München - Es klingt modern und zukunftsorientiert – und soll in München schon 2025 Realität werden: Die Minibusse Mija der MVG sollen das hiesige ÖPNV-Angebot ergänzen. Buchbar per App, ohne festen Fahrplan und Linienweg sollen sie vor allem im Stadtrand den Bedarf an öffentlichem Nahverkehr decken. Doch es gibt schon Kritik an dem Vorhaben. Der Behindertenbeirat der Stadt bemängelt, dass das neue Angebot nicht mit einem barrierefreien Fuhrpark ausgestattet sein wird. In den ersten sechs Betriebsmonaten müssten lediglich fünf Prozent der Fahrzeuge barrierefrei sein, nach einem Jahr lediglich zehn Prozent.

Und auch für die Zeit danach würde die Stadt nur vage Vorgaben machen, inwieweit die Kleinbusse so umgerüstet werden müssen, damit auch wirklich alle Münchner ohne Probleme mitfahren können, kritisiert der Behindertenbeirat. Das bedeutet, so der Beirat, dass bis zu 95 Prozent der Fahrzeuge im Mija-Programm schlimmstenfalls für Menschen mit Handicap nicht nutzbar sein könnten. „Diese Peinlichkeit darf sich der Stadtrat nicht erlauben“, sagt Monika Burger, die selbst im Rollstuhl sitzt und im Behindertenbeirat aktiv ist. Wer ein neues Beförderungssystem etablieren wolle‚ müsse es gleich von Anfang für alle gut nutzbar machen, so Burger weiter. „Alles andere wäre ein Fehlstart.“ Der Behindertenbeirat fordert deswegen, dass der Stadtrat die MVG dazu verpflichtet, alle Fahrzeuge für die Rufbusse gleich barrierefrei anzuschaffen. Zudem sei man im Voraus bei der Konzeption des Angebots nicht zu Rate gezogen worden, sagt der Beirat.

Gegenwind kommt auch von anderer Seite. In einer gemeinsamen Mitteilung kritisieren der Fahrgastverband Pro Bahn sowie der Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr, dass nur ein Bruchteil der Mija-Flotte barrierefrei ausgebaut werden soll. „Das ist völlig unzureichend“, sagt Berthold Maier, der Sprecher des Arbeitskreises. Und Andreas Barth vom Fahrgastverband ergänzt: „Ein neues ÖPNV-System muss von Anfang an für alle Fahrgäste nutzbar sein.“ Die Fahrgastvertreter weisen darauf hin, dass es bei der Barrierefreiheit ja nicht nur um Menschen mit Behinderung geht. Darüber hinaus seien auch Fahrgäste, die mit Kinderwagen unterwegs sind, auf barrierefreie Kleinbusse angewiesen.

Das Mobilitätsreferat, das für die Umsetzung von Mija zuständig ist, verweist darauf, dass Mija die gesetzliche Mindestquote von fünf Prozent barrierefreien Fahrzeugen erfülle – und sie zudem rasch ausweiten wolle. Über die App werde man jederzeit ein barrierefreies Mija-Fahrzeug anfordern können. Allerdings bedauert das Referat auf AZ-Anfrage, dass der Behindertenbeirat nicht wie üblich korrekt formal an der Beschlussvorlage zu Mija beteiligt worden sei, über die der Stadtrat am Mittwoch abstimmt. Es habe allerdings zwei Austauschtermine mit dem Behindertenbeirat gegeben, sagt Referatssprecherin Franziska Hartmann. Im April habe man beim Beirat abgefragt, welche Minimalanforderungen für den On-Demand-Service benötigt werden, um ihn barrierefrei zu gestalten. Allerdings ging es dabei nicht um die Fahrzeuge, sondern um die App mit der die Rufbusse bestellt werden können.

Im Oktober habe man zusammen mit MVG und Behindertenbeirat beim Münchner Taxi-Zentrum ein „Inklusions-Taxi“ angesehen. Dabei handelt es sich um einen Mercedes e-Vito mit Rampe. Bei diesem Treffen habe man festgelegt, dass die neuen Mija-Busse mindestens 1,60 Meter hoch sein müssten, um barrierefrei zu sein. „Aktuell gibt es keine lieferbaren E-Fahrzeuge mit den benötigten Dimensionen“, sagt Sprecherin Hartmann. Deswegen habe man sich darauf verständigt, dass die Flotte vom Mija, die eigentlich komplett elektrisch unterwegs sein soll, übergangsweise auch mit Verbrennern bestückt werden darf.

