Analyse

Mehr Mut zum M-Wort: Basel braucht ein Vierspartenhaus

Dem Theater Basel fehlt es an Geld, den Musicals fehlt vielleicht bald die Bühne. Beiden dienen könnte eine Erweiterung des Theaters Basel zum Vierspartenhaus. Denn warum sollte in Basel nicht gelingen, was in der Ostschweiz längst funktioniert?

Kathrin Signer 16.03.2024, 05.00 Uhr

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«Lady in the Dark» verzeichnete die zweithöchsten Besucherzahlen der Saison – und wollte dennoch partout kein Musical sein.

Bild: Ingo Höhn

Zwei Häuser sorgen bei den kulturaffinen Baslerinnen und Baslern gerade für latente Kopfschmerzen. Das Stechen in den Schläfen machte sich bereits mit der Jahresbilanz des Theater Basel im Dezember bemerkbar. Nun ist es mit der Empfehlung des Regierungsrates um die Zukunft des Musical Theater zu einer ernsthaften Migräne angewachsen.

In beiden Fällen geht es zunächst um ein Rentabilitätsproblem – mit unterschiedlicher Fallhöhe. «Betriebswirtschaftliche Krise» hiess der operative Verlust von 1,4 Millionen Franken des Theaters Basel, ein «wirtschaftliches Scheitern» hingegen musste sich das Musical Theater von der Regierung bescheinigen lassen.

Musicals verzeichnen die höchsten Besucherzahlen

Kurzum: Während sich die einen finanziell auf Tauchgang befinden, schwimmen die andern bald tatsächlich. Vorausgesetzt, die Basler Stimmbevölkerung sagt im Herbst Ja zu einem 50-Meter-Schwimmbecken und damit Nein zu Musicalproduktionen in Basel. Das heisst wiederum: Die Musical-Veranstaltenden könnten bald nach einer Bühne suchen, das Theater Basel sucht nach Sparpotenzial oder Mehreinnahmen.

Warum also nicht zusammenführen, was gar nie hätte getrennt werden müssen? Warum nicht dem Musical eine offizielle vierte Sparte am Theater Basel einräumen?

Gute Gründe dafür gibt es genug. Zumal das Theater Basel ohnehin längst Musicals stattfinden lässt, wenngleich unter dem Deckmantel der Oper. Ein Blick in die Zahlen zeigt, dass sich das lohnt: So verzeichnete in der Spielzeit 2022/23 etwa Kurt Weills «Lady in the Dark» die zweithöchste Gesamtzahl von Besuchenden, und in der Saison 2018/19 führte «La Cage aux Folles» gar die Liste an. Beide Stücke wurden andernorts als Musical deklariert.

Das bedeutet auch: Das Sinfonieorchester Basel kann Broadway, das Ballett kann Showtanz und die Technik kann Funkmikrofone, womit schon alle Bedingungen einer vierten Sparte im Theater Basel gegeben wären.

Keine Angst vor der Unterhaltungskultur

Umso seltsamer mutet die konsequente Verweigerung an, Musicals auch namentlich als Musicals zu bewerben, geradeso, als fürchte man, sich mit der Verwendung des M-Wortes einer minderwertigen Unterhaltungs- oder gar Popkultur verdächtig zu machen.

Das ist natürlich unsinnig, zumal sich der künstlerische Wert eines Musicals genauso wie der eines jeden anderen Bühnenstücks schrankenlos zwischen miserabel und grossartig bewegen kann. Abgesehen davon, dass es einem Theater zustehen sollte, bisweilen schlicht unterhalten zu dürfen.

Nichtsdestotrotz wird die Grönemeyer-Revue in Basel als Oper angekündigt und als «musikalische Komödie» beworben, obwohl es sich per Definition dabei um ein «Musiktheater mit Songs, vielen Dialogen und Tanzeinlagen» handelt, kurz - um ein Musical. Zur Oper erklärte man ebenso Weills’ «Lady in the Dark», obschon das Werk sogar am Broadway – Hochburg des Musicals – seine Uraufführung hatte.

Nun wäre mit einem Zuwachs an Publikum zwar etwas gewonnen, aber vermutlich nicht genug eingespart. So beinhaltet vorgestelltes Massnahmenpaket allenfalls auch «weniger Neuproduktionen als im langjährigen Schnitt», sagte der Verwaltungsratspräsident Michael Willi. Zweifelsfrei billiger wären pfannenfertige Gastproduktionen, wie sie auch im Musical Theater mehrheitlich stattfanden.

