Gastkommentar
Der Ombudsmann: Wo er hilft – und wo nicht
Der Ombudsmann vermittelt zwischen Redaktionen und Leserschaft. Er ist Anwalt der Leser. Er greift ein, wenn Artikel als ungerecht empfunden oder medienethische Regeln verletzt werden, jedoch nicht bei sprachlichen oder faktischen Unstimmigkeiten.
Hans Fahrländer 05.01.2024, 15.57 Uhr Drucken Teilen
Blick in den Newsroom von CH Media in Aarau.
Bild: Keystone
Ombudsleute vermitteln zwischen den Redaktionen und der Leserschaft. Sie sind nicht einfach dem Medienunternehmen verpflichtet, welches sie angestellt hat, sind also nicht dessen «Schadenabwender». Sie sind ebenso Anwälte der Leserinnen und Leser und verschaffen ihnen, wenn nötig, Genugtuung. Seit bald zwei Jahren darf ich dieses spannende Amt für die Print- und Online-Titel des CH-Media-Verbundes ausüben (die Radio- und TV-Sender haben einen eigenen Ombudsmann). Was habe ich in dieser Zeit erlebt? Zunächst ein paar Beispiele von Beschwerden, auf die ich nicht eingetreten bin:
- Ein Redaktionsmitglied vertrat in einem klar als Meinung gekennzeichneten Kommentar eine Haltung, welche einem Leser sauer aufstiess. – Kommentare sind grundsätzlich frei. Angreifbar werden sie erst, wenn sie allzu derb formuliert sind.
- Ein Artikel enthielt sprachliche Regelwidrigkeiten, zudem eine falsche Jahreszahl, was eine Leserin ziemlich empörte. – Ich verstehe solche Empörung, doch Verstösse gegen sprachliche Korrektheit und Faktentreue werden nicht vom Ombudsmann geahndet, sondern von den redaktionellen Vorgesetzten.
- Ein Thema wurde in der Zeitung auf einer Doppelseite ausgebreitet. Ein Leser empfand dies als «aufgeblasen», denn für ihn hatte das Thema wenig Relevanz. – Auch für Darstellung und Gewichtung der Stoffe ist die Redaktions- und Ressortleitung zuständig.
- Ein Abonnent stiess sich an allzu penetranter Wahlwerbung. – In Inseratesachen hat der Ombudsmann keine Kompetenz, die liegt klar beim Verlag.
Für was also ist der Ombudsmann wirklich zuständig? Er kommt vor allem dann zum Zug, wenn sich jemand durch einen Artikel ungerecht behandelt oder sogar in seiner Persönlichkeit verletzt fühlt, oder wenn in einem Beitrag medienethische Regeln verletzt werden. Zum Beispiel, wenn sich eine angegriffene Person nicht zu den Angriffen äussern konnte. Oder wenn in einer Auseinandersetzung nur die eine Seite zu Wort kam. Oder wenn ein Journalist unvollständig recherchiert und Fakten unterschlagen hat. Oder wenn eine Journalistin Nachrichten mit ihrer persönlichen Meinung vermischt hat.
Folgende Beispiele mögen dies illustrieren – natürlich sind sie abstrahiert und anonymisiert, der Ombudsmann untersteht der Schweigepflicht.
- Einem Vermieter wurde in der Zeitung vorgeworfen, seine Vermietungspraxis sei «unanständig». – Oft genügt ein einziges Wort, um eine Verletzung auszulösen.
- Ein Politiker fühlte sich durch nicht wasserdicht recherchierte Vorwürfe in seiner Persönlichkeit verletzt. – In Artikel 28 des Zivilgesetzbuches ist umschrieben, wann eine Verletzung der Persönlichkeit durch ein Medium vorliegt.
- Ein Mann, der früher ein öffentliches Amt bekleidet hat, beschwerte sich, dass in der Zeitung ein Bild aus seiner aktiven Zeit erschienen ist, ohne dass er von der Redaktion um Erlaubnis gefragt worden war.
- Einmal musste der Ombudsmann sogar in die Geschichte eintauchen: Es ging um Handlungen der Schweizer Armeeführung im Zweiten Weltkrieg. Eine Leserin, welche im Krieg engste Angehörige verloren hatte, wehrte sich gegen eine ihrer Ansicht nach verharmlosende Darstellung.
- Ein kirchlicher Amtsträger wehrte sich gegen die Auswahl von Interviewpartnerinnen bei der medialen Aufbereitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
- Ein Leser empfand die Berichterstattung über den Gazakrieg als allzu palästinenserfreundlich.