Nach der AZ-Anfrage hat sich das Mobilitätsreferat zudem inzwischen mit dem Behindertenbeirat abgestimmt – der Beirat wird sich nun doch noch einmal schriftlich äußern dürfen. Damit soll sichergestellt werden, dass in den Text, mit dem die Ausschreibung für den Service gestaltet wird, auch die Wünsche der Münchner mit Handicap einfließen. „Sobald die Ausschreibung erfolgreich beendet wurde, wird der Behindertenbeirat aktiv beteiligt,“ sagt Sprecherin Hartmann. Etwa wenn es darum geht, wo die virtuellen Haltestellen liegen werden (diese werden ja nurmehr in der App angezeigt und sind bei Mija keine klassischen Haltepunkte mit Wartehäuschen) und wie das Personal geschult wird.

Stimmt der Stadtrat den Mija-Plänen an diesem Mittwoch zu, werden in einer ersten Phase 50 Fahrzeuge angeschafft werden. Die Kleinbusse sollen zunächst in den Bezirken Aubing-Lochhausen-Langwied, Allach-Untermenzing, Pasing-Obermenzing, Moosach, Neuhausen-Nymphenburg, Schwabing-West, Maxvorstadt, Schwanthalerhöhe, Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt sowie Altstadt-Lehel eingerichtet werden. Zu Beginn soll der per Smartphone buchbare Service vor allem im Abend- und Nachtverkehr angeboten werden. Bis Ende 2029 soll die Flotte dann anwachsen und auch tags zu Verfügung stehen.

In Hamburg gibt es bereits ein ähnliches System mit per App buchbaren Bussen – übrigens auch 15 barrierefreie –, das auch gut angenommen wird, Man muss aber gar nicht so weit in den Norden schauen. Im Chiemgau ist seit Mai 2022 „Rosi“ unterwegs. Die Kleinbusse fahren nicht nach einem bestimmten Fahrplan, sondern können per App oder Telefon gebucht werden. Der Fahrpreis wird dann nach bestimmten Kilometerpauschalen berechnet.

QOSHE - "Wäre ein Fehlstart": Kritik an neuem ÖPNV-Angebot der MVG - Sophie Anfang
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

"Wäre ein Fehlstart": Kritik an neuem ÖPNV-Angebot der MVG

4 0
19.12.2023

München - Es klingt modern und zukunftsorientiert – und soll in München schon 2025 Realität werden: Die Minibusse Mija der MVG sollen das hiesige ÖPNV-Angebot ergänzen. Buchbar per App, ohne festen Fahrplan und Linienweg sollen sie vor allem im Stadtrand den Bedarf an öffentlichem Nahverkehr decken. Doch es gibt schon Kritik an dem Vorhaben. Der Behindertenbeirat der Stadt bemängelt, dass das neue Angebot nicht mit einem barrierefreien Fuhrpark ausgestattet sein wird. In den ersten sechs Betriebsmonaten müssten lediglich fünf Prozent der Fahrzeuge barrierefrei sein, nach einem Jahr lediglich zehn Prozent.

Und auch für die Zeit danach würde die Stadt nur vage Vorgaben machen, inwieweit die Kleinbusse so umgerüstet werden müssen, damit auch wirklich alle Münchner ohne Probleme mitfahren können, kritisiert der Behindertenbeirat. Das bedeutet, so der Beirat, dass bis zu 95 Prozent der Fahrzeuge im Mija-Programm schlimmstenfalls für Menschen mit Handicap nicht nutzbar sein könnten. „Diese Peinlichkeit darf sich der Stadtrat nicht erlauben“, sagt Monika Burger, die selbst im Rollstuhl sitzt und im Behindertenbeirat aktiv ist. Wer ein neues Beförderungssystem etablieren wolle‚ müsse es gleich von Anfang für alle gut nutzbar machen, so Burger weiter. „Alles andere wäre ein Fehlstart.“ Der Behindertenbeirat........

© Abendzeitung München


Get it on Google Play