München - Sie war im schönsten Business-Deutsch formuliert, die begeisterte Mitteilung über die Fusion der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag: Eine "Chance für Effizienzsteigerungen und Prozessoptimierungen" mit einem Fokus auf der "Schaffung von Synergien im Wertedreieck von sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung", so las sich das noch im Dezember 2022, als Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) über die neu zu schaffende Münchner Wohnen informierte.

Jene Gesellschaft, die aus der Zusammenlegung der beiden bisherigen städtischen Wohnungsbauer entstehen soll. Sie wird mit rund 70. 000 Wohnungen die viertgrößte kommunale Vermieterin in Deutschland sein. Jeder zehnte Münchner wird hier Mieter sein. Eigentlich sollte die Fusion zum 1. Januar 2024 über die Bühne gehen. Doch es ruckelt gewaltig.

Anfang dieser Woche wurde bekannt, dass der sich gerade einmal 27 Tage im Amt befindende Chef der Gewofag, Andreas Lehner, der kommendes Jahr an die Spitze der Münchner Wohnen hätte rücken sollen, mit sofortiger Wirkung hinschmeißt.

In der "SZ" trat Lehner dann Mitte der Woche noch einmal nach. Er halte den bisherigen Prozess der Zusammenführung von GWG und Gewofag für "komplett gescheitert". "Die Fusion wird so nicht funktionieren." Es hätten zwei Geschäftsführungen und zwei Betriebsräte miteinander verhandelt, dabei habe es ein "Hauen und Stechen" gegeben.

Bürgermeisterin Verena Dietl, die Aufsichtsratsvorsitzende, widersprach dieser Darstellung in einem öffentlichen Brief an ihre Genossen. "Die Fusion unserer beiden Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG läuft – allen aktuellen Unkenrufen zum Trotz – weiter nach Plan." Die Kündigung von Lehner sei nach dieser Zeit zwar "ungewöhnlich", sie habe aber weder auf die Fusion, noch auf die Handlungsfähigkeit irgendwelche Auswirkungen. "Ein derart kurzes Gastspiel kann auch gar keine Konsequenzen haben", schreibt Dietl weiter.

Nicht-mehr-Chef Andreas Lehner hatte bei seinem Ausscheiden auch anklingen lassen, dass die GWG finanziell nicht so rosig dastehen würde. Diese Andeutungen "entbehren jeder Grundlage", empört sich Dietl und verspricht: "Nach der Fusion zum Jahreswechsel bündeln wir das Beste aus beiden Gesellschaften."

Das will im Stadtrat aber bei der Opposition niemand so recht glauben. Dort hatte man die grün-roten Pläne ohnehin immer sehr kritisch beäugt und angezweifelt, ob die Fusion sinnvoll ist. Der Betriebsrat der Gewofag hatte in einem offenen Brief die Entscheidung ebenfalls angeprangert: "Wir sehen weiter keinen wirtschaftlichen oder wohnungspolitischen Sinn in der Zusammenlegung."

Auch, ob eine Münchner Wohnen das Ziel erfüllen kann, kostengünstiger mehr Wohnungen zu bauen, schätzt die Opposition als unrealistisch ein. Im aktuellen Wohnungsbauprogramm hatte sich die Stadt zum Ziel gesetzt, die Zahl der fertiggestellten Wohneinheiten ab 2024 pro Jahr von 1.250 auf 2.000 zu erhöhen.

Auch nach dem Beschluss war es bei den Wohnungsgesellschaften unruhig zugegangen. Im März dieses Jahres hatte die Stadt den damaligen Gewofag-Chef Klaus-Michael Dengler, der eigentlich die Münchner Wohnen führen sollte, vor die Tür gesetzt, nachdem er heimlich Schriftgutachten über den Betriebsratschef anfertigen ließ. Auf ihn folgte dann im Oktober Andreas Lehner.

Die Bestellung des ehemaligen SPD-Fraktionschefs Christian Müller auf einen der Geschäftsführerposten der Münchner Wohnen hatte ebenfalls nicht nur für Begeisterung gesorgt. Der Politiker hatte davor den Kita-Bereich der Caritas in der Region München geleitet. Christian Müller müsse nun zeigen, "dass er dieser Verantwortung auch ohne einschlägige Berufserfahrung gerecht werden kann", sagte die planungspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion, Heike Kainz, unmittelbar nach der Wahl.

Nun, da der Gewofag-Chef Lehner hingeschmissen hat, will die Stadtratsopposition die Münchner Wohnen erneut auf die Tagesordnung bringen. Sowohl die Fraktion aus CSU und Freien Wählern als auch ÖDP und München-Liste fordern in einem Dringlichkeitsantrag, die Fusion auszusetzen. Laut FDP/Bayernpartei sei das Vorhaben immer zum "Scheitern verurteilt" gewesen. "Der Zeitplan ist endgültig nicht mehr haltbar", sagt wiederum CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl und diagnostiziert ein "Führungsversagen bei der Aufsichtsratsvorsitzenden", also Verena Dietl.

Die Linke hingegen will zunächst, dass sowohl der Stand der Fusion, als auch die Finanzlage der beiden Gesellschaften dem Stadtrat offengelegt werden. Die derzeitigen Vorgänge ließen ihn ratlos zurück, so der Fraktionsvorsitzende Stefan Jagel. "Eine der zentralen Fragen ist, ob die SPD mit den Wohnungsbaugesellschaften überfordert ist."

QOSHE - "Komplett gescheitert": Platzt die große Immobilien-Fusion in München? - Sophie Anfang
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"Komplett gescheitert": Platzt die große Immobilien-Fusion in München?

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04.11.2023

München - Sie war im schönsten Business-Deutsch formuliert, die begeisterte Mitteilung über die Fusion der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag: Eine "Chance für Effizienzsteigerungen und Prozessoptimierungen" mit einem Fokus auf der "Schaffung von Synergien im Wertedreieck von sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung", so las sich das noch im Dezember 2022, als Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) über die neu zu schaffende Münchner Wohnen informierte.

Jene Gesellschaft, die aus der Zusammenlegung der beiden bisherigen städtischen Wohnungsbauer entstehen soll. Sie wird mit rund 70. 000 Wohnungen die viertgrößte kommunale Vermieterin in Deutschland sein. Jeder zehnte Münchner wird hier Mieter sein. Eigentlich sollte die Fusion zum 1. Januar 2024 über die Bühne gehen. Doch es ruckelt gewaltig.

Anfang dieser Woche wurde bekannt, dass der sich gerade einmal 27 Tage im Amt befindende Chef der Gewofag, Andreas Lehner, der kommendes Jahr an die Spitze der Münchner Wohnen hätte rücken sollen, mit sofortiger Wirkung hinschmeißt.

In der "SZ" trat Lehner dann Mitte der Woche noch einmal nach.........

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