Nicht nur redaktionelle Beiträge können Anstoss erregen, sondern auch Onlinekommentare. Mehrfach wurde der Ombudsmann gebeten, die Löschung von unbotmässigen Leserkommentaren zu erwirken. Der Ombudsmann hat keine Weisungskompetenz gegenüber den Redaktionen. Er kann nur Empfehlungen abgeben und Vorschläge unterbreiten. Erfreulicherweise bin ich damit in den meisten Fällen durchgedrungen und konnte so zur Deeskalation beitragen.
- Aarau
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- Zweiter Weltkrieg
Der Ombudsmann vermittelt zwischen Redaktionen und Leserschaft. Er ist Anwalt der Leser. Er greift ein, wenn Artikel als ungerecht empfunden oder medienethische Regeln verletzt werden, jedoch nicht bei sprachlichen oder faktischen Unstimmigkeiten.
Ombudsleute vermitteln zwischen den Redaktionen und der Leserschaft. Sie sind nicht einfach dem Medienunternehmen verpflichtet, welches sie angestellt hat, sind also nicht dessen «Schadenabwender». Sie sind ebenso Anwälte der Leserinnen und Leser und verschaffen ihnen, wenn nötig, Genugtuung. Seit bald zwei Jahren darf ich dieses spannende Amt für die Print- und Online-Titel des CH-Media-Verbundes ausüben (die Radio- und TV-Sender haben einen eigenen Ombudsmann). Was habe ich in dieser Zeit erlebt? Zunächst ein paar Beispiele von Beschwerden, auf die ich nicht eingetreten bin:
Für was also ist der Ombudsmann wirklich zuständig? Er kommt vor allem dann zum Zug, wenn sich jemand durch einen Artikel ungerecht behandelt oder sogar in seiner Persönlichkeit verletzt fühlt, oder wenn in einem Beitrag medienethische Regeln verletzt werden. Zum Beispiel, wenn sich eine angegriffene Person nicht zu den Angriffen äussern konnte. Oder wenn in einer Auseinandersetzung nur die eine Seite zu Wort kam. Oder wenn ein Journalist unvollständig recherchiert und Fakten unterschlagen hat. Oder wenn eine Journalistin Nachrichten mit ihrer persönlichen Meinung vermischt hat.
Folgende Beispiele mögen dies illustrieren – natürlich sind sie abstrahiert und anonymisiert, der Ombudsmann untersteht der Schweigepflicht.
Nicht nur redaktionelle Beiträge können Anstoss erregen, sondern auch Onlinekommentare. Mehrfach wurde der Ombudsmann gebeten, die Löschung von unbotmässigen Leserkommentaren zu erwirken. Der Ombudsmann hat keine Weisungskompetenz gegenüber den Redaktionen. Er kann nur Empfehlungen abgeben und Vorschläge unterbreiten. Erfreulicherweise bin ich damit in den meisten Fällen durchgedrungen und konnte so zur Deeskalation beitragen.
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05.01.2024
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Der Ombudsmann: Wo er hilft – und wo nicht Der Ombudsmann vermittelt zwischen Redaktionen und Leserschaft. Er ist Anwalt der Leser. Er greift ein, wenn Artikel als ungerecht empfunden oder medienethische Regeln verletzt werden, jedoch nicht bei sprachlichen oder faktischen Unstimmigkeiten.
Hans Fahrländer 05.01.2024, 15.57 Uhr Drucken Teilen Blick in den Newsroom von CH Media in Aarau.
Bild: Keystone Ombudsleute vermitteln zwischen den Redaktionen und der Leserschaft. Sie sind nicht einfach dem Medienunternehmen verpflichtet, welches sie angestellt hat, sind also nicht dessen «Schadenabwender». Sie sind ebenso Anwälte der Leserinnen und Leser und verschaffen ihnen, wenn nötig, Genugtuung. Seit bald zwei Jahren darf ich dieses spannende Amt für die Print- und Online-Titel des CH-Media-Verbundes ausüben (die Radio- und TV-Sender haben einen eigenen Ombudsmann). Was habe ich in dieser Zeit erlebt? Zunächst ein paar Beispiele von Beschwerden, auf die ich nicht eingetreten bin:
- Ein Redaktionsmitglied vertrat in einem klar als Meinung gekennzeichneten Kommentar eine Haltung, welche einem Leser sauer aufstiess. – Kommentare sind grundsätzlich frei. Angreifbar werden sie erst, wenn sie allzu derb formuliert sind.
- Ein Artikel enthielt sprachliche Regelwidrigkeiten, zudem eine falsche Jahreszahl, was eine Leserin ziemlich empörte. – Ich verstehe solche Empörung, doch Verstösse gegen sprachliche Korrektheit und Faktentreue werden nicht vom Ombudsmann geahndet, sondern von den redaktionellen........
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