen für uns gepflückt haben. Der Felddreck an den Schuhen gräbt sich in unseren frisch shampoonierten Teppich ein. Die Kinder der Gäste erkunden mit ihren Schoggi- oder – je nach Gast – Gurken-Händen unsere mühsam gereinigten Fenster. Im Kühlschrank: Ringe von Olivengläsern und Käsekrümel, man kommt ja kaum nach mit Häppchenauffüllen. Der Staub tanzt fies im Licht und winkt den Insekten zu: Kommt rein, hier ist es schön!

Wir hätten auf die Griechen hören sollen statt auf die Römer. Die hatten immerhin Sisyphos. Dank dem König von Korinth wissen wir, dass sich gleichnamige Arbeit nicht lohnt. Was es mit dem – ebenfalls zu jener Zeit entstandenen – Korinthenkacker auf sich hat, ist eine andere Story. Sie hat mit WCs zu tun. Details erspare ich euch – allerdings mit dem Hinweis, dass manche Dinge nicht nur im Frühling geputzt werden sollten.

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17.03.2024

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© Basellandschaftliche Zeitung


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