München - Obdachlose liegen dick eingemummelt am Boden, ein paar Meter weiter gammeln Speisereste, Ratten flitzen umher. Nach dem Aus für die ehemaligen Galeria-Standorte an der Schützenstraße sowie am Stachus entlang der Sonnen- und Bayerstraße sind Ärger und Wut groß: bei Anwohnern und Ladenbesitzern.

Bei einigen Gewerbetreibenden ist es auch die pure Verzweiflung: Die Kundschaft bleibe weg, die Umsätze seien dramatisch eingebrochen, weil die Gegend so verwahrlose. Insbesondere in der Schützenstraße klagen Geschäftsinhaber, dass kaum noch Laufkundschaft kommen würde.

"Da muss sich niemand wundern, wenn wieder Geschäfte schließen müssen", sagte eine Geschäftsfrau vorige Woche in der AZ. Nun will OB Dieter Reiter (SPD) gegen die Bettler dort vorgehen. Bereits am Freitag, als der AZ-Bericht über die Situation vor Ort erschienen war, ließ der OB eine Räumung der Obdachlosenstätten rund um die beiden früheren Galeria-Standorte anordnen. Eine erste Räumung hatte es bereits vor einigen Wochen gegeben.

Sowohl am Stachus als auch unter den Gebäudevorsprüngen des 70er-Jahre-Kaufhauses entlang der Schützenstraße haben sich Bettler mit Thermomatten, Decken und ihren wenigen Habseligkeiten eingerichtet. Nach Erkenntnissen von Streetworkern sind es allein am Stachus zwölf, die dort ständig nächtigen. Bei ihnen handele es sich vorwiegend um obdachlose Zuwanderer, die immer wieder über die Übernachtungs- und Beratungsangebote der Stadt informiert worden seien, aber "alle Angebote ablehnen".

Für Geschäftsinhaber, Hoteliers und auch für Münchner, die dort entlanggehen, ist die Situation keine angenehme. Auch Touristen würden verwundert nachfragen, was in München los sei, berichteten Ladeninhaber. Vor allem die Schützenstraße sei zur Gammelstraße verkommen. Dabei ist sie für München-Besucher, die mit dem Zug anreisen, die direkte oberirdische Verbindung zur Altstadt.

Eine Hoteldirektorin berichtete, dass sich auch immer wieder Gäste beschweren, weil ihnen nachts lärmende, grölende Menschen den Schlaf rauben. Mitarbeiterinnen würden sich nachts unsicher fühlen und nicht mehr allein an der Rezeption arbeiten wollen.

OB Reiter kündigte am Montag an, die Situation mit den Bettlern "menschenwürdig zu regeln, denn diese Menschen kommen aus größter Not zu uns". Er betonte aber: "Das heißt aber nicht, dass sie unsere Hilfsangebote einfach ignorieren und ihr Lager irgendwo aufschlagen können". In solchen Fällen seien Räumungen "das letzte Mittel der Wahl". Der OB weiter: "So kann es jedenfalls nicht weitergehen."

Reiter kündigte zudem ein Treffen mit dem Polizeipräsidenten an, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auch will die Stadt Kontakt zu den Eigentümern der Gebäude aufnehmen.

Mit dem Eigentümer des Areals an der Schützenstraße allerdings dürfte das schwierig werden. Der leerstehende alte Karstadt und das denkmalgeschützte Hermann-Tietz-Haus am Bahnhofsplatz gehören komplett René Benkos ins Trudeln geratenem Konzern Signa. Seit Kurzem stehen die Sanierungsarbeiten auf der Baustelle am Bahnhofsplatz still – wie auch die Arbeiten an der Alten Akademie.

Die Signa hatte einen Baustopp verhängt. Es steht offenbar gar nicht gut um den Konzern: Nachdem vorige Woche eine erste Signa-Tochter, die Signa Real Estate Management Germany GmbH, Insolvenz anmelden musste, heißt es mittlerweile, bei vielen der über 1000 Gesellschaften stünde das wirtschaftliche Überleben auf der Kippe – sogar der gesamte Konzern sei in akuter Gefahr.

Das Wasser steht Signa offenbar bis zum Hals. Der angeschlagene Konzern, zu dem die Kaufhauskette Galeria sowie Immobilien in Milliardenh̦he geh̦ren, braucht dringend 500 Millionen Euro. Wie der "Spiegel" und das Magazin "News" berichten, sind alle potenziellen Retter abgesprungen Рnur mit einem werde noch verhandelt: mit dem US-Hedgefonds Elliott Investment Management von Paul Singer. Am Freitag hatte die erste Signa-Tochter Insolvenz angemeldet. Angeblich sind Hunderte weitere in Vorbereitung.

Zu dem Konzern, den der Österreicher René Benko gegründet hat, gehören mehr als 1000 Gesellschaften. Verwirrung gibt es um Sanierungsexperten Arndt Geiwitz. Laut Berichten soll er noch keinen Vertrag unterzeichnet haben, als neuer Vorsitzender des Beirats, "nur" Berater sein.

QOSHE - "So kann es nicht weitergehen": München hat genug von der Gammelstraße ... - Nina Job
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"So kann es nicht weitergehen": München hat genug von der Gammelstraße ...

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28.11.2023

München - Obdachlose liegen dick eingemummelt am Boden, ein paar Meter weiter gammeln Speisereste, Ratten flitzen umher. Nach dem Aus für die ehemaligen Galeria-Standorte an der Schützenstraße sowie am Stachus entlang der Sonnen- und Bayerstraße sind Ärger und Wut groß: bei Anwohnern und Ladenbesitzern.

Bei einigen Gewerbetreibenden ist es auch die pure Verzweiflung: Die Kundschaft bleibe weg, die Umsätze seien dramatisch eingebrochen, weil die Gegend so verwahrlose. Insbesondere in der Schützenstraße klagen Geschäftsinhaber, dass kaum noch Laufkundschaft kommen würde.

"Da muss sich niemand wundern, wenn wieder Geschäfte schließen müssen", sagte eine Geschäftsfrau vorige Woche in der AZ. Nun will OB Dieter Reiter (SPD) gegen die Bettler dort vorgehen. Bereits am Freitag, als der AZ-Bericht über die Situation vor Ort erschienen war, ließ der OB eine Räumung der Obdachlosenstätten rund um die beiden früheren Galeria-Standorte anordnen. Eine erste Räumung hatte es bereits vor einigen Wochen gegeben.

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