München - Ein Steinchen reißt die anderen mit. So ist es bei Domino. Und so scheint es bei der insolventen Signa zu sein. Nun hat es auch Oberpollinger in München erwischt. Wie die KaDeWe Group mitteilte, hat die Gesellschaft in Berlin Charlottenburg einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt. Betroffen sind davon neben Oberpollinger das wohl berühmteste deutsche Kaufhaus – das KaDeWe in Berlin – sowie das Alsterhaus in Hamburg.

Als Grund für den Schritt gibt die KaDeWe Group "exorbitant hohe Mieten" an allen drei Standorten an. Die "Mieten sind im Vergleich zum Geschäftsjahr 2018/19 um fast 37 Prozent gestiegen. In den nächsten Jahren sollen sie weiter ansteigen", heißt es. Dies mache "ein nachhaltig ertragreiches Wirtschaften nahezu unmöglich". Und das, obwohl die drei Häuser im Geschäftsjahr 2022/23 den höchsten Umsatz ihrer Geschichte gemacht hätten: fast 728 Millionen Euro. Im Vergleich zu 2018/19 ein Plus von fast 24 Prozent.

Wie auch bei Galeria will man sich nun im Insolvenzverfahren von "unverhältnismäßig" hohen Forderungen der Vermieter befreien. Verhandlungen hatten bislang offenbar keinen Erfolg, auch die Insolvenzen der Signa, die Eigentümer und Vermieter des Oberpollinger-Gebäudes ist, hätten nichts verändert. "Wir lassen Altlasten hinter uns und streifen vor allem die hohen Mietlasten ab", so CEO Michael Perseim in einer Mitteilung.

Im Oberpollinger hatte die Nachricht bereits Montagfrüh die Runde gemacht. Ist es ein schlechtes Omen, dass gerade ein großer Schlussverkauf läuft? Die Schaufenster zur Neuhauser Straße sind ganzflächig verklebt, darauf steht riesengroß "Sale". An der Eingangstür und an vielen Verkaufsständen steht gar "Final Sale". Bedeutet das etwas schon den letzten Ausverkauf?

"Wir schließen nicht!", beruhigt ein Verkäufer eine Kundin. "Wir haben nur zu viel Ware, die wir jetzt abverkaufen." Auf Schildern wird mit bis zu 60 Prozent Preisnachlass geworben. Schwarz-weiße Ski-Fäustlinge von Sportalm gibt's jetzt für 210 Euro statt 299 Euro. Die weiße Pudelmütze von Bogner kostet 126 statt bisher 179 Euro. Und der Schneeanzug fürs 18 Monate alte Kleinkind, komplett im Burberry-Muster, ist für 208 Euro zu haben. Vor Weihnachten blätterten Kunden dafür noch 520 Euro hin.

Am Montagmorgen waren die Abteilungsleiter aus dem Luxuskaufhaus zusammengerufen worden, erzählt eine Verkäuferin. Sie hätten dann von ihren unmittelbaren Vorgesetzten erfahren, dass Oberpollinger zahlungsunfähig ist. Medienberichte gab es schon am Wochenende, offiziell bestätigt wurde erst am Montag. Zuerst hatte das Wirtschaftsmagazin "Capital" berichtet.

"Wir wissen auch nichts Genaues. Es hieß, wir sollen uns keine Sorgen machen", sagt eine Verkäuferin. Die Stimmung unter den Mitarbeitern in den Verkaufsetagen wirkt gedrückt. Einige von ihnen sind erst vor einem guten halben Jahr vom Karstadt an der Schützenstraße zu Oberpollinger gewechselt. Am 30. Juni war dort Schluss, weil die Signa beschlossen hatte, diesen Galeria-Karstadt-Kaufhof-Standort zu schließen. Rund 260 Mitarbeiter mussten sich neue Jobs suchen oder wurden arbeitslos. Wie schlecht es da schon um den gesamten Signa-Konzern gestanden haben muss, ahnte kaum jemand.

In der Zwischenzeit haben Signa Sports United, Sport Scheck, der Signa-Mutterkonzern und Galeria (92 Standorte in Deutschland) Insolvenz angemeldet, außerdem Grundstücks- und Immobiliengesellschaften, die Projekte entwickeln wollten. Die Alte Akademie, der frühere Karstadt, das ehemalige Hertie-Kaufhaus am Hauptbahnhof und das frühere Kaut-Bullinger-Haus – alles erst mal tote Baustellen, die möglicherweise auf Jahre hinaus Bauruinen bleiben.

Wie es nun mit den rund 300 Beschäftigen bei Oberpollinger, im größten Warenhaus Süddeutschlands, weitergeht, wird sich zeigen. Der vorläufige Sachwalter Christian Graf Brockdorff sagt über die drei Luxus-Häuser der KaDeWe Group: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gemeinsam mit der Geschäftsführung gelingen wird, die Gruppe erfolgreich fortzuführen."