Ein Vierspartenhaus nach Ostschweizer Vorbild

Ist ein Basler Vierspartenhaus nur ein einfältiger Wunschtraum? Nicht unbedingt! Für Inspiration lohnt sich ein Blick über die Kantonsgrenzen. So profiliert sich das Theater St. Gallen seit vielen Jahren als Vierspartenhaus mit Oper, Schauspiel, Tanz und Musical. Eine Ausrichtung, die dem Haus nicht nur ein junges Stammpublikum gesichert hat, sondern auch ein internationales Renommee.

Und damit zurück zur Rentabilität: Auch die Bilanz des Theaters St. Gallen macht deutlich, dass im Spartenvergleich ebendiese Musicalproduktionen mitunter die besten Zahlen schreiben und so dazu beitragen, dass das Theater St. Gallen über einen deutlich höheren Eigenfinanzierungsgrad als das Theater Basel verfügt. Aktuell liegt er dort bei 30 Prozent, das Theater Basel trägt sich indes nur zu zwölf Prozent selbst.

Eine Sache ist in der Ostschweiz jedenfalls gängiger Konsens: Mag das Publikum Oper, Schauspiel und Tanz, mag es allenfalls auch die unterhaltungsfähigste Kombination all dessen, namentlich das Musical. Es gibt keinen erkennbaren Grund, warum das nicht auch für Basel gelten sollte. Muss der «Starlight Express» also dem Sprungturm weichen, wäre es ja denkbar, dass im Theater Basel für einmal der «Lion King» statt der «Lohengrin» brüllt.

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In beiden Fällen geht es zunächst um ein Rentabilitätsproblem – mit unterschiedlicher Fallhöhe. «Betriebswirtschaftliche Krise» hiess der operative Verlust von 1,4 Millionen Franken des Theaters Basel, ein «wirtschaftliches Scheitern» hingegen musste sich das Musical Theater von der Regierung bescheinigen lassen.

Kurzum: Während sich die einen finanziell auf Tauchgang befinden, schwimmen die andern bald tatsächlich. Vorausgesetzt, die Basler Stimmbevölkerung sagt im Herbst Ja zu einem 50-Meter-Schwimmbecken und damit Nein zu Musicalproduktionen in Basel. Das heisst wiederum: Die Musical-Veranstaltenden könnten bald nach einer Bühne suchen, das Theater Basel sucht nach Sparpotenzial oder Mehreinnahmen.

Warum also nicht zusammenführen, was gar nie hätte getrennt werden müssen? Warum nicht dem Musical eine offizielle vierte Sparte am Theater Basel einräumen?

Gute Gründe dafür gibt es genug. Zumal das Theater Basel ohnehin längst Musicals stattfinden lässt, wenngleich unter dem Deckmantel der Oper. Ein Blick in die Zahlen zeigt, dass sich das lohnt: So verzeichnete in der Spielzeit 2022/23 etwa Kurt Weills «Lady in the Dark» die zweithöchste Gesamtzahl von Besuchenden, und in der Saison 2018/19 führte «La Cage aux Folles» gar die Liste an. Beide Stücke wurden andernorts als Musical deklariert.

Das bedeutet auch: Das Sinfonieorchester Basel kann Broadway, das Ballett kann Showtanz und die Technik kann Funkmikrofone, womit schon alle Bedingungen einer vierten Sparte im Theater Basel gegeben wären.

Umso seltsamer mutet die konsequente Verweigerung an, Musicals auch namentlich als Musicals zu bewerben, geradeso, als fürchte man, sich mit der Verwendung des M-Wortes einer minderwertigen Unterhaltungs- oder gar Popkultur verdächtig zu machen.

Das ist natürlich unsinnig, zumal sich der künstlerische Wert eines Musicals genauso wie der eines jeden anderen Bühnenstücks schrankenlos zwischen miserabel und grossartig bewegen kann. Abgesehen davon, dass es einem Theater zustehen sollte, bisweilen schlicht unterhalten zu dürfen.

Nichtsdestotrotz wird die Grönemeyer-Revue in Basel als Oper angekündigt und als «musikalische Komödie» beworben, obwohl es sich per Definition dabei um ein «Musiktheater mit Songs, vielen Dialogen und Tanzeinlagen» handelt, kurz - um ein Musical. Zur Oper erklärte man ebenso Weills’ «Lady in the Dark», obschon das Werk sogar am Broadway – Hochburg des Musicals – seine Uraufführung hatte.

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Eine Sache ist in der Ostschweiz jedenfalls gängiger Konsens: Mag das Publikum Oper, Schauspiel und Tanz, mag es allenfalls auch die unterhaltungsfähigste Kombination all dessen, namentlich das Musical. Es gibt keinen erkennbaren Grund, warum das nicht auch für Basel gelten sollte. Muss der «Starlight Express» also dem Sprungturm weichen, wäre es ja denkbar, dass im Theater Basel für einmal der «Lion King» statt der «Lohengrin» brüllt.

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