München - AZ-Interview mit Edmund Stoiber. Der 82-Jährige ist Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des Verwaltungsbeirats beim FC Bayern. Von 1993 bis 2007 war er Ministerpräsident Bayerns.

AZ: Herr Stoiber, wie haben Sie die Nachricht vom Tode Franz Beckenbauers aufgenommen?
EDMUND STOIBER: Ich war erschüttert, weil ich Franz so lange kannte und der FC Bayern ein emotionaler Teil meines Lebens war und ist. Franz war mein Freund.

Wie war Ihre erste Begegnung mit Beckenbauer?
Das war 1963, daran erinnere ich mich noch genau. Franz war damals gerade 18. Ich bin hin und wieder auf dem Weg von der Universität nach Hause am Trainingsplatz der Bayern vorbeigefahren und habe Halt gemacht, um zuzuschauen. Ich werde nie vergessen, wie atypisch Franz war, so unglaublich elegant. Ein junger Spieler, von dem ich gleich am nächsten Tag meiner damaligen Freundin und späteren Frau Karin erzählt habe. Seinen Namen kannte ich nicht. "Backenbäcker oder Beckenmaier", rief mir ein anderer Fan auf meine Frage zu, wer das denn sei. Heute unvorstellbar. (lacht)

Was hat Beckenbauer als Spieler so besonders gemacht?
Die deutschen Mannschaften in der Zeit vor Beckenbauer waren geprägt von Eigenschaften wie Kraft und Einsatz, Fritz Walter war spielerisch schon eine ganz besondere Figur in der Nachkriegszeit. Und dann kam Franz. Ein Fußballer, der technisch brillant war, strategisch begabt und mit einer Leichtigkeit ausgestattet, die keiner vor ihm hatte. Er hat mit seiner Art des Fußballs ganz neue gesellschaftliche Schichten angesprochen. Und er hatte diese Autorität auf dem Platz. Uli Hoeneß hat es richtig ausgedrückt: Franz ist die größte Persönlichkeit, die der FC Bayern je hatte, der beste deutsche Fußballer, den wir je hatten. Und für mich persönlich ist Franz der Allergrößte. Die Entwicklung zu einem der besten Vereine der Welt wäre ohne Franz Beckenbauer nicht vorstellbar gewesen. Eine solche Karriere als Spieler, Trainer und Funktionär wird es nicht mehr geben.

Was hat ihn in seiner zweiten Karriere als Trainer und Bayern-Präsident ausgezeichnet?
Franz war ein Supertrainer, er hat 1990 in Italien die Weltmeisterschaft gewonnen, auch mit Bayern hat er noch Titel geholt. Und als Präsident hat er dann an seine Eleganz und Leichtigkeit angeknüpft, das habe ich in vielen Sitzungen des Aufsichtsrats erfahren dürfen. Franz war nicht bürokratisch, er hat sich da nicht lange aufgehalten, sondern auf die wesentlichen Punkte hingewiesen. Die Anstrengung hat man beim Spieler Beckenbauer nie gesehen – und so hat er auch das Präsidentenamt ausgefüllt. Mit großem Erfolg.

Wie haben Sie den Menschen Franz Beckenbauer erlebt?
Er war ein unendlich prominenter Mann und zugleich immer freundlich zu allen Menschen. Es gab nie eine Distanz, er hat sich jedem Ordner zugewendet, jeden mit Respekt behandelt. Franz war ein Mensch zum Anfassen – für alle. Daher hatte er eine so unglaublich große Wirkung beim FC Bayern und generell in seinem Leben.

2006 hat Beckenbauer auch noch die WM nach Deutschland geholt, später geriet er wegen der Vergabe der WM heftig in die Kritik. Von schwarzen Kassen beim DFB und dubiosen Zahlungen war die Rede. Beckenbauer wurde ein Verfahren gemacht, aber nie etwas nachgewiesen. Wie haben Sie die Kritik empfunden?
Ich glaube, dass Franz das Ausmaß der Kritik nicht verstanden hat. Vielleicht ist es auch eine deutsche Mentalität, das Kritische überzubetonen. Aus meiner Sicht war diese Kritik überzeichnet. Es ist letztlich alles unklar, was rund um die Vergabe passiert ist. Fest steht: Franz hat mit der WM 2006 das Image Deutschlands in der Welt ganz entscheidend verändert. Deutschland war in vielen Köpfen nicht mehr der Verursacher des Zweiten Weltkriegs mit fürchterlichen Verbrechen, sondern ein freundlicher Gastgeber mit einem Sommermärchen. Es war ja ein Wetter wie in Italien bei uns! Die Deutschen waren fröhlich, begeistert, sie haben ihre Deutschland-Flaggen ans Auto gehängt. Aber niemand hat übertriebenen Nationalismus festgestellt. Den Wert dieses Turniers kann man gar nicht beziffern. Ohne Franz, ohne seine Leichtigkeit und seinen Einfluss in der Fifa, wäre das alles nicht möglich gewesen. Eines möchte ich bei dieser Gelegenheit übrigens noch sagen...

...bitte.
Beim FC Bayern gab es während all der öffentlichen Kritik nie einen Zweifel an Franz, der Klub war immer seine Heimat und stand geschlossen hinter ihm. Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und die anderen Führungskräfte haben immer gewusst, dass Franz die entscheidende Figur für die Entwicklung des FC Bayern war.

QOSHE - "Backenbäcker oder Beckenmaier": Stoiber über erste Beckenbauer-Begegnung - Maximilian Koch
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"Backenbäcker oder Beckenmaier": Stoiber über erste Beckenbauer-Begegnung

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10.01.2024

München - AZ-Interview mit Edmund Stoiber. Der 82-Jährige ist Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des Verwaltungsbeirats beim FC Bayern. Von 1993 bis 2007 war er Ministerpräsident Bayerns.

AZ: Herr Stoiber, wie haben Sie die Nachricht vom Tode Franz Beckenbauers aufgenommen?
EDMUND STOIBER: Ich war erschüttert, weil ich Franz so lange kannte und der FC Bayern ein emotionaler Teil meines Lebens war und ist. Franz war mein Freund.

Wie war Ihre erste Begegnung mit Beckenbauer?
Das war 1963, daran erinnere ich mich noch genau. Franz war damals gerade 18. Ich bin hin und wieder auf dem Weg von der Universität nach Hause am Trainingsplatz der Bayern vorbeigefahren und habe Halt gemacht, um zuzuschauen. Ich werde nie vergessen, wie atypisch Franz war, so unglaublich elegant. Ein junger Spieler, von dem ich gleich am nächsten Tag meiner damaligen Freundin und späteren Frau Karin erzählt habe. Seinen Namen kannte ich nicht. "Backenbäcker oder Beckenmaier", rief mir ein anderer Fan auf meine Frage zu, wer das denn sei. Heute unvorstellbar. (lacht)

Was hat Beckenbauer als Spieler so besonders gemacht?
Die........

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