Oberpollinger und die beiden anderen werden "selbstverständlich geöffnet" bleiben. "Der Betrieb geht unverändert weiter." Die Tarifangestellten bekommen weiterhin ihre Gehälter plus Zulagen, verspricht er. Die anderen bekommen erst mal drei Monate Insolvenzgeld, so Graf Brockdorff. Die Häuser seien "Ikonen des Luxus. Ihre Marktposition einzigartig." Eine große Zukunft stünde ihnen bevor – mit normalen Mieten.

Auf dem Nachbargrundstück des heutigen Oberpollinger in der Neuhauser Straße stand einst eine Brauerei. Als der Brauer Christoph Pollinger (dessen Familie nahe der Sendlinger Straße eine zweite Brauerei hatte) sie 1584 übernahm, sprach man schnell vom "Oberen Pollinger" und vom "Unteren Pollinger". So bliebt der Name Oberpollinger bis heute erhalten, über die verschiedensten Nutzungen des Hauses hinweg. Am 14. März 1905 eröffnete die hanseatische Kaufmannsfamilie M. J. Emden Söhne das Luxuskaufhaus Oberpollinger (das zwei Jahre älter ist als das berühmte KaDeWe in Berlin).

Der "Atem der großen weiten Welt" wehe durchs Haus, war damals begeistert in den "Münchner Neueste Nachrichten" zu lesen. Allein den Bau des Architekten Max Littmann mit einem glasüberdachten Lichthof und vier Personenaufzügen (Baukosten: 1,1 Millionen Mark) empfanden die Münchner als aufregend mondän. 1927 übernahm der Karstadt-Konzern (mit Geschäftsführer Rudolph Karstadt) das Haus. Nach einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg brannte das Gebäude in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar 1945 vollständig aus. Das Wenige, das übrig blieb, wurde geplündert. 1954 wurde ein neues Gebäude feierlich wiedereröffnet. Der Oberpollinger bot nun noch mehr Luxusprodukte als zuvor – und 2000 Mitarbeiter kümmerten sich um die Wünsche der Kundschaft.

2005 und 2006 wurde das Gebäude schließlich vollständig umgebaut und durch einen Erweiterungsbau vergrößert. 2011 kaufte René Benkos Signa zunächst die Oberpollinger-Immobilien. 2014 übernahm er auch die Mehrheitsverhältnisse der drei Karstadt-Häuser Oberpollinger, Alsterhaus und KaDeWe. 2015 veräußerte Signa den Mehrheitsanteil an die italienische Warenhauskette La Rinascente, die wiederum Teil der thailändischen Central Group ist.

QOSHE - "Exorbitant hohe Mieten": Warum Oberpollinger in München trotz ... - Nina Job
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"Exorbitant hohe Mieten": Warum Oberpollinger in München trotz ...

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30.01.2024

München - Ein Steinchen reißt die anderen mit. So ist es bei Domino. Und so scheint es bei der insolventen Signa zu sein. Nun hat es auch Oberpollinger in München erwischt. Wie die KaDeWe Group mitteilte, hat die Gesellschaft in Berlin Charlottenburg einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt. Betroffen sind davon neben Oberpollinger das wohl berühmteste deutsche Kaufhaus – das KaDeWe in Berlin – sowie das Alsterhaus in Hamburg.

Als Grund für den Schritt gibt die KaDeWe Group "exorbitant hohe Mieten" an allen drei Standorten an. Die "Mieten sind im Vergleich zum Geschäftsjahr 2018/19 um fast 37 Prozent gestiegen. In den nächsten Jahren sollen sie weiter ansteigen", heißt es. Dies mache "ein nachhaltig ertragreiches Wirtschaften nahezu unmöglich". Und das, obwohl die drei Häuser im Geschäftsjahr 2022/23 den höchsten Umsatz ihrer Geschichte gemacht hätten: fast 728 Millionen Euro. Im Vergleich zu 2018/19 ein Plus von fast 24 Prozent.

Wie auch bei Galeria will man sich nun im Insolvenzverfahren von "unverhältnismäßig" hohen Forderungen der Vermieter befreien. Verhandlungen hatten bislang offenbar keinen Erfolg, auch die Insolvenzen der Signa, die Eigentümer und Vermieter des Oberpollinger-Gebäudes ist, hätten nichts verändert. "Wir lassen Altlasten hinter uns und streifen vor allem die hohen Mietlasten ab", so CEO Michael Perseim in einer Mitteilung.

Im Oberpollinger hatte die Nachricht bereits Montagfrüh die Runde gemacht. Ist es ein schlechtes Omen, dass gerade ein großer Schlussverkauf läuft? Die........